Donnerstag, 22. November 2007

Richtig große Hasswut...

...auf geleckte Verlagsgestalten, an deren Worten noch das Seminargefasel von der Uni klebt und die über aller Fähnchen-in-den-Wind-Hängerei jede ehrliche und verzweifelte Liebe zu den Büchern verloren haben...

Mittwoch, 21. November 2007

dinge aus der kindheit

Orangeneis in einer Plastikorange mit grünem Plastikblatt, Sprengel Erfrischungsstäbchen, Holzklapperln, ein Plastikpropeller mit Schnurantrieb, Schlummerle-Puppen mit weichem Rumpf und Klappaugen, mit der typischen Lockenwickler-Fönhauben-Frisur, die heißen Plastiksitze im Auto an einem Augusttag, die herunterklappbare Armlehne auf dem Hintersitz im Ford Taunus 20m XL, Schaumwaffeln im Freibad, Brausestangen bei Frau Bauer, Brausetabletten, Brausepulver mit Waldmeister- Zitronen- oder Himbeergeschmack, die Balkonkästen aus Beton, die Sichtblenden an den Balkons, Biergärten am Abend, geschnittener Rettich mit Salz, Bauernbrot und Butter, der Geruch beim Bierausschank und den Gläserauswasch-Trögen, der Geruch nach Erbrochenem beim Kinderkarussell, die Kälte der feuchten kleinen schmutzigen Steine auf dem Boden, Dauerbreze, Dubble-Bubble, Apfel-Eis, schneeverklebte Wollhandschuhe, Steghosen und Socken, kalte Schokoladenstückchen in der Anoraktasche, Haubenmützen mit Bommeln am Ende der Schnürbänder, Bonanza in Farbe, Tintenkiller zum Anlecken, Filzstifte mit Spitzenformer, Bleistiftspitzer mit durchsichtiger, durch Drehen verschließbarer Plastikhaube, Klappfahrrad mit Rücktrittgangschaltung, Trainingsanzüge, schwarze gerippte Sporthosen ohne Bein, Schwimmabzeichen (Frei-, Fahrten-, Leistungsschwimmer), von der Mutter an den Frottee-Badeanzug genäht, Nasenklammern, die kreisrunde Abdrücke auf den Nasenflügeln hinterlassen, die roten Augen nach dem Hallenbadbesuch, die gerippten Pommes Frites im Imbiss nebenan, mit noch feuchten Haaren, Eiskonfekt im Kino (mit Vanille- und Haselnusseis) //

Dienstag, 30. Oktober 2007

Geld und Lappen

Mein Bruder beteiligt sich auch am Bairischen Wörterbuch:

"Diridari für Geld und Hadern für Lappen werden hiermit nachgereicht."

So ein herbstgoldener Tag!

Und wieder bringt mir die Post vier Bücher, und ich lege sie zu den anderen in den Stapel.

Mein Plan: Eine filigrane Pappstadt.

Sonntag, 28. Oktober 2007

Bairische Wörter mit "g", Fortsetzung

Gfries (abfällig: Gesicht, auch Fotzen, Lätschen)

Gsangl (a) Liedlein, kurzer Gesang, b) lästiges unschönes Gesinge: Aufhören mit dem Gsangl, ich kann's nimmer hörn!)

Freitag, 26. Oktober 2007

Traum

Ich sitze in einer Kirche, in der junge Konfirmanden (?) eine Messe vorbereiten (?), in welcher viel Blut vorkommt (?, jedenfalls aber die Farbe Rot - ein roter Schal?).
Währenddessen unterhalte ich mich mit einem Pianisten (?, er sitzt an einem schwarzen Flügel) darüber, dass ich Gesangsunterricht nehmen will (?).

Donnerstag, 25. Oktober 2007

Back again

"Bin i da Garneamand?" (Lena Christ: Erinnerungen einer Überflüssigen)

Viel zu lange war ich weg von dieser Seite. Irgendwo verschwunden, weiß nicht wo.
Zurück in M., bin ich gleich wieder im Alltagskatzentrott. Habe zugesagt, ein dänisches Buch zu lesen, ohne wirklich dänisch zu können. Ich versuche, die Hälfte der Wörter zu erraten.
Sitze im Hinterhof. Die Nachbarin kommt, die gerade im selben Haus von einer Wohnung in die andere umzieht und sagt, dass sie irgendwie in zwei Hälften geteilt ist. Sie hilft mir mit einem dänischen Wort, bei dem anderen, nach dem ich sie frage, muss sie auch passen.

Am Morgen fahre ich in den Sonnenaufgang hinein, kleine weiße Schaumkronen auf dem Meer, ein Jäger oder was schaut professionell über die Landschaft.

Ich habe folgende Bücher aus Berlin mitgebracht: Raymond Carver: Erste und letzte Storys, Haruki Murakami: Gefährliche Geliebte, Thomas Mann: Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull, Stefan Zweig: Phantastische Nacht, Herbert Achternbusch: Die Alexanderschlacht, Evgen Bavcar: Das absolute Sehen, Jean Paul: Flegeljahre, Adalbert Stifter: Bunte Steine. Außerdem Werner Bräunig: Rummelplatz, als Hörbuch, 476 Minuten, Schachtel schon katzenangeknabbert.

Eine Auswahl bairischer Wörter aus meiner ureigenen Sammlung {ich hoffe bald Verwendung für sie zu haben.}

Goggolori

Gräfin Gocks

Gosche

gottfroh

Gottesacker

Gift (sie hat einen solchen Gift auf ihn)

Gigerl (Geck, Stutzer), gigerlhaft

Gipskopf

Giselafransen (Frisur)

gleichschauen (Die Blumen schaun was gleich.)

Glump (wertloses Zeug)

gàch (steil, abschüssig)

gackerlgelb

Garniemand (unbeachteter Mensch)

geblumt (geblümt)

Gefrage (Fragerei)

gefressen (etwas gefressen haben: verabscheuen, widerlich, hässlich finden)

Gfrett (Schinderei, Plagerei)

Gefrier (Die Gefrier geht tief in den Boden hinein.)

