Sonntag, 21. Dezember 2014

Lilla Guls Flaum

Den Schuh, sagte sie, ich habe nicht das Herz, den Schuh wegzuwerfen.

Ist das dein Schuh, fragte ich.

Für wie alt hältst du mich? Sie lachte. Das ist Mamas Kinderschuh.

Ich nahm den Schuh in die Hand, ein kleiner Schnürschuh aus brüchigem Leder, mit einer ledernen Sohle, die löchrig und deren Absatz mit kleinen Nägeln befestigt war. Warum mich die kleinen Nägel besonders anrührten, ist schwer zu sagen. Vielleicht, weil sie von der Zartheit der Erwachsenenhände sprachen, die diesen Schuh einmal gemacht hatten.

Sie stellte den Schuh zurück in das Regal, und zeigte mir die winzig kleine Kinderhaarbürste, die daneben lag, aus Holz und mit weichen Naturborsten.

Ihre Haarbürste, sagte sie.

Vor ein paar Tagen, als ich eine der Birkenrindendosen öffnete, die ihr Großvater gemacht hatte, flogen mir flaumige gelbliche Federn entgegen. Ich versuchte sie einzufangen, aber sie schwebten weiter und ließen sich dann irgendwo im Raum nieder.

Was ist das, fragte ich.

Es war schwer auszumachen, ob sie lachte oder weinte. Lilla Gul, rief sie, sie hat tatsächlich in all den Jahren Flaum von Lilla Gul aufgehoben!
           

Wir erzählten die Geschichte von der Dose mit dem Wellensittichflaum nach der Gedächtnisfeier, und alle lachten. Ach ja, Lilla Gul, sagte einer, und die anderen stimmten ein: Lilla Gul!

Heute sagte ich zu ihr, wieso kannten alle Lilla Gul? Ich dachte, Lilla Gul ist gestorben, als du noch ein Kind warst.

Nein, sagte sie, Lilla Gul hatte ein verdammt langes Leben. Und die letzten Jahre seines Lebens war er permanent schlecht gelaunt, saß nur in seinem Käfig und schimpfte, vom Morgen bis zum Abend.

Den Flaum hat sie jetzt schon weggeworfen. Und auch das Büschel blonder Kinderhaare, das sie in einer anderen Birkenrindendose fand.

Freitag, 12. Dezember 2014

Weißt du noch

Weißt du noch, Mama, sagte sie: Du hattest rosa Samtjeans und silberne hochhackige Schuhe und einen schwarzweiß gestreiften Pelzmantel - quer gestreift -, mit Ärmeln, die nur bis zu den Ellbogen reichten. Du warst die Schönste und Beste von allen, aber ich ging immer ein paar Meter hinter dir - ich war in dem Alter, in dem man die eigenen Eltern peinlich findet, das ging ja nicht anders.

Wir hatten so viel Spaß zusammen, Mama. Weißt du noch, als ich den Birnbaum in deinem Garten in der Rolfsgatan beschnitt und du dich im nächsten Jahr vor Birnen nicht retten konntest? Alles, was sich nur irgendwie dafür eignete, nahmst du her, um Birnen einzulegen, mindestens 50 Kilo Birnen legtest du ein. Was wir Birnen aßen, du und ich, drei Jahre lang konnten wir von diesen eingelegten Birnen essen!

Und weißt du noch, sagte sie, als Hans K zu Besuch kam und ihr euch innig umarmtet und deine Freundin aus Österreich, die gerade zu Besuch war (mit ihrer Tochter, die in meinem Alter war, mit der ich aber trotzdem nichts anfangen konnte), sagte: Ist er nicht ein wenig jung für dich? Denk mal, Mama, sagte sie, die glaubte, dass er dein junger Liebhaber war, dabei konntet ihr euch nur gut leiden. So viele meiner Freunde kamen so gern zu uns, weil du anders warst, anders als ihre Eltern, anders als die meisten Erwachsenen damals waren. 

