Sonntag, 20. Juli 2008

Lost In Life (Mein 1-Satz-Leben)


21.6. In keiner Nacht kann ich länger schlafen als 6 Stunden.
22.6. Ersehnte Reise nach Griechenland, aber alles macht mich gereizt.
23.6. P. kann nicht schlafen, wenn der Ventilator an ist, ich kann nicht schlafen, wenn der Ventilator aus ist.
24.6. Später zurück in der nachtdunklen Plaka finde ich den Weg zum Hotel nicht mehr und habe auch vergessen, wie es heißt.
25.6. Ich träumte, dass es fürchterlich warm war, dann wachte ich auf, und es war fürchterlich warm.
26.6. "Aber wie auch immer, er hatte keine Reisen gemacht, und das lag ihm wie ein schwarzer Stein auf der Seele." (Julio Cortazàr: Rayuela)
27.6. Aus reinem Protest nehme ich die Kamera nicht aus der Tasche, um dieses wunderbare Panorama, dieses unglaublich blaue Wasser zu fotografieren.
28.6. Ich träumte von einem Tier, von Menschen aufgezogen, das nun groß geworden war und seiner Natur näher und wild und Furcht einflößend.
29.6. Am Strand von Skala Eressou versuchen fünf junge Männer eine Umkleidekabine tiefer in den Sand einzugraben, aber der Sand, den sie wegschaufeln, rutscht immer wieder nach, und schließlich fällt die Schwingtür der Umkleidekabine aus den Angeln, so dass die jungen Männer sich nach einigen vergeblichen Versuchen hilflos lachend im Sand wälzen.
30.6. H. findet es fürchterlich, wie Häuser gebaut sind zum Beispiel, sagt sie, der Eingang sitzt immer auf der falschen Seite, und dass man erst hinein und dann wieder hinaus gehen muss.
1.7. Und ich, die ich keinen Beruf hatte, weil alle meine Bestrebungen immer dahin gegangen waren, das zu vermeiden.
4.7. Sie (U.!) packte ihren alten, zerfransten Führerschein aus, zog ihn aus der Geldbörse und faltete ihn auseinander, wie ein feuchter Lappen hing er zwischen Daumen und Zeigerfinger.
6.7. Schreib auch die halben Gedanken auf, das Unklare.
7.7. Weil ich in einem früheren Leben die Herrin über eine Kornkammer war, sagte sie, und Menschen verhungern ließ, ist es meine Aufgabe jetzt, sie zu nähren, und ich fürchte ständig, sie könnten nicht genug bekommen.
8.7. Der Hund mit der amputierten Vorderpfote an der Strandpromenade von Mytilini.
9.7. "Und, was willst du?" "Ich weiß nicht, was ich will."
10.7. Ein paar alte Leute am Straßenrand auf Stühlen sitzend, ein Junge, der mit einem Mountainbike die Stufen im Dorf hinabfährt, eine junge Frau mit einem bunten Putzeimer in einem Hinterhof zwischen verfallenen, zerbröckelten, eingestürzten Häusern, zwei gelangweilte Bedienungen auf Barhockern, ein griechischer Café kostet 1 Euro.
11.7. Am Ortseingang (es gibt ungefähr fünf davon) sitzt ein Empfangskomittee von alten Frauen auf Stühlen und ausrangierten Bussitzen, strickend, häkelnd, oder nichts tuend und missmutig vor sich hinstarrend.
12.7. Die alten Frauen gehen in die Kirche und beten, und die alten Frauen werfen den Katzen Käserinden und Brotstücke hin.
13.7. Je mehr hungrige Katzen sie füttert, desto mehr tauchen auf, halb blinde, staubige, trächtige, spindeldürre, verängstigte, und in den Nächten träume ich von den Katzen, ich träume, dass ich einen kleinen seidenweichen Pelzball in den Armen halte, und dann wache ich auf.
14.7. Ein "Urlaub" ist künstlich begrenzte Zeit (es gibt keinen Anfang und kein Ende, wir bilden es uns nur ein).

Lesbos 13/12 2021

Am Morgen wachte ich zum Plätschern des Regens auf. Machte mir Kaffee, schmierte mir Brote, packte eine Portion gesalzene Oliven in den Ruck...