Gfries (Gesicht, Visage)

geh! geh weiter! geh zu!

gehert (voller Unruhe, ohne Sesshaftigkeit)

Freitag, 5. Oktober 2007

In seinen Augen. (Ein seltsames Licht)

(Wieder ein erbärmlicher Anfang.)

Die Mühe des Schreibens, während draußen Menschen ihren besten Freund an der Leine auf den Rasen kacken lassen, um den Kackehaufen hinterher mit einem kleinen Plastiksäckchen aufzunehmen und in eine dafür vorhergesehene Tonne zu werfen.
Oder auch nicht. (Dann bleibt das Häufchen liegen, bis es der Erde einverleibt ist. Am Ende verwandelt sich - beinahe - alles in etwas Gutes.)

Ich muss übrigens nicht mehr im Voraus wissen, wohin ich auf dem Weg bin.

Dienstag, 2. Oktober 2007

Kleiner Mann



Der kleine Mann nahm nicht viel Platz ein. Er passte auf einen meiner Fingernägel. Oft machte er stundenlang auf meinem Schreibtisch sauber. Er war überhaupt sehr reinlich. Sein winziger Hut glänzte, als wäre er lackiert, seine kleinen Hosen hatten scharfe Bügelfalten. Er aß täglich eine Brotkrume und trank eine Kugelschreiberkappe voll Milch und machte sich Sorgen um sein Gewicht. Seine Stimme war erstaunlich wohllautend und durchdringend. Manchmal sang er mir ein selbst erfundenes Lied vor, und hätte er es nicht geleugnet, so hätte ich geglaubt, dass er eine Gesangsausbildung absolviert hatte. Die Texte waren hatten häufig einen etwas eintönigen sexuellen Inhalt. Sein Hauptinteresse galt großen behaarten Frauen, und die meisten Lieder handelten von Entdeckungsreisen in gewisse behaarte, aber auch feuchtere Gegenden. Er litt an Schwermut, und behauptete, dass er in der Nacht nicht schlafen konnte und stundenlange einsame Kletterausflüge in den Teppichfransen unternahm, bis er vor Erschöpfung (und Verzweiflung!, rief er) einfach umfiel. Er wollte gern fliegen lernen und hatte Flügel toter Insekten gesammelt, aber er hatte Angst, dass man ihn dann mit einem Insekt verwechseln und erschlagen könnte. Er wusste nicht so recht etwas mit seinem Leben anzufangen, sagte er. Seine Eltern waren normal groß gewesen, seine Mutter hatte nicht einmal gemerkt, als sie schwanger war. Seine Geburt fand statt, als seine Eltern mit Freunden an einem Sommerabend ein feuchtfröhliches Gartenfest feierten, mit Lampions und Nacktbaden im See und anschließendem Partnertausch. Ich konnte bereits kriechen, aber noch nicht gehen, sagte er, als ich ins taunasse Gras fiel. Ein Regenwurm hat sich meiner angenommen. Auch jetzt gehörte es zu seinen größten Vergnügungen, im Garten auf einem Regenwurm zu reiten, und die Regenwürmer ließen es sich gefallen. Er konnte die Regenwurmsprache (behauptete er) und weinte bitterlich, wenn er irgendwo einen plattgetretenen oder vertrockneten Regenwurm herumliegen sah. Ich nahm ihn gern mit auf meine Spaziergänge im Wald, er wog ja nicht viel. Ich setzte ihn auf mein Brillengestell, wo er es mühelos stundenlang aushielt. Er hatte unglaublich scharfe Augen und wusste überhaupt vieles über Wetterumschwünge und Vogelstimmen. Aus irgendeinem geheimnisvollen Grund konnte er übrigens russisch und trank manchmal Wodka aus seiner Kugelschreiberkappe und fing dann an, auf russisch herumzujammern und Kasatschek zu tanzen. In meiner Wohnung musste ich auf Zehenspitzen herumlaufen, um nicht aus Versehen auf ihn zu treten. Einige Bereiche des Fußbodens hatte ich zu Tabuzonen für ihn erklärt, um die Gefahr eines Unglücks so gering wie möglich zu halten. Ich hatte ihm eine kleine Schachtel häuslich eingerichtet, mit einem Radiergummi als Bett und einem Wasserklosett mit Abflussrohren aus Strohhalmen, was seiner Reinlichkeit sehr entgegen kam. Es machte mir Spaß, mir kleine Dinge für ihn auszudenken. Ich hatte begonnen, eine kleine Gitarre für ihn zu basteln (als Saiten würde ich verschieden dicke Körperhaare verwenden). Vielleicht käme er sich dann nicht mehr ganz so nutzlos vor. Ich konnte mir ein Leben ohne ihn gar nicht mehr vorstellen. Bevor er auftauchte (er war plötzlich eines Tages da, ganz ohne Vorwarnung, behauptete, er habe ein Jahr im Hörsaal der Universität gelebt, sich dann aus Abenteuerlust einem Studenten ans Jackett gehängt und sei in der U-Bahn zu mir herübergesprungen, weil ich gerade so herzzerreißend geseufzt hatte), hatte mir nichts gefehlt, geschweige denn ein kleiner Mann, der regenwurmisch und russisch konnte und Lieder eintönigen sexuellen Inhalts sang. Jetzt ging er mir ab, sobald ich das Haus ohne ihn verließ. Freunde fanden, ich sei seltsam geworden und forderten mich auf zum Arzt zu gehen, aber ich lächelte nur und ließ sie reden. Er ging so unbemerkt von dieser Welt, wie er in sie eingetreten war, ohne Laut, ohne Schrei. Ich bin sicher, es war Selbstmord. Ich setzte ihn in einem Blumentopf in meinem Zimmer bei, vergrub auch die noch unfertige kleine Gitarre und ließ einige Regenwürmer an der Zeremonie teilnehmen. Ich weiß: wer nicht liebt, dem kann nichts genommen werden. Erst nach Wochen wusch ich den winzigen Blutfleck notdürftig aus dem Teppich. Ich meldete mich für einen Russischkurs an der Volkshochschule an. Seine Lieder habe ich aus dem Gedächtnis notiert und singe sie an späten Abenden Gästen vor, die aber in der letzten Zeit immer weniger geworden sind und immer früher nach Hause gehen. Manchmal fahre ich stundenlang mit der U-Bahn durch die Stadt, ohne zu wissen, was das eigentliche Ziel meiner Reise ist.

Mittwoch, 12. September 2007

Erinnerung an einen Frühling

{in den Tiefen meines Laptops verbergen sich manchmal Texte, die ich vergessen habe, so wie dieser, den ich "Still im Haus" nannte.)


Still im Haus und vorsichtige Annäherung: die leise Berührung der Katzen am Hosenbein. Während ich am Abend (Mondsichel zunehmend) was ich am Tag getan habe betrachte. Erster Frühlingssonnentag und ich im Balkonkäfig, Goldstaub in der Luft, drei Männer mit schwarzen Anzügen und Hüten um eine geöffnete Motorhaube. Dann meine Farbenfreude, Farbenlust, Pinselstrauß, und Angst, was mache ich hier, und Farbentoben, Farbenwüten, ganz zeitentfernt

Morgens Blutentnahme, Blutprobenröhrchen, Blutprobenzimmer

Weil ich doch stiftabhängig mein Kopfkäfig mich immer wieder eingittert

Sobald ich den Stift in die Faust nehme

Jetzt Morgenkühle, Katzenübungen, Schreibkaffee, bin ich mir selber verloren gegangen oder bin ich erst so ganz verloren bei mir selber

Meine Tagesliste (Katzenfutter, Waschzeit, Telefongespräch, Bücher zurückbringen), ich bin nichts, nur dieser ständig wandernde Geist. Und die Feuerlöcher, geflickt, in meinem Gewand, und die brennende Haut. Und alles, was in mich hinein- und durch mich hindurch, und was wieder verschwindet, versickert, verdunstet, ein unaufhörlicher Anfang

Während ich Papier zerfetze und Stück für Stück wieder zusammensetze, meine Tagesarbeit (wie faszinierend es war, die Schmalfilme der Kindheit rückwärts zu sehen, der Kopfsprung mit den Füßen voraus aus dem Wasser)

Dienstag, 11. September 2007

Elstern

Eine Elster hackt in einem Café auf einem liegengelassenen Ciabatta herum.

Ich lasse die Katze auf dem Zaun balancieren, aber sie kommt aus dem Gleichgewicht und fällt auf der falschen Seite hinunter.

Meine Mutter ruft an und sagt, sie hat es satt, auf meinen Vater Rücksicht zu nehmen.

Ich bin zu müde, um mich auszuruhen.

Sonntag, 9. September 2007

21:08

Mein kariertes Leben.

"Everything must have a name" (David Shrigley, Malmö Konsthall)

Es fällt mir schwer, die Dinge und Ereignisse zu benennen.

Ich sage: "Alles wird leichter." (Weil ich weniger Zeit zum denken habe.)

Es scheint die Sonne. Ich gehe durch die Stadt.

"Fühlst du dich hier wohl?" "Manchmal."

Ich träume: ich bin im Zug, auf dem Weg irgendwohin, ich öffne das Fenster, es schlägt mir eine eisige Kälte entgegen, eine Winterkälte, die es in meinem Leben nicht mehr gibt, und von der mir plötzlich bewusst wird, wie sie mir fehlt. (Eine Kälte, die einem den Atem nimmt.)

Ich schlafe gut, ich erinnere mich kaum.

Mittwoch, 5. September 2007

Nachmittagssonne

Jemand ruft auf der Straße meinen Namen, kann aber unmöglich mich meinen.

Zwei junge Männer gehen unter dem Balkon vorbei und unterhalten sich über verschiedene Mobiltelefonhersteller.

Täglich kommen neue Bücher mit der Post, die ich auf meinem Schreibtisch staple.

Dienstag, 4. September 2007

Stehen

Ich stehe am Schreibtisch (linker Fuß auf rechtem, der fast das ganze Gewicht meines Körpers trägt, linker Oberschenkel leicht gegen die Schublade des Schreibtischs gelehnt), bereit, schnell diesen Platz wieder zu verlassen und woanders hinzugehen.

In der Sonne saß ich und las, und die Katze saß im Gebüsch, ganz aufmerksam und entspannt und ohne jedes Urteil.

Wenn ich die Ohren öffne, dann höre ich die Stille der Welt.

Ich möchte keine Fähigkeiten mehr lernen. Ich möchte akzeptieren lernen, was ist.

Charlotte Selver:
It's not what you think should be,
but what is, that is interesting.

Montag, 3. September 2007

Buchpaket

So schnell vergeht die Zeit, und ich habe heute ein Buchpaket mit folgenden Titeln erhalten:

Moshé Feldenkrais: Die Entdeckung der Selbstverständlichkeit
Heinrich Jacoby: Jenseits von 'Begabt' und 'Unbegabt'
Elsa Gindler - von ihrem Leben und Wirken ('Wahrnehmen, was wir empfinden')
Sensory Awareness as a Practice for Life (The Teachings of Charlotte Selver and Charles V.W. Brooks)

Gleichzeitig lese ich die Ellmann-Biographie über James Joyce.

Zwei Teile meiner gespaltenen Persönlichkeit: der eine, der mir in schlichter Güte erlauben will, endlich so zu sein, wie ich bin (ohne mich mit anderen zu vergleichen), der andere, der die Welt in Genies und Versager einteilt (wobei ich natürlich zu den Versagern zähle, obwohl ich mich den Genies zugehörig fühle). Es ist nicht schwer einzusehen, welche dieser Teilpersönlichkeiten "gesünder" ist als die andere, aber sie sind zweifellos ständig in meinem Innern im Kampf miteinander.

In der Nacht schlaflos im Bett kritzle ich folgendes in mein Tagebuch:
(Darin geht es über einen erfolglosen Freund Joyce's, der als Müßiggänger mit leichtsinnigen Gewohnheiten beschrieben wird.):
"Als er älter wurde, entartete sein Charakter noch mehr, und sein Tod in der Themse, wahrscheinlich ein Selbstmord, kam einem plumpen Einverständnis in die eigene Unzulänglichkeit gleich."
(Einerseits möchte ich diese Aussage unterstreichen, andererseits wehre ich mich dagegen, dass jemand wegen seiner "Unzulänglichkeit" in die Themse springen muss und dafür auch noch mit dem Attribut "plump" belegt wird.)

Dienstag, 28. August 2007

okey

okey
ich werde versuchen mich zu bessern
morgen werde ich zur arbeit gehen
yeah
okey

(Sonja Åkesson, Fragment aus: okey)

Montag, 27. August 2007

Index: 2007

Die smartesten Dinge der Welt (Sieger des Designwettbewerbs Index: 2007)

Sieger in der Kategorie Work (Tongue Sucker): Bei schweren Unglücksfällen verhilft dieser Zungensauger bewusstlosen Personen zu offenen Luftwegen. Der Tongue Sucker ist ein kleiner Plastikkörper mit einem leuchtfarbenen ballonartigen Aufsatz, der es nichtprofessionellen Helfern auf einer Unglücksszene ermöglicht, die Luftwege einer bewusstlosen Person sofort und effektiv zu öffnen. Die Zungenspitze wird in den Plastikkörper gesaugt, und es öffnet sich ein vitaler Raum zum Atmen im Rachen.

Sieger in der Kategorie Home (Solar Bottle): Ein Sechstel der Weltbevölkerung hat keinen Zugang zu sauberem Wasser. Diese Wasserflaschen reinigen das Wasser, wenn sie sechs Stunden dem Sonnenlicht ausgesetzt werden.

Sieger in der Kategorie Play: Das Sportauto Tesla Roadster beschleunigt in vier Sekunden von 0 auf 90 km/h und wird nur mit Elektrizität betrieben.

Sieger in der Kategorie Community: Der Fond "One Laptop per Child" gewann mit seinen billigen selbstversorgenden Laptops, die Kindern in Entwicklungsländern zur Erhöhung des Bildungsniveaus verhelfen könnten. Das Ziel ist, dass sie nächstes Jahr 100 Dollar kosten sollen.

Sieger in der Kategorie Body (Mobility for Each One): Sébastien Dubois hat eine Unterschenkelprothese für Landminenopfer entwickelt, die nur acht US-Dollar kostet (statt bisher mehrere Tausend Dollar) und in lokalen Werkstätten aus leicht zugänglichen Materialien hergestellt werden können.

Mittwoch, 15. August 2007

Sprachkurs

"In einem fremden Land leben heißt immer auch in Stummheit leben. Selbst wenn ich spreche (und andere vorgeben zu verstehen, was ich sage), dann ist es immer, als würde ich durch einen fremden Mund sprechen, der seine Worte von irgendwoher geliehen hat. Etwas in einer fremden Sprache sagen ist eigentlich, als würde man es nicht wirklich sagen. So sehr ich mich auch anstrenge, ich komme nicht über dieses Gefühl hinweg."

Montag, 13. August 2007

Six Feet Under

{Täglich 2 Folgen auf DVD, gestern sogar 4 hintereinander, bis 1 Uhr nachts, dann Träume von lindgrünen Leichenwagen, einbalsamierten Körpern.}

Mein tägliches zerstörerisches Mantra: "Ich habe nichts zu sagen."

Ich halte mich an den Tätigkeiten fest, heute: 12 Bilderrahmen schwarz anmalen, Passepartouts schneiden, eine Einladung zur Ausstellung formulieren.

Samstag, 11. August 2007

1 Woche...

...mit Messer in der Hand - umgebundener Küchenschürze
der König auf dem Bauch (Der Kini als Queer-Ikone):
"Hat er sich jetzt eigentlich umgebracht, oder hat jemand nachgeholfen?"
"Ich dachte, er ist mit dem Schwan aufn See hinausgefahren."
das bairische Schnupftuch-Stirnband ("Ist das ein patriotisches Statement?")

"Kann man dich mieten?" (eine ca. 60-jährige Frau fragt mich das.)
In der Nacht falle ich in den Traumteich. Am Morgen erwache ich zu taufeuchtem Gras, dem Geräusch der Holzschuhe im Kies vor dem Haus. Kaffeetasse in der Hand. Zwei kleine Katzen ducken sich unter ein Auto.

Samstag, 4. August 2007

Studie

Die drei Abiturientinnen:

R: Sie schneidet Tomaten für den Salat, staubsaugt das Zimmer, räumt das Badezimmer leer, trägt den anderen vergessene Gegenstände hinterher, sagt "kann ich helfen", kocht Tee für das Frühstück, möchte gerne Akkordeon spielen lernen. Sie möchte mit Menschen arbeiten.

A: Sie möchte vielleicht aus R. weggehen und in verschiedenen anderen Städten wohnen (sie dürfen nicht größer sein als R.), aber dann möchte sie wieder nach R. zurückkehren. "Ich möchte in R. sterben." Sie mag keinen Ziegenkäse. Sie hat bereits vier asiatische Länder bereist.

T: Sie kauft sich im Second-Hand-Laden eine rote Shorts und ein T-Shirt mit dem Aufdruck I♥Mama, sie findet Spiele doof, bei denen man so viele Sachen auf einmal bedenken muss, wie z.B. Schach, sie kann vom Völkermord an den Herero in Namibia erzählen, sie duscht gern abends.

Freitag, 3. August 2007

Özen Allfrukt AB

Meine Einkaufsliste heute:

Basmati-Reis / Kalamata Oliven / Gegrillte Paprika / Eingelegte Tomaten / Olivenöl / Choutura Tahina / Bulgur / Grüne Linsen / Tomatenmark / Ganze rote Linsen / Weiße Bohnen / Honig / Apfelessig / Kichererbsen / Gewürze / Grüner Tee / Rosinen / Walnüsse / Getrocknete Aprikosen

{Vielleicht ist das irgendwann einmal eine wertvolle Information für irgendjemanden.}

Mein August-Tag: Frühstück (Müsli, Kaffee), Massage, Frisör, Mails lesen und schreiben (betr. Übersetzerwerkstatt), Kunsthalle (William Kentridge), Mittagessen in der Kunsthalle (Tomatensuppe, grüner Salat, Brot mit Kreuzkümmel, Kartoffeln, Kaffee), Sauna und Meerbad, Speisezettel für nächste Woche ordnen, Einkauf bei Özen Allfrukt (s.o.), Abendessen (Griechischer Salat, spinat- und käsegefüllte Blätterteigröllchen, Tsatsiki, Brot), Jacob Karlzon Trio (Freiluftkonzert), Armistead Maupin (Michael Tolliver lives), Tee (weißer), Bett.

