Mittwoch, 16. Dezember 2009

Zu faul



Ich schrieb ein paar Zeilen heute, die so lauten:

es ging erst bergab mit mir
als ich versuchte zu gefallen
dieses seltsame lächeln
ins gesicht geritzt

Außerdem setzte ich mich zu Keith Jarretts "Köln Concert" an meinen Schreibtisch und machte ein Kritzelbild mit dem Titel 26' 15''.

(Heute: Ein Job, für den ich mich beworben habe und in die engere Auswahl kam, ist wahrscheinlich an jemand anderen gegangen. Komisch, ich dachte, die Welt würde untergehen, wenn das passiert, aber bis jetzt ist sie noch nicht untergegangen.)

Ich sah "A Streetcar Named Desire" mit Marlon Brando und Vivien Leigh. Ich nahm den Tennessee Williams Band mit dem Theaterstück aus dem Bücherregal und sah, dass das Stück anders endet als der Film.

Montag, 28. September 2009

I love you


Neulich auf der Galerienacht in Malmö: Eine Frau, ganz in schwarz gekleidet, hochhackige Schuhe, enges Jackett, steht dicht an eine große Glasscheibe gedrängt in einem rot ausgemalten Raum (es riecht noch nach frischer Farbe). Die Glasscheibe wird nur vom Körper der Frau aufrecht gehalten. Würde die Frau weggehen, würde die Glasscheibe zu Boden fallen. Frau und Glasscheibe in einem intimen vierstündigen Tanz. Mit kleinen angestrengten Schritten schiebt und schleppt sie die Glasscheibe über den Boