Mittwoch, 27. November 2013

torcello

Torcello


(diesen kurzen text fand ich auf meiner festplatte)



"ich glaubte damals mehr an mich selber als ich es heute tue

an den abenden saß ich in meinem pensionszimmer und schrieb

an den tagen wanderte ich auf schmalen pfaden über den sumpf

manchmal tauchte aus dem nichts ein hund auf und ging mir mir

an den tagen sammelte ich bilder, abends schrieb ich sie nieder

ich war mutig und gleichzeitig scheu, fürchtete die menschen

ging begegnungen aus dem weg, suchte sie manchmal auf

ließ mich ansprechen, folgte fremden, in die nacht, in die umarmung

ich wusste, zu welchen stunden die schiffe in die stadt fuhren

und dass aus einem bestimmten haus abends opernmusik drang

zwei weißhaarige menschen lebten dort, ganz in schwarz gekleidet

wenn sie das haus verließen, hielten sie einander fest an der hand


gerne hätte ich gewusst, ob es möglich war zu leben ohne zu lügen

oder ob es besser war, das leben zu vermeiden, so gut es ging"

Lesefrucht

"I couldn't bear to spend my life talking to people. It seemed wasteful."

(Susanne Jones: The Earthquake Bird)


Montag, 25. November 2013

und der versuch

und der versuch, immer wieder hier zu sein, als wäre es das erste mal  -  jedes mal das erste mal hier sein  - den weg das erste mal gehen  -  den himmel das erste mal sehen  -  das erste mal ins wasser gehen, über die steine balancieren  -   ich weiß nicht, wohin, ich weiß nur, das ich dieses gefühl bewahren muss  -  dass es nie ein ankommen gibt  -  einfach weiter schreiben  - 

Sonntag, 24. November 2013

Der Traum vom Schreiben

Ich tippe ganz einfach drauf los und weiß nicht, was als Nächstes kommt. Wie wenn man am Abend im Dunkeln an einem fremden Ort ankommt, und am Morgen geht man los und hat keine Ahnung, was einen erwartet. Aber die Angst, die Unruhe, die Schwere vor dem Schreiben ist nicht mit dem Gefühl der frohen Erwartung zu vergleichen, das man hat, wenn man ein Hotel am Morgen verlässt. Das Schreiben ist immer mit Angst verbunden, mit Unruhe, mit Schwere, und gleichzeitig scheint das Schreiben in der Lage, die Angst, die Unruhe, die Schwere zu vertreiben oder in etwas anderes zu verwandeln. Es ist leichter, einen Fuß vor den anderen zu setzen, als die Finger auf der Tastatur loszulassen. Es gibt jedoch beim Schreiben einen Moment, in dem Angst, Unruhe, Schwere umschlagen in ein Gefühl der Neugierde, des Absorbiertseins, es ist vielleicht die Freude am Spiel, der Wunsch, einem Gedanken zu folgen, ihn weiterzuspinnen.

In den Nächten wache ich auf und bin überrascht von meinen Träumen, nehme mir vor, mich an sie zu erinnern, aber oft überdauern sie die Nacht nicht, und wenn ich am Morgen aufstehe, mit dem üblichen Gefühl der Unruhe, der Angst und der Schwere (auch wenn ich sie nicht wahrhaben will), wenn ich die Gardinen zurückschiebe und hinausschaue, wenn ich zum Herd gehe, den Espressokocher vorbereite, den Katzen Futter gebe, dann versuche ich vergeblich, das Traumgefühl eine Weile länger bei mir zu behalten.

Ich denke manchmal, mein Leben wäre so einfach, wenn ich auch im Wachzustand in der Lage wäre zu träumen, wenn ich mein Unterbewusstsein ganz einfach loslassen könnte, ihm dabei folgen, wie es Bilder und Geschichten hervorbringt, die immer etwas Wesentliches zu beinhalten scheinen, irgendeine Essenz, eine Wahrheit. Gestern sagte ich zu jemandem, von all den hunderten von Seiten, die ich geschrieben habe, ist etwa 99,9% Müll, und ich sollte es wegwerfen, aber ich bin nicht in der Lage dazu, weil ich immer noch hoffe, dass ich eines Tages, wenn ich diese Seiten durchblättere, doch etwas finden werde, was ich vielleicht übersehen habe.

Immer wieder habe ich drauflos getippt, mich dabei selber getäuscht, habe den wunden Punkt nicht gefunden, habe mich zerstreuen, ablenken, verwirren, verführen lassen, habe versucht, der Angst, der Unruhe, der Schwere zu entfliehen, sie zu verleugnen. Ich weiß nicht, wie viel vom Schreiben Talent ist. Das ist vielleicht, als würde man fragen, ob es ein Talent zum Leben gibt. Ich wünsche mir manchmal, dass mir das passiert, was man hin und wieder irgendwo lesen oder hören kann. Dass man vom Schreiben ergriffen wird, dass es stattfindet, ohne dass man sich einmischen muss, dass einem die Worte von irgendwoher diktiert werden.

Ich schreibe das, weil mich gestern jemand gefragt hat, ob ich einen Traum habe. Es fiel mir schwer, darauf zu antworten, weil ich es erst nicht zugeben wollte, dass ich den Traum vom Schreiben habe.

Montag, 18. November 2013

Wenn ich arbeite

Ich schalte meinen Kopf aus, wenn ich arbeite. Ich brauche nicht zu denken. Wenn wir zum Supermarkt gehen, nehme ich die Lebensmittel aus den Regalen, die sie mir nennt. Ich zeige nie, was für eine Meinung ich davon habe, außer, wenn sie mich ausdrücklich fragt. Ich nehme das Fleisch entgegen, das über die Theke gereicht wird, aber ich vermeide es, dem Verkäufer in die Augen zu schauen. Er darf nicht auf die Idee kommen, dass an meinen Händen ein Mensch hängt und mich vielleicht fragen "Was darfs noch sein?"

Ich habe nie weniger gewusst

Ich habe nie weniger gewusst, und es hat mich nie weniger gekümmert.


"My home is where my heart is. And my heart is where my books are."

Mr. Cornelius Gurlitt, art lover

When asked if he had ever been in love with a fellow human being, he giggled and said, "Oh, no".

He kept his favourites, a collection of works on paper, in a small suitcase that he would unpack each evening to admire.

"What do these people want from me?" he asked Der Spiegel. "I'm just a very quiet person. All I wanted to do was live with my pictures.

(International New York Times)

Lesbos 13/12 2021

Am Morgen wachte ich zum Plätschern des Regens auf. Machte mir Kaffee, schmierte mir Brote, packte eine Portion gesalzene Oliven in den Ruck...