Streiche: beinahe alle Wörter, nur nicht die, die Dinge betreffen, die du anfassen und in die Hand nehmen kannst.

Donnerstag, 2. August 2007

Drei Kategorien der Selbsttäuschung für den Meditierenden

1. Tagträume

(Pläne schmieden, Geschichten ausmalen, sich in allen Einzelheiten an ein vergangenes Ereignis erinnern)

2. Wilde Gedanken

(Eine Flut von Gedanken, Bildern, musikalischen Eindrücken und Träumereien im Hintergrund des Geistes)

3. Makyō

(Tief-Traum-Erfahrungen, die dramatische Visionen und ein verändertes Körpergefühl einschließen)

Die größte Selbsttäuschung: unsere unentwegte Beschäftigung mit unserem persönlichen Befinden.

(So gelesen in Robert Aitken, Zen als Lebenspraxis, mein zerlesenes Exemplar, das ich wieder aus dem Bücherregal geholt habe.)

"die kranke Seele" (William James)
"die dunkle Nacht der Seele" (San Juan de la Cruz)
"das Tal des Todesschattens" (Psalmist David)

"Aber auch im Zustand der Verwüstung, wie er für die kranke Seele charakteristisch ist, muss der Schüler an der Zazen-Praxis unbeirrbar festhalten und sowohl die innere Verwüstung als auch die kranke Seele loslassen. (...) Er muss versuchen, durch das Zählen der Atemzüge und die Einswerdung mit dem Koan Selbstvergessenheit zu erlangen."

Dienstag, 31. Juli 2007

Ingmar Bergman 1918-2007

"Kein Tod wird es mit den Filmen aufnehmen können. Das Traumspiel geht nie zu Ende." (Daniel Sandström)

Die Filme
Das Theater
Die Bücher
Die Frauen
Die Familie
Die Welt trauert

(Sydsvenska Dagbladet)

"Ich weiß nämlich, dass wir mit Hilfe des Films in bisher nie gesehene Welten eindringen können. In Wirklichkeiten außerhalb der Wirklichkeit." (Bergman)

Acht Kinder aus fünf Ehen.

(Stern)

Montag, 30. Juli 2007

Wohnen

bis 1980: Vierzimmerwohnung, fünf Personen. Blick auf Garagen, Parkplätze.

1980-1982: Dreizimmerwohnung, drei Personen. Blick auf Garagen.

1982-82: Dreizimmerwohnung, sieben Personen. Kein Blick. Rotwein. Saxophon.

1983-84: Zweizimmerwohnung, eine Person. Blick auf Güterbahnhof. Ölheizung. Beuys an der Decke.

1984-85: Eineinhalbzimmerewohnung, eine Person. Hinterhof-Parterre. Außenklo, Kachelofen.Kaffeemaschine am Bett.

1985-86: Zweizimmerwohnung, vierter Stock, zwei Personen. Dusche in der Küche. Im Brot steckt ein Messer.

1986-87: Sechszimmerwohnung, sechs Personen. Fotolabor. Haushaltskasse. DDR-Flagge in der Küche. Rausschmiss.

1987-88: Vierzimmerwohnung, vier Personen, Alpaka-Pullover. Zweizimmerwohnung, eine Person, Lady-Geschirrspülmaschine. Besetztes Haus, unzählige Personen. Dreizimmerwohnung, vier Personen, ein Schweinekopf aus Ton.

1988-89: Keine Wohnung. Reise. Verschiedene Betten. Verschiedene Sprachen. Durchfall.

1989: Unterschlupf: Umzug in ein anderes Land: Einzimmerwohnung, zwei Personen. Umzug nach Deutschland: Fünfzimmerwohnung, fünf Personen, davon zwei Helden. Einzimmerwohnung, eine Person und kurzzeitig zwei Polizisten. Unterschlupf: Dreizimmerwohnung, zwei aufwärtsstrebende Personen und ich.

1989-90: Umzug. Einzimmerwohnung, eine Person. Es regnete durch die Decke. Zentralheizung, eigenes Bad, fließend heißes Wasser. Blick auf Hinterhof.

1990: Umzug in eine andere Stadt. Einzimmerwohnung, eine Person. Badezimmer. Espressomaschine. Unruhige Nächte.

1990/91: Umzug in ein anderes Land. Einzimmerwohnung, eine Person. Schwarzweißfernseher. Schnee. Ein Messer, ein Teller, eine Tasse. Unterschlupf: Einzimmerwohnung, zwei Personen. Balkon. Schreibmaschine.

1991-1995: Umzug nach Deutschland. Einzimmerwohnung, eine Person. Es regnete durch die Decke. Zentralheizung, eigenes Bad, fließend heißes Wasser. Kurzzeitig zwei Personen. All die verwirrten Jahre.

1996-97: Umzug in ein anderes Land. Ein Zimmer und Klo, eine Person. Blick aufs Meer, auf Eis, das nie schmilzt. Blutstropfen. Unterschlupf: Einzimmerwohnung, zwei Personen. Umzug: Dreizimmerwohnung möbliert, zwei Personen. Eichhörnchen vor dem Fenster. Blick auf die Rückseite des Supermarkts.

1997-1998: Umzug: Zweizimmerwohnung, zwei Zimmer. (Das schlimmste Jahr von allen.)

1998-2001: Umzug in ein anderes Land. Unterschlupf. Zweieinhalbzimmerwohnung, zwei Personen und ein Berg Vergangenheit. Drei Monate lang in Deutschland: Haus im dunklen Park, eine Person und zahlreiche Gespenster. Nächtliche Stürme. Erdbeben. Muffins. Maultaschen. Hitzewelle.

2000: Ein halbes Jahr in Deutschland: Dorf, Schafe, Verrückte. Künstler. Jeden Sonntag ins Hallenbad. Bach-Kantaten.

