Sonntag, 29. Januar 2012

(Der Abend horcht an den Scheiben)

Bei dir ist es traut: 
Zage Uhren schlagen
wie aus weiten Tagen.
Komm mir ein Liebes sagen -
aber nur nicht laut.
Ein Tor geht irgendwo
draußen im Blütentreiben.
Der Abend horcht an den Scheiben.
Laß uns leise bleiben:
Keiner weiß uns so.



(Rainer Maria Rilke)



Freitag, 27. Januar 2012

Mildred Pierce - the final lines

Bert: “To hell with her” 
Mildred: “To hell with her.” 
'But it’s less a liberation than a suicide; all that the two of them have left to do is “get stinko.” '

Dienstag, 24. Januar 2012

Ich fühle mich seltsam wohl neben ihr

"Sie redet nicht viel. Wenn sie sich aber dazu entschließt, etwas zu sagen, dann verstehe ich selten, was sie eigentlich sagen will. Es ist, als rede sie mit sich selber. Zwischendurch sieht sie mich auffordernd an, als erwarte sie irgendeine Reaktion, doch zu mehr als zu einem eingestreuten mhm oder ja bin ich nicht in der Lage. Sie erzählt mir von Hunden, Schafen und anderen Dingen, von denen ich keine Ahnung habe und die mich auch nicht sonderlich interessieren. Anscheinend ist sie voller Geschichten, doch diese Geschichten bleiben irgendwie auf der Schwelle hängen. Sie finden zwar den Weg in ihren Mund, doch in einer Form, die unmöglich für einen außenstehenden Menschen gedacht sein kann. Für sie hängt alles zusammen, ich aber fühle mich verwirrt. Fetzen schnappe ich auf. Der Hund hat jemanden gebissen, aber welcher Hund und wen und wann und wie schlimm, all das erfahre ich nicht. Eigentlich haben wir hier eine Gemeinsamkeit, denn auch ich habe nie die Fähigkeit besessen, etwas zu erzählen, weder aus meinem eigenen Leben noch aus dem Leben anderer. Sie sieht fast immer aus, als wäre sie gerade von etwas erschreckt worden. Wenn ich sie anblicke und lächle, erwidert sie meinen Blick erst trotzig, dann mit einem etwas schüchternen Lächeln, einem Verziehen des Mundes, das auch als Missbilligung gedeutet werden könnte, aber ich weiß es besser. Ich fühle mich seltsam wohl neben ihr. Ich suche ihre Nähe, versuche sogar manchmal eine Hand auf ihren Schenkel oder ihre Schulter zu legen. Wenn ich ihr auf der Straße begegne, winke ich ihr zu. Ich bin dann immer ein wenig erstaunt darüber, dass sie mich erkennt. Als würde ich nicht glauben, dass ihre Erinnerung an mich anhält, wenn sie sich von meinem Haus entfernt hat. Sie hebt die Hand, sie sagt "hallo", und dann gehen wir aneinander vorbei, als wären wir sehr flüchtige Bekannte. Dabei weiß ich, dass sie morgen schon wieder vor meiner Tür stehen wird, mit diesen rastlosen dunklen Augen, mit diesen kleinen weißen Fäusten, die sie fast immer geballt hält, mit den unförmigen Kleidern und diesem unmissverständlichen Wunsch, in meiner Nähe zu sein." (2002)

Montag, 23. Januar 2012

Gibt es keine Leidenschaft mehr in unserem Leben?

Sie liegt auf dem Boden, die Sitzkissen meines Korbsessels unter den Kopf geschoben. Seit dem letzten Mal ist sie schon wieder schmaler geworden. Sie hat rotlockiges Haar, trägt eine graue Arbeiterhose und eine weinrote Samtjacke. Die Jahre sind vergangen, sie sind gut zu uns gewesen, aber wir haben das Gefühl nicht verloren, dass wir auf etwas Wesentliches warten, das nie eintrifft.

"Sie hat mich verflucht, in einem Brief, sie hat geschrieben, dass sie mich hasst und immer hassen wird. Dabei habe ich gedacht, dass sie jetzt glücklich ist, mit ihrem englischen Gentleman, der übrigens nett aussieht, mit seinem in den Kragen gesteckten Seidentuch, seinen tadellosen Manieren."

"Als würde eine Trennlinie gehen zwischen den Frauen, die Kinder haben und denen, die keine Kinder haben. Ich bin nicht neidisch, sie gehen mir bloß auf die Nerven, weil sie sich auch noch was drauf einbilden, dass sie ihr Lebensproblem an ein unschuldiges Wesen weitergereicht haben."

"Ich glaube, ja, ich will mit ihm zusammenziehen. Er wirft mir vor, dass ich immer meinen Willen durchsetzen will. Aber er äußert selbst keine Wünsche, reagiert hauptsächlich auf das, was ich sage. Die Freunde, die er trifft, hält er streng getrennt von mir. Ich dagegen wünsche mir, dass er an meinen Freunden ein Interesse hat, dass er sie treffen will, dass sie auch seine Freunde werden."

"Ich glaube, sie will Sicherheit, es war eine Art Torschlusspanik, weil sie ihre Arbeit verlor, als sie schwanger war. Und jetzt macht sie Nägel mit Köpfen, das hat auch mit Verantwortung zu tun, mit mir wollte sie es nicht, mit dem Mann aber schon, für den es übrigens auch höchste Zeit wurde. Wenn er jetzt nichts Eigenes mehr auf die Reihe kriegen würde, dann wäre es für ihn gelaufen."

