Dienstag, 21. Juli 2020

9. Juli -

2020/07/09 09:34



Träumte von B, mit der ich seit Jahren keinen Kontakt gehabt habe. Unsere Freundschaft ist einfach im Sand verlaufen. In meinem Traum lag sie auf einem Bett und las in einem Medizinbuch. Keine von uns verlor ein Wort über das jahrelange Schweigen zwischen uns. Ich war erleichtert, weil ich mit Vorwürfen gerechnet hatte. Schließlich war ich es gewesen, die damals gesagt hatte, ich würde zurückrufen und die es dann nie tat. Ich hatte mir monatelang Entschuldigungen und Rechtfertigungen ausgedacht - mein Stimmungstief, das Gefühl der Scham wegen meiner verkorksten Lebenssituation -, aber dann habe ich es einfach absinken lassen, versucht zu vergessen. Im Traum vertraute B mir an, dass sie sich jetzt zu alt fühle, um noch all die medizinischen Fakten in ihren Kopf zu prügeln. Sie hatte ihr Medizinstudium immer noch nicht abgeschlossen (in Wirklichkeit natürlich schon), kämpfte immer noch. Im Aufwachen (oder noch im Traum) dachte ich, dass das eigentlich eine Projektion meiner eigenen Situation ist. Ich kämpfe immer noch um etwas, das ich wohl nie erreichen werde, und je älter ich werde, desto unwahrscheinlicher ist es.



Plötzlich erinnere ich mich daran, wie wir vor der Staatsbibliothek in Berlin im Gras saßen und sie zu den anderen Medizinstudentinnen von unserer gemeinsamen Zukunft redete. Sie werde das Geld nach Hause bringen, sagte sie, während ich zu Hause sitzen und Bücher schreiben würde. Damals wusste ich schon, dass das ein schöner Traum war, der nicht in Erfüllung gehen würde. Schon damals wappnete ich mich gegen eine Vorstellung von Glück.



Zum Frühstücken wieder am Meer. Ich habe meine eigene Ecke hergerichtet, mit einem flachen Stein für die Espressokanne an einer windgeschützten Stelle. Ein anderer Stein diente mir als Teller für das Croissant. Artemis kam wieder vorbei, mit ihrem Hund und dem Hund ihrer Nachbarin. Wir wechselten ein paar Worte. Ich begegnete auch den Gärtner und Hausmeister des Hotels Delphinia, der gerade die Müllbehälter ausleerte. Wir kennen uns inzwischen, er winkte mir zum Gruß zu.



P schickt mir einen Link. Ein Gratiskurs Griechisch an der Uni Lund. Ich soll mich bewerben. Ich schreibe, hoffentlich ist es kein Anfängerkurs, sonst sterbe ich vor Langeweile. Dann denke ich daran, dass ich schon vor zehn Jahren angefangen habe, Griechisch zu lernen und immer noch grade mal die grundlegendsten Sachen kann. Allerdings habe ich es auch nicht konsequent verfolgt und immer wieder lange Pausen eingelegt.



Gerade kam I und fragte mich, ob ich morgen mit zu Mary zum Essen gehen möchte, in einer großen Gruppe. Alle sind dabei. Ich nehme das Angebot, weil ich in dem Augenblick nicht an Corona denke. Ist es klug? Nein, sicher nicht. Viele der Leute sind eben erst angereist. Ich bin unsicher.



Sitze am Nachmittag im Café von Ranias Sohn, an einem kleinen Tisch auf der Dorfstraße, trinke einen Cappuccino und später eine selbstgemachte Limonade und lese/schreibe Mails, bezahle Rechnungen, schaue nach, wieviel Geld ich noch habe. Es reicht noch für sieben Monate.



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