2001: Umzug nach Deutschland: Drei Monate Untermiete. Vierzimmerwohnung, drei Personen, davon ein Kind, fünf Jahre alt, Kachelofen. Drei Monate Untermiete. Sechszimmerwohnung, sechs Personen plus eine Katze namens Gräfin. Dachterrasse und Michelle. Umzug. Vierzimmerwohnung, vier Personen. Dachterrasse. Nachtwächterdienst. Ein Leben auf Zehenspitzen.

2003: Ein halbes Jahr auf dem Land: Dorf, Schafe, Verrückte. Säufer. Zwei Zimmer und Bad. Eine Gemeinschaftsküche für drei Personen und eine Haushälterin und eine Mäusefamilie. Marmelade einkochen, Brot backen, Hollundersaft machen. Jeden Tag am Fluss entlang rennen.

2005: Fünf Monate auf dem Land: Haushälfte, eine Person, ein Auto, hin und wieder drei Katzen. Russische Komponisten. Umzug in ein anderes Land. Zweieinhalbzimmerwohnung, zwei Personen. Umzug. Seitdem Dreizimmerwohnung, zwei Personen, zwei Katzen, acht Fotoapparate.

Muss ich in meinem Leben noch einmal umziehen, um zu beweisen, dass ich
flexibel und anpassungsfähig bin?

Sonntag, 29. Juli 2007

One mark on the mattering map

also von unten & nach oben durch freien
zusammenschluss...
(die anarchistische liebesversion)

(wieder ist alles, was folgt, von bruno k. öijer geschrieben und von mir übersetzt)

ein völlig gewöhnlicher tag. die lokomotive erhielt order auf dem fluss
anzuhalten & baudelaire ist draußen auf cythère & sucht nach l'amour
& ihr könnt nicht ahnen was er findet & die toten der gesellschaft
begraben weiterhin ihre lebenden...
& jemand hat hier gestanden & das haar über dem braunen
wasser gekämmt & an das wunderbare chinin der inkaindiander gedacht. komm
dann & sag dass irgendetwas leicht wäre & die türen sind
verschlossen & die brücken drei kilometer gesenkt. er hat sein leben
lang stenografierte reden über gefolterte ausgeteilt & steine
gehalten & ist den barometern gefolgt & hat kontaktlinsen gewechselt zu
mozart, aber dann an jenem morgen... wurden die münder
mit büßern & selbstmordflüssigkeit & spielsachen der kinder-
mädchen gefüllt...sie fingen feuer.
Ps.
wir werden die überschwemmung um unsere nackten körper mit
phantastischen wörtern begrüßen. bis dahin, love!

(aus dem jahr 1973)

Samstag, 28. Juli 2007

Landkarte

about 'mattering maps':

Lawrence Grossberg assumes that when people construct their value system they do so not only by identifying the things that matter to them, but also by integrating these things into a matrix of meaningful relations and differences. They draw up a 'mattering map', which forms a structure of meaning, but, since it is saturated with afffect, it is also a structure of pleasure.

"Dass alles, was ich mir vornehme, damit enden soll, dass gar nichts übrig bleibt, weil ich alles auf dem Weg wieder vernichtet habe, aus Angst, dass es nicht gut genug ist, nicht wahr genug, aus Angst mich zu entblößen, aus Angst, dass andere über meine Leere erschrecken könnten."

Eine Stelle, die ich im Jahr 1993 in "Die Theorie des Schönen in Japan" anstrich:

(Das Konzept von yûgen)
"Yû, der erste Bestandteil des Wortes yûgen, bezeichnet normalerweise Schwachheit oder Schattenhaftigkeit in dem Sinne, dass es die durch-sich-selbst-existierende Solidität der Existenz eigentlich negiert oder Nicht-Stofflichkeit andeutet bzw., etwas genauer, die verfeinerte Qualität physischer Körperlichkeit in der Dimension der empirischen Wirklichkeit. Gen, der zweite Bestandteil des Wortes, bedeutet Trübheit, Dunkelheit oder Schwärze. Es ist eine durch unergründliche Tiefe verursachte Dunkelheit, so tief, dass unser physisches Augenlicht unmöglich bis auf den Grund gelangen kann, d.h. es ist die Dunkelheit in der Region der unbekannten Tiefe."

Freitag, 27. Juli 2007

I don't want to get over you

Völlig nutzlose Gedanken an diesem Freitag:

(Blutspenderzentrale geschlossen, Bücher bei der Bibliothek überfällig, der Brief mit dem Geschenk für KP wog genau 24 Gramm zu viel und kostete gleich doppelt so viel Porto, der weiße Bademantel fiel mir auf den Radweg, ich hatte keine Lust, die Rhetorik von Aristoteles auf Englisch auszuleihen)

"Nie das gemacht haben, was ich eigentlich wollte, immer ein wenig daneben, ich kann es nicht erklären, warum, und deshalb bin ich beinahe pausenlos traurig."

Donnerstag, 26. Juli 2007

AW: AW:

Aus meiner Geburtstagspost:

"So weit so schlecht."

"Was machst Du, wo bist Du und wie geht es Dir?"

"Die Wirklichkeit: Verdammt nochmal, mir wird immer unklarer, was das sein soll."

"Ich habe jetzt einen Garten und freue mich über jeden Zentimeter, den meine Rosen wachsen und über jede neue Blüte."

"ah, glueckwunsch auch zum Rollkofferfuehrerschein."

"Gehab Dich wohl, Hochwohlgeborenste!!!"

"Auf dass die blöden Selbstzweifel ein Ende haben."

"Heimlich träume ich immer wieder mal von der Idee zu schreiben, finde aber die Ruhe nicht dafür."

"Med önskan om många nice strong cuppa!"

"Danach kannst Du Dich in das 'Mäntelchen' hüllen."

"& lots of love from..."

Mittwoch, 25. Juli 2007

Are we wasting our lives?

{denn heute ist mein Geburtstag, hurra!! ich habe Geburtstag!!}

u. muss wieder in altem Papier blättern, das auf meinem Schreibtisch herumliegt:

We have also to talk over together what is death. (...) And to understand death, we must also inquire into what is living, what is our life.
Are we wasting our lives?
(...) You may have power, position, but at the end of it - what? Please, this is a serious question that you must ask yourself. Another cannot answer this question for you.