"Was mich am meisten auf die Palme bringt, ist dass sie alles schön findet. Ich habe keine Lust mehr, sie zu fragen, wie sie es hier oder da gefunden hat, die Antwort ist sowieso immer die Gleiche: 'schön, nett'", äfft sie.

Ich sage, dass ein Leben ohne Bosheit langweilig ist, und sie lacht, aber ich frage mich, ob ich mich nur bei ihr beliebt machen will.

Gibt es denn keine Leidenschaft mehr in unserem Leben, außer vielleicht dem Neid auf die Naiveren? (2001)

Dienstag, 17. Januar 2012

Go Back

Go back and take care of yourself. Your body needs you, your feelings 
need you,
 your perceptions need you. Your suffering needs you to
acknowledge it. Go home and be there for all these things...



Thich Nhat Hanh

Montag, 16. Januar 2012

Ich musste wieder weg

"Ich musste wieder weg, fast jeden Ort machte ich mir zum Feind.

Eine weitere Bushaltestelle, ein schnurgerader Weg durch Hitze und Staub."

(1998)

Freitag, 13. Januar 2012

Sie

"Sie hat Angst vor der Extase, vor der Auflösung, vor der Entäußerung. Sie flüchtet immer wieder zurück in Überschaubares. Sie hält sich an den Wänden ihrer Wohnung fest. Sie ist ein Hohlraum. Sie hat keine Idee, wie die Dinge sein sollten. Sie hat keine Theorie, wie die Welt aussehen sollte. Sie ist wie eine auf den Wellen eines Sees tanzende leere Schale. Sie IST ganz einfach. Tierhaft. Und wenn sie ein Gegenüber hat, redet sie viel zu viel. Worte ohne Mitte, ein zerfahrener Wind." (2000)

Donnerstag, 12. Januar 2012

Erinnern heißt vergessen

"Wie lange wird es dauern, bis du alles vergessen hast? Die Wege, die Abzweigungen, die Abfahrtszeiten der Busse. Schon hast du alle Hausnummern vergessen und manche Straßennamen. Alles ist so vage. Du weißt, dass die Stadt am Wasser lag. Du weißt, dass dort ein Weg über das Eis führte, den du einmal im Dunkeln gegangen bist. Du weißt, jenes Haus war blau. Könntest du es zeichnen? Wie sah es aus? Haben sie jetzt die Brücke über die Gleise gebaut? Die Menschen blickten auf den Boden. Die Gedichte waren in einer fremden Sprache geschrieben, die du nicht verstehen konntest. Es gab so viel Stille. Die Stille hüllte dich ein. Du siehst die Felsen, das Eis. Du kennst das kratzende Geräusch der Schneeschaufel im Hof. Du kennst die Farbe des Himmels, wenn die Fähren am Hafen anlegen. Du weißt, wie es sich anfühlt, wenn man im Bauch eines Schiffes liegt, gegen dessen Rumpf die Eisbrocken krachen." (1999)

Mittwoch, 11. Januar 2012

Halbes Herz

"Ich selbst bin ja nie über den ersten Impuls zu fliehen hinaus gekommen, habe ihm immer nachgegeben, in einem irren Ehrgeiz, keine Unaufrichtigkeit in meinem Leben zu dulden, und wenn ich auch jetzt, im Rückblick, froh bin, dass ich in keinem der Zustände ausgeharrt habe, die mir so halbherzig erschienen und auch heute noch halbherzig erscheinen, so frage ich mich heute, warum ich in all diese Halbherzigkeiten immer wieder hinein geraten bin, als wäre ich gestolpert oder man hätte mich mutwillig gestoßen, was natürlich nicht der Fall war. Ich trug jedes Mal meinen Kopf erhoben und war sicher, dass ich der Stimme meines Herzens folgte, doch als eine Weile vergangen war, wurde mir bewusst, dass die Stimme meines Herzens mich wieder einmal in die Irre geführt hatte. Wem soll man noch vertrauen, wenn man einmal die scheckliche Wahrheit erkannt hat, dass auch das eigene Herz sich selbst eins ums andere Mal belügen und betrügen kann?" (1998)

Sonntag, 8. Januar 2012

Die Fotos

Ich starre auf Fotos. Sie sind vor ziemlich genau eineinhalb Jahren entstanden. 

Was ist passiert seitdem?

Als wäre die Farbe aus meinem Leben verschwunden.

Oder als könnte ich die Farbe immer erst im Nachhinein sehen. Auf den Fotos.


(Könnte ich die auf den Bildern sein. Ich sehe, dass sie ein Mensch ist aus Fleisch und Blut, anders irgendwie als ich. Sie ist sich nicht selber eine Fremde, sie ist bei sich selber ganz anders als ich.)


Sie sagte: "Versprich mir etwas."


Ich: "Ja, bloß was."


Sie: "Dass du sie wieder findest."

Sonntag, 1. Januar 2012

Neujahrsorakel

Each experience will tell you something new - allow yourself to flow with the experience and be led by your inner voice. When the time comes, you will know exactly what to do. It is through your "inner" awareness that you will know what is the appropriate action to take in any situation. Allow your old fears and habits to die away into the past. Calm down, avoid extremes and use the balance you have so carefully developed.
http://www.crystal-reflections.com






"Love in its lower manifestations turns into law by forming habits." Hazrat Inayat Khan (Sufi master):



Lesbos 13/12 2021

Am Morgen wachte ich zum Plätschern des Regens auf. Machte mir Kaffee, schmierte mir Brote, packte eine Portion gesalzene Oliven in den Ruck...