Da, wo du jetzt hingehst, Mama, sind schon viele aus jener Zeit, sagte sie, zum Beispiel Bernd H, erinnerst du dich an ihn? Weißt du noch, als wir mit ihm zur Gaybar gingen, ich war vielleicht vierzehn oder fünzehn und My stand hinter dem Tresen und schenkte uns Bier aus, obwohl du gar kein Bier mochtest und ich eigentlich auch nicht, und ein Mann fing an, dumme Sachen über uns zu sagen, und du hautest mit der Faust auf den Tisch und sagtest, auf meine wunderbaren jungen Leute lasse ich nichts kommen, und My war so beeindruckt, dass sie uns noch ein Bier ausschenkte, und viele beneideten mich dafür, eine solche Mama zu haben. Sie bewunderten dich, Mama.

Da, wo du jetzt hingehst, sagte sie, wirst du ganz viele Bewunderer haben, Bewunderer, die nichts wollen als dich bewundern.

Bittan, sagte sie. Weißt du noch. So hat Großvater dich genannt: Bittan.

Du hast alles richtig gemacht. Alles ist gut, sagte sie. Wir brauchen dich nicht mehr. Ich brauche dich nicht mehr. Du hast so einen verdammt selbständigen Menschen aus mir gemacht, ich komme jetzt allein zurecht. Du brauchst jetzt nicht mehr stark sein, du kannst dich jetzt einfach ausruhen.

Vielleicht triffst du Bastet dort, und Lilla Gul, vielleicht triffst du Pysse. Und Jackie. Wer war Jackie, fragte ich. Das war ihr Hund, als sie ein Mädchen war. Ein Collie.

Ja, und deine Eltern, ganz sicher triffst du deine Eltern. Und es wird alles ganz leicht sein. 

Zu mir sagte sie, in der Nacht (die sie im Zimmer auf einem provisorischen Bett verbracht hatte) habe sie geträumt, dass sie einen blauen Wellensittich fand, der auf dem Boden lag, und sie habe sich gedacht, so ein schöner Wellensittich, ich muss ihn in einen Käfig setzen und gut auf ihn aufpassen.

Donnerstag, 11. Dezember 2014

Paris - Trelleborg

In den vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts ging sie von Värmland nach Paris, um Modeschöpferin zu werden. Sie war die einzige Tochter ihrer Eltern und später sagte sie, dass sie ihnen zuliebe wieder zurück gekommen war. Solange sie noch in ihrem eigenen Zuhause lebte, trank sie am Morgen als Erstes Café au Lait, so wie sie ihn in Paris kennengelernt hatte. In den fünfziger Jahren traf sie ihren zukünftigen Mann, mit dem sie in einem VW-Bus durch Schweden fuhr, um Schaufensterpuppen zu reparieren. Gegen ihren Willen wurde sie schwanger, und später weigerte sie sich, sich an den Namen des Mannes zu erinnern, der der Vater ihrer einzigen Tochter war. An einem Tanzabend im Amiralen in Malmö wurde sie viele Jahre später als einzige von der Gruppe von Frauen, mit denen sie damals öfter unterwegs war, von einem hochgewachsenen Mann zum Tanz aufgefordert, der Ingenieur war und wie sie das Reisen liebte. Sie heirateten nie, zogen aber in ein Haus am Meer, mit einem Swimming Pool im Wohnzimmer. Irgendwann einmal stellte sie erschrocken fest, dass sie nicht auf die Frage antworten konnte, welche Tomaten ihr lieber seien, die großen oder die kleinen. Im Heim für Demenzkranke sagen sie heute, sie sei die Kämpferin der Abteilung gewesen und habe auch noch vor wenigen Tagen versucht, mitzuhelfen, als man ihr die wundgelegenen Füße in Verband wickelte. Ein griechischer Prinz hat ihr einmal den Hof gemacht. Auf Türkisch konnte sie "Ich liebe dich" sagen. Auf der Kommode steht das Bild von Stig, mit dem sie die letzten zwanzig Jahre ihres Lebens verbracht hat, aber sie wusste schon lange nicht mehr, wer dieser Mann war. Die Pflegerin Farida erzählte, gestern habe sie auf einen Punkt in einer unbestimmten Ferne geblickt und dabei gelächelt. Niemand der anderen habe dort etwas sehen können. 

Mittwoch, 15. Oktober 2014

Am Abend setze ich mich

Am Abend setze ich mich, um noch etwas zu schreiben, aber ich gebe nach einigen Zeilen auf.


"Ich bin nur wenige Wochen alt und blinzle ins Licht, das durch unser Wohnzimmerfenster hereinfällt. Mein Onkel hält mich behutsam auf seinem Arm, neben ihm steht seine hochschwangere Frau. Sie denkt, während sie uns ansieht, vielleicht an das Kind, das sie selber erwartet, und in ihm sieht sie den zukünftigen Vater dieses Kindes. Ich habe das Foto schon so oft betrachtet, dass es kein Gefühl mehr in mir hervorruft. Mein Onkel ist tot, das Kind auf seinem Arm gibt es nicht mehr. Was wir für eine Erinnerung halten, ist nur ein Wiederaufguss von etwas, das wir schon so oft wiederholt haben, dass es all sein Leben, all seine Kraft verloren hat."



"Ich stehe vor unserem Haus, ein Mietshaus aus den 60er Jahren. Es ist ein sonniger Frühlingstag. Ich habe einen Kreisel bekommen und versuche ihn zum Kreiseln zu bringen, aber es gelingt mir nicht. Mein Vater hat ihn mir geschenkt, weil er ihn an seine Kindheit erinnerte. Hat mein Vater mir später gezeigt, wie man den Kreisel zum Kreiseln bringt, hat er ihn selber zum Kreiseln gebracht? Ich weiß es nicht mehr." 



[Meine Mutter erzählt mir am Telefon, dass der Bruder meines Vaters ein Bild des Elends ist. Er sitzt in einem Rollstuhl unter einer Decke und kann nur eine Hand bewegen. Man kann ihn kaum verstehen, wenn er sich bemüht zu sprechen. 'Aber er hat sich gefreut, uns zu sehen. Und das Heim, in dem er wohnt, ist sehr schön.']

Schlüsselthema

Als ich den Schlüssel ins Schloss stecke, lässt er sich nicht umdrehen. Unausgesprochen schwebt in diesem Augenblick die Vermutung im Treppenaufgang, dass ich vielleicht nicht in der Lage bin, einen Schlüssel richtig im Schloss umzudrehen oder dass meine Art und Weise, den Schlüssel ins Schloss zu stecken und umzudrehen, dazu geführt hat, dass das Schloss kaputt gegangen ist. Die zwei Personen in meiner Begleitung sind nicht in der Lage, mir bei meinen Versuchen zur Seite zu gehen, die eine, weil sie gelähmt, die andere, weil sie blind ist. Der Schlüsseldienst diagnostiziert schließlich, dass ein Sandkörnchen in das Schloss geraten ist (das sich übrigens schon lange nur schwer bedienen ließ, wie ich später höre). Die Stunden des Wartens im Treppenaufgang erscheinen jedenfalls wie eine Bestätigung des Schlüsselthemas, das sich durch meine gesamte letzte Woche gezogen hat (verlegte, scheinbar verloren gegangene Schlüssel, in Verwahrung genommene Schlüssel, stundenlanges Suchen nach Schlüsseln, nicht funktionierende Generalschlüssel, mirakulöses Auftauchen von Schlüsseln an Orten, an denen ich bereits gesucht hatte etc. etc.).

Samstag, 11. Oktober 2014

Der Tag der Ordnung

Heute war es frühmorgens wieder mal an der Zeit, schlaflos im Bett zu liegen, mit großen Augen und einem Gehirn auf Hochtouren.
Ansonsten war es ein Tag, an dem ich beschloss, endlich Ordnung zu schaffen in meinem Leben, teils dadurch, dass ich keine Neuzugänge mehr dulde und teils dadurch, dass ich das bereits Vorhandene in ein System bringe.
(Dass mir der Computer abstürzte, nachdem ich den Beschluss gefasst hatte, verschaffte mir auf jeden Fall einen sauberen Neuanfang.)
Dann war Arbeitstag auf unserem Hinterhof. Mit Spaten, Heckenscheren, Besen, Unkrautessig und Löwenzahnstecher sowie mit Putzlappen und Schrubber machten wir uns an die Arbeit, entfernten seltsame Pflanzen und Taubendreck sowie alles, was sonst noch so herumstand und nicht offensichtlich gebraucht wurde.
Leuchtbirnen wurden eingeschraubt, Speicherabteile markiert, Sommermöbel weggeschlossen, Holzdecks abgespritzt und tote Büsche ausgegraben.
Der Tag endete harmonisch, mit Familienpizza und dem Plan, im Frühjahr auf dem Hof ein ganzes Lamm zu grillen.
Einen Metallschrott-Sammler konnten wir auch glücklich machen, mit dem alten Gestänge eines Gartenzelts und einer Pizzaschnitte. 

Sonntag, 7. September 2014

Die Tage häufen sich

In letzter Zeit häufen sich wieder einmal die Tage, an denen ich mir wünsche ich könnte so schreiben (und hätte so geschrieben) wie andere, die so schreiben (und geschrieben haben), wie ich gern schreiben würde. Dieser Wunsch (= dieses Neidgefühl) ist so aussichtslos und so innig, dass ich manchmal nicht weiß, wie ich mit ihm weiterleben soll.



Once you make a decision, the universe conspires to make it happen.
                                                                                   /Ralph Waldo Emerson

Freitag, 5. September 2014

Der Abschied fällt schwer


Ich träume in der Nacht, dass sie (E) an mir vorübergeht und meinen Arm in der Höhe des Ellenbogens drückt, ein wenig länger als man das vielleicht tun würde für einen flüchtigen wortlosen Gruß, so dass ich dem Druck ihrer Hand im Traum eine Bedeutung gebe und auch nach dem Aufwachen noch, ihn außerdem sogar den ganzen Tag über körperlich spüren kann, in einem träumerischen Wachzustand.

Samstag, 14. Juni 2014

Griechische Splitter 2014



Mit der Hitze leben, nicht gegen sie.

In den Nächten liege ich oft stundenlang wach, schweissgebadet, und frage mich, ob es mir jemals gelingt, ein Leben zu leben, das mich nicht in den Nächten stundenlang wachliegen lässt.

Ich kämpfe gegen den Schmerz in meinem Herzen an, mache die "Schildkrötenmeditation", ziehe mich in eine schützende Schale zurück, versuche es jedenfalls.

Stosse mir den Zeh an den Felsen blutig, verliere in der Mittagshitze das Gleichgewicht, als ich mit dem Fahrrad die Strasse überqueren will, laufe dann mit Gaze-Kompressen, mit wasserfestem Pflaster herum, trage desinfizierendes Puder und Verbandszeug in meiner Handtasche mit mir. Das Knie hat mir schon in den ersten Tagen weh getan. Die Schulter auch. Der Fuss.

"Adapt with grace to any situation."

Die Tage sind kurz, aber die Zeit ist trotzdem lang. Manchmal schlafe ich besser und stehe am Morgen auf, setze mich in die Morgenbrise, unter den Olivenbaum. Abends wird die Temperatur auch erträglicher, am Strand, und hier auf dem Hügel, mit dem Blick auf den Ort.

Die Lektion, die ich in Griechenland lerne: mische dich nicht überall ein. Akzeptiere die Unvollkommenheit und lebe lieber, mit einem freigiebigen Herzen.

Donnerstag, 8. Mai 2014

Darjeeling Limited



[Nachdem ich den Film gesehen hatte, dachte ich, dass ich ein "Darjeeling Limited"-Leben leben möchte. Dann fiel mir auf, dass ich eigentlich bereits ein "Darjeeling Limited"-Leben lebe, dass ich also nur so weitermachen muss.]

Mittwoch, 19. März 2014

Außerdem...

...der Nachmittag in einem Zirkuszelt ohne Zirkus, der Weg dorthin, das Gefühl, in der Stadt, in der ich lebe, nur auf Besuch zu sein, ständig nur auf Besuch zu sein, ein ständiges Gefühl des Vorläufigen, des Unwirklichen, der Illusion...





Dienstag, 18. März 2014

Ich schreibe nur, um mich zu erinnern,

z.B. woran? Den Geschmack von Tofu-Sonnenblumen-Mango-Curry-Brotaufstrich in meinem Mund. Die Müdigkeit dieser Wochen. Das seltsame Glück über den Kauf eines kleinen Küchenschränkchens. Den Kampf mit den Seiten, diese Seitenzählmanie, die Symbiose mit einem kleinen USB-Stick, der mir überall hin folgt. Möglicherweise auch an das Gefühl der Unwirklichkeit beim Buchen einer Reise. Das allgemeine Gefühl der Unwirklichkeit, das ganze Leben betreffend, v.a. die Erinnerungen.

Samstag, 1. März 2014

Fassadenkletterkunst in der Stadt, in der ich lebe

Diese Bilder sind schon einige Jahre alt, machen mich aber immer noch froh. Bloß, wie hieß diese Gruppe nochmal? Aus welchem Land kam sie? Und welches literarische Werk stellten sie hier dar?






Mittwoch, 12. Februar 2014

Beim Durchlesen alter Tagebücher...

Beim Durchlesen alter Tagebücher stieß ich auf ein Wesen mit dem Namen "Appu", ein Mensch unbestimmten Geschlechts, dem ich vor fünf Jahren in Indien begegnete. Ich habe seitdem nicht sehr oft an Appu gedacht, aber immer wenn ich an Appu denke, erfüllt mich ein Gefühl von Licht und Wärme und Dankbarkeit.

In meinem Tagebuch habe ich damals über Appu geschrieben. Und heute schrieb ich:

"Dass ich den Menschen "Appu" gestern in meinem Indien-Tagebuch wieder entdeckte, war ein Offenbarung. Dieser Mensch, der nichts anderes tat, als an einem abgeschiedenen Ort seiner Arbeit nachzugehen, ein "Diener für alle", hat mich mehr berührt als viele von sich selber erfüllte, sich selbst verwirklichende, ihrer eigenen Erfolgsstory nachjagenden Menschen. In ihr/ihm war kein Widerstand gegen das Leben zu sehen, das sie lebte, ich sah nichts als Freundlichkeit, Präsenz, Anmut. Freilich, ich konnte nicht in sie hineinschauen. Ich verstand nicht, was sie sagte, wenn sie in ihr Mobiltelefon hineinsprach. Ich kannte nicht ihre Gedanken bei Dämmerung oder in der Nacht."

Und so schrieb ich am 30.1.2007 in mein Tagebuch, nachdem wir uns von ihr verabschiedet hatten:
http://herzbuckelweg-archiv.blogspot.se/2014/02/3012007.html

Ich habe angefangen, mein Archiv mit Worten zu füllen

Ins Archiv kommen Textbröckchen, die mir irgendwie in die Finger geraten. Altes, Abgelegtes, das mir aber trotzdem nicht alt und abgestanden vorkommt. Kleine Fingerzeige, Herzbuckelübungen. 

http://herzbuckelweg-archiv.blogspot.se/2014/02/traum-24306-und-27306.html

Dienstag, 21. Januar 2014

Die verschiedenen Schuhe meines Lebens

Lackschuhe. Holzklapperln. Holzclogs. Plateauschuhe. Bergstiefel (steigeisenfest). Adidas Turnschuhe. Jesus-Latschen. Doc Martens Halbschuhe. Birkenstock Gesundheitslatschen. Blaue Clarks aus Wildleder mit pinkfarbenen Streifen in der Sohle und pinkfarbenen Schnürsenkeln. Seehundfellschuhe. Filzstiefel. Wildlederschuhe.



Bei den Wildlederschuhe „gegen den Strich“ über das Leder streicheln. Zusehen, wie sich die Farbe ändert, dunkler in die eine Richtung, heller in die andere.

Die Lackschuhe, ein Inbegriff des Glücks. Waren sie weiß oder schwarz?

Adidas Turnschuhe mit roten Streifen.

In Hongkong kaufte ich ein Paar schwarze Reeboek, wahrscheinlich ein Imitat.

Meine Allroundschuhe aus Schweden ließ ich in Delhi von einem Straßenschuster flicken. Er nähte sie mit einem groben Faden, für einen beschämend niedrigen Preis.

Die Schuhe, die mir in der Wanderhütte auf Korsika an der offenen Feuerstelle ansengten. Weiße Turnschuhe mit hohem Schaft, die bei der Wanderung durch den Schnee nass geworden waren. Die Bergstiefel hatte ich zu Hause vergessen, meine Eltern hatten sie mir Poste Restante nachgeschickt, aber sie kamen erst an, als ich schon wieder aus dem Urlaub zu Hause war und wurden mir zurückgeschickt.

Als Kind trugen wir im Sommer Holzklapperln, stießen uns oft die große Zehe am Randstein an, stießen uns den Zehennagel blutig.

Ich springe vor und zurück, bringe keine Ordnung in meine Schuhe. Ich greife nach den Schuhen, wie sie gerade in meinem Gedächtnis auftauchen.

Selten hatte ich Schuhe mit hohem Absatz. Fast immer Schuhe mit flachen Sohlen. Eine Ausnahme waren die feuerroten Schuhe mit Plateausohle, die ich bekam, als ich ungefähr zwölf war, die ich zu meiner ausgestellten buntgestreiften Hose trug, mit der man mich auf den Schwarzweißbildern von den Kinderferien der Arbeiterwohlfahrt auf der Insel Hörnum sehen kann. Ich mache eine Muskelprotz-Show, mit geballten Fäusten und gespanntem Bizeps.

Wenn ich mir Fotografien aus früheren Zeiten anschaue, bin ich oft erstaunt über die Kleidung, die ich trage. Einen Pullover z.B., den ich vor acht Jahren besessen habe und völlig vergessen hatte, aber wenn ich mir das Foto dann lange genug ansehe, kann ich mich erinnern, an den Streifen am Ärmel, an das Gefühl beim Tragen des Pullovers.

Die Schuhe. Ich hatte einmal hellblaue Kickers mit einem Riemen, die mir schon an einem der ersten Tage bei einem Spaziergang an der Donau angekratzt wurden. Dieser Kratzer, der tief in das Leder auf der Kappe einschnitt, hat sich auch in mein Gedächtnis eingeritzt. Die verletzten Schuhe. Ich war an einem hervorstehenden Draht hängengeblieben, als ich über stillgelegte Gleise balancierte.

Die Lowa Bergstiefel, mit denen ich in Schleswig-Holstein am Deich entlang ging, von Glückstadt nach Wewelsfleth, an den Schafswiesen vorbei, in denen ich umknickte, mir den Knöchel verstauchte.

Sonst verstauchte man sich den Knöchel vorzugsweise mit den Clogs. Ich hatte ein Paar mit glänzend rotem Leder mit kleinen Löchern darin, einer weißen gepolsterten Kante.

Früher trugen wir zu Hause oft Hüttenschuhe, selber gestrickt, von meiner Mutter, mit Ledersohlen, die vom Benützen glatt und glänzend wurde.

Ich erinnere mich an die Schuhe, die ich bei meiner Ersten Kommunion anhatte: es waren weiße Lackschuhe. Niemals später habe ich mich bei einer Gelegenheit so schön, so festlich angezogen und es so genossen. Das weiße Kleid, der weiße Kranz im Haar, die weißen Handschuhe, die weiße Strumpfhose. Und die weißen Lackschuhe.

Sonntag, 12. Januar 2014

Ivan Klima: "Love and Garbage"

"I wrote, for hours and days and weeks. (...) I was working, but at the same time I was afraid that the silence which surrounded me would eventually invade me, paralyse my imagination and kill my plots. I would sit at my desk and be aware of the weight of the ceiling, the weight of the walls and of the things which might overwhelm me at any moment with their indifference."


Dienstag, 7. Januar 2014

Das Sevedleben


An der Kasse des Supermarkts spricht fast jeder Kunde gebrochen Schwedisch. Es finden lange und aufgeladene Streitereien über Birnenpreise statt. Die Verkäuferin vergleicht Birnengrößen, um herauszufinden, ob der niedrigere Preis, auf dem der Käufer besteht, berechtigt ist.

Ein Kunde in der Flohmarkthalle, der von der Verkäuferin (sie stammt aus dem Iran) in gebrochenem Schwedisch darauf hingewiesen wird, dass er irgendetwas nicht anfassen darf, antwortet in noch stärker gebrochenem Schwedisch, er habe schließlich in der Schule Lesen und Schreiben gelernt, sei kein Analphabet. Das Gespräch eskaliert, er geht dann beleidigt und vor sich hinschimpfend davon, in seiner Ehre gekränkt (wieder einmal wurde er wie ein "dummer/verdächtiger Ausländer" behandelt - es war ihm anzumerken, dass er diese Rolle satt hatte).

[Ich kaufe mir eine kleine weiße Teekanne mit dem Aufdruck "Bauscher Weiden - Bavaria Germany".]

Freitag, 3. Januar 2014

Heute nicht viel

Ich schlief ganz ordentlich und sprang um 20 nach 5 aus dem Bett.

Ich träumte in der Nacht etwas, was ich jetzt vergessen habe.

Am Tag übersetzte ich, las und schrieb.

Ich kochte mir etwas, das mir schmeckte und ziemlich gesund war (von dem mir so viel übrig blieb, dass ich auch morgen davon essen kann).

Ich gab kein Geld aus, außer für Steuern (und für ein Eis am Stiel)

Ich kontrollierte meinen Kontostand.

Ich nahm mir vor, von jetzt an völlig, 100% ehrlich zu sein.

Ich beschloss, Ikea aus meinem Leben zu verbannen und statt Schränken über der Spüle alte (abgebeizte) Bierkisten aufzuhängen.

Ich sprach mit meinem Vater am Telefon, der sagte, mein Jahresrückblick, den er heute gelesen habe, sei "sehr interessant" gewesen, man müsste sich "beinahe" darüber unterhalten, am Telefon ginge das aber nicht, aber wir würden uns ja "vielleicht noch mal sehen in diesem Leben".

Donnerstag, 2. Januar 2014

Kauflust

Heute kaufte ich

1. Einen Badeanzug (Der Verkäufer im Badeshop: "Der ist nicht kleinzukriegen - den werden Sie noch vererben!", nachdem er mich gefragt hat, ob ich "eine alte Schwimmerin" bin.)

2. Einen grauschwarzen Pullover, von dem P im Laden (laut) sagt, dass er "fürchterlich langweilig" sei, aber eben auch, so P: "sehr du", also ich, und mir außerdem gut stehe.

3. Einen Zeitschriftensammler der japanischen Marke "Muji", der mir auf dem Weg mit dem Fahrrad nach Hause vom Gepäckträger fiel und gleich wieder einen kleinen Schönheitsfehler bekam. Er kostete 200 Kronen, genau die Summe, die mir mein Arbeitgeber per Gutscheinkarte verehrt hat, was die Verkäuferin an der Kasse auch mit einem überraschten Ausruf kommentierte.

Lesbos 13/12 2021

Am Morgen wachte ich zum Plätschern des Regens auf. Machte mir Kaffee, schmierte mir Brote, packte eine Portion gesalzene Oliven in den Ruck...