(Krishnamurti)

{Und was hast du selbst dazu zu sagen, hineshm? - Talent ist eine Gefahr, eine Falle, ein Abgrund. Auch das wieder eine Art Zitat.}

Dienstag, 24. Juli 2007

Hineshm, look, my name

In einer Mail von R., die ich heute bekam:

hineh like in hineh mah tov - "see, how good it is" or, "behold, how good"


so, hineh shm: shm like: schem -i.e. name, therefore: see, name. As though one was stuttering trying to say: look, my name (hineh shmi)

Fang beim Schuhanziehen mit dem rechten Fuß an, beim Fußwaschen mit dem linken.
Pisse nicht der Sonne zugewendet.
Züchte nichts, das krumme Nägel hat.
Nimm keine Schwalbe auf in dein Haus.
Trage keinen Ring.
Schau nicht in den Spiegel beim Schein einer Lampe.
Laß dich nicht von unbezwingbarem Lachen übermannen.
Leg, wenn du aufstehst, die Bettücher zusammen und verwische den Abdruck.
Beiß nicht ins Herz.
[? Bedeutung unsicher.]

(Pythagoras: Auszüge aus der Liste der "Akousmata" = Lehrsprüche)

Montag, 23. Juli 2007

Von der Sprache

Schreib endlich selbst etwas (versteck dich nicht hinter den Äußerungen von anderen).
{Beckett: Der Namenlose / er kann nicht über Dinge sprechen / er wird aber auch nie schweigen}

Sie (die Inuit) haben Angst vor Wörtern. Sie zögern auch immer, den Namen einer Person auszusprechen, denn das bedeutet, von ihrer Persönlichkeit Besitz ergreifen. Wörter führen dazu, dass ihre ursprünglich so verschiedenen Gedanken "einfrieren". Es gibt zwei Sprachen: die stumme Sprache des Lebens und die Sprache der Wörter, die man ausspricht.

Schlage wahllos Öijers Gedichtband auf. (Silhouette)

Ich bin gestern fünfundzwanzig geworden
Alle hatten einander etwas zu sagen
Wie hältst du das aus
fragte mein Liebling

Sein Schaukelstuhl blutet

Sonntag, 22. Juli 2007

traumwirklicher

traumwirklicher als Traum-Wirklichkeit.

Im Traum gab das Klavier keine Töne von sich.

Bitte zeichne mir einen Schreibtisch (und schick mir die Zeichnung per Fax)!
Immer in Traum-Eile, immer auf dem Sprung.

"Was tust du für dein Leben?" (for your living)
Ich zählte eine Reihe Beschäftigungen auf.
("Ich weiß nicht, was ich tue.")
"Aber davon kann man kaum leben." (you can hardly live)
(Als wäre ich auf dem Weg zu meiner eigenen Beerdigung.
Als könnte ich gar nicht mehr gehen.
Als müsste ich den Rest meines Lebens auf einer Bahre liegen.)

U: Findest du, dass / S: Ja vielleicht nein ich
Ich schloss ihren Reiß-Verschluss mit raschen Bewegungen.

U: Kannst du bitte meinen / S: Ja ich jajaja (so hilflos-kindlich) "tam-tadam-tadam"

Eine große Brücke schwarzgoldenes Wasser GoldenGateBridge? Ein Schiff wartet / an Bord / mit wehendem weißen Haar / "von jetzt an" / "egal wohin" (Eine waschechte Seifen-Erzählung)

Und ich wachte auf, in Rückenlage, die Bettdecke wie von liebevoller Hand um mich festgestopft.

Samstag, 21. Juli 2007

Mein Stadtteil

Ryszard Kapuscinski über die Immigranten aus den ärmsten Ländern, die sich in den reichen Ländern niederlassen, ihre Taktik des "vorsichtigen Lauerns":

"Sie bemühen sich, keine Aufmerksamkeit zu erregen. Sie bemühen sich, anonym zu bleiben. Sie führen brav alle Anweisungen aus. Sie kritisieren nicht. Protestieren nicht. Gründen keine Parteien. Kämpfen nicht um die Macht."

Der "Einwanderer": "Er ist der Prototyp des Menschen der künftigen Zivilisation: anonym, gehorsam, arbeitsam, effektiv, diskret, egoistisch, mäßig ambitioniert, entwurzelt aus seinem Dorf, seiner Stadt, seinem Land und seiner Kultur." (...)

{Eine ziemlich treffende Beschreibung der Bewohner der Gegend, in der ich lebe, eine teilweise ziemlich treffende Beschreibung meiner selbst.}

Freitag, 20. Juli 2007

Besuch im Jahr 1883

Der Vulkan Krakatau hat mehrere gewaltsame Ausbrüche.

Das letzte Exemplar der Zebra-Art "Quagga" stirbt in einem Zoo in Amsterdam.

Eine Nachricht aus Amerika behauptet, dass es mit Hilfe eines verkupferten Stahldrahts und eines neuen Apparats gelungen sein soll, sich auf eine Entfernung von über tausend Kilometer mittels Telefon zu unterhalten.

Ebenfalls aus Amerika stammt eine Erfindung, die man Schreibmaschine nennt. Diese Maschine bietet die Möglichkeit, Manuskripte für den Druck in größter Deutlichkeit herzustellen. Die Benutzung ist einfach: jeder, der buchstabieren kann, vermag auch mit der Schreibmaschine zu schreiben.

Donnerstag, 19. Juli 2007

Wechselnd bewölkt

Ich träumte, ich hätte den Schraubenschlüssel gefunden, mit dem ich heute mein Fahrrad reparieren würde.

