Montag, 15. Juni 2009

Anorektisches Radieschen


Ein Radieschen fand, dass es zu dick war und beschloss deshalb, abzunehmen.
„Spinnst du eigentlich?“, fragte der Rettich. „Ich finde, du siehst phantastisch aus.“
Er sagt zwar „phantastisch“, dachte das Radieschen, meint aber in Wirklichkeit „fett“.
Deshalb hungerte es sich langsam, aber zielstrebig, zu Tode.
Als es nur noch ein Gramm wog, kam der Rettich zu Besuch.
„Bist du jetzt zufrieden?“, fragte er wütend.
„Zufrieden ist gar kein Ausdruck“, sagte das Radieschen und lächelte.
Der Rettich hatte nach dem Tod des Radieschens so große Probleme, mit seinem Durcheinander an Gefühlen zurechtzukommen, dass er beschloss, irgendwie Buße zu tun.
Aber wie tut man Buße, wenn man ein Rettich ist? Es fiel ihm nichts Gescheites ein.
Eines Tages landete er dann sowieso in kleingeschnittener Form auf einem Abendbrottisch.

*

Lieber Leser, sollte dir der Geist des Rettichs eines Tages im Traum erscheinen, hab keine Angst. Er ist eine gequälte Seele, der es noch nicht gelungen ist, den ewigen Frieden zu finden.

Lesbos 13/12 2021

Am Morgen wachte ich zum Plätschern des Regens auf. Machte mir Kaffee, schmierte mir Brote, packte eine Portion gesalzene Oliven in den Ruck...