Einkäufe gestern:
40,- Kr für einen großen Brief nach Deutschland
52,- Kr für ein Schampoo für trockene Kopfhaut
66,- Kr für Post-it-Stickers, 1 Pentel Stylo, 1 Klebestift
220,- Kr für Massage
110,- Kr für Ziegenkäse (drei verschiedene Sorten)
25,- Kr für ein Chili-Brot

& sparte das Geld für den Kaffee und den Toast, die ich mir nicht kaufte

& als ich heute um Geld verhandelte, versuchte ich wieder, mich billig zu verkaufen, den Preis runterzuhandeln

G. schickt mir eine Karte mit der Post, auf der sie schreibt, dass sie jeden Abend für mich betet und das seit Jahren.

Mittwoch, 18. Juli 2007

Schreibtisch

Auf dem Schreibtisch: 1 Glas Pelikan Tinte blauschwarz, 1 CD-Kompilation "In a dream I spoke with Aphrodite", 1 Ansichtskarte aus der Bayerwaldklinik, 1 Buch "Meditation", Bhagavan Ramana Answers, Karteikarten mit Briefauszügen von CF Hill, 1 Kopie von Eugen Bleuer: Dementia Praecox oder Die Gruppe der Schizophrenen 1911, 1 Duden Wörterbuch der deutschen Sprache, 2 Tampons, 1 Kazoo, 1 Opinel Taschenmesser, 1 Tube mit Salsy-Vase 2%, 1 Schere, 1 Mail vom LCB Berlin, 1 Ausdruck vom Programm der Nordic School of Butoh, 1 Mappe mit 2 beschriebenen Blättern, 1 Bruno K. Öijer: Samlade Dikter, 1 staedtler marsmatic700, 1 Notizbuch mit Liste der gelesenen Bücher 2007 (unvollendet), 1 Prospekt Malmö Konsthall: William Kentridge, 31.5.-19.8.2007.

"Ein Paranoider beklagt sich während einer längeren klinischen Vorstellung beständig über die Verfolgungen, sitzt aber sehr gemütlich in nonchalanter Haltung da. Gefragt, ob er denn die Halluzinationen für Wirklichkeit halte, sagt er mit Achselzucken: "Vielleicht sind sie krankhaft, vielleicht Wirklichkeit"; die Frage interessiert ihn offenbar gar nicht. Dass ältere Paranoide mit der größten Seelenruhe erzählen, wie sie in der Nacht geschunden, gebrannt worden seien, wie man ihnen die Eingeweide herausgeschnitten habe, ist etwas Allbekanntes." (E. Bleuler, 1911)

StubenDrama
Katze: T (gestreift)
Katze: B (schwarz)
Schmetterling 1 + 2, um ihr Leben kämpfend
Schmetterling 1 + 2, ihr Leben hingebend

{und ich schau nicht hin, wenn der Raubtiercharakter meiner Hausgenossen sich offenbart}

Dienstag, 17. Juli 2007

Bruno K. Öijer

Er Wollte Dich So Intensiv
Dass Er Sich
Alle Finger Abhackte


& Deine Telefonnummer Mit Der Zunge Wählte


Jetzt Hört Er Die Ganze Zeit
Dein Wunderbares Lachen


{ist es möglich, dass von diesem Dichter noch nichts ins Deutsche übersetzt wurde? hineshm}


und das Motto des Tages:
No electricity
Very portable
Extremely fun

{Während ich im Hinterhof ein Buch mit Goldschnitt las und ein Schokotäfelchen aß und mir das Buch hinunterfiel und mir nichts einfiel und ich überlegte, ob ich jetzt in das Schreibwarengeschäft fahren soll oder ans Meer oder beides oder keines von beidem.}

Haut
(aus mehreren Schichten bestehendes, den gesamten Körper von Menschen u. Tieren gleichmäßig umgebenes äußeres Gewebe, das dem Schutz der darunter liegenden Gewebe u. Organe, der Atmung, der Wärmeregulierung u.a. dient: eine zarte, rosige, weiche, trockene, lederne, runzlige, unreine, dunkle H.; die glatte, glitschige H.)

{Ich fuhr ans Meer, und das Schreibwarengeschäft hatte geschlossen, als ich dort ankam.}

Montag, 16. Juli 2007

Wenn

Ich denke: Wäre ich in einem fernsehlosen alten Schulhaus auf dem Land aufgewachsen, mit einem Traumforscher als Onkel, einem Papiertheaterregisseur als Vater und einer Katze als Spielkamerad, hätte auch aus mir etwas werden können.

Ich denke: Ich würde gern eine Konversation auf Deutsch mit ihr führen. Ich würde gern im Bus neben ihr das Gleichgewicht verlieren.

Sonntag Nacht um 1:48 wird auf dem Platz vor meinem Fenster immer noch Fußball gespielt. (Das trug ich mit schwarzer Tinte in mein Moleskine-Notizbuch ein.)

Herzblüte schlägt aus, als am Telefon jemand in meiner Kindheitssprache antwortet.

Plötzlich fällt mir auf, dass ich mich völlig im Tag geirrt habe, dass heute nichts stattindet, dass mir ein vollkommen ereignisloser Tag zur Verfügung steht.

"The summer demands and takes away too much." John Ashbery

Sonntag, 15. Juli 2007

Geschlafen bis 9:34

{Hier folgt die Erklärung für den Titel dieses Blogs}

so
viel
wird gefordert von dem,
den die Hoffnung herauf- und herabkarrt
den Herzbuckelweg -
so viel

(Celan)

Ich träumte, ich suchte in einer Bibliothek ein Buch, das ich eigentlich gar nicht lesen wollte.
Und die Bibliothek war so unübersichtlich, mit zahllosen Schranken, und plötzlich rollte ich auf einer Rolltreppe fort.

[Wie groß ist die Sonne?] Heraklit: so breit wie der menschliche Fuß.

Berufswunsch: Hyperlektiker

Alles. Das.
Selbstbezichtigungen.
Neue Vorhaben.
Ein neuer Blog.
{der alte Blog gelöscht}
Auch dieser Blog schon wieder suspekt.
Warum kann ich nicht ganze Sätze schreiben wie normale Menschen?
Ich denke den ganzen Tag daran, wie ich wohl von hier wieder wegkomme.

Ein neues Wort: Hyperlektiker.

{Ich musste immer wieder die Frau anschauen, die mich an etwas erinnerte, ich wusste aber nicht woran}

Lesbos 13/12 2021

Am Morgen wachte ich zum Plätschern des Regens auf. Machte mir Kaffee, schmierte mir Brote, packte eine Portion gesalzene Oliven in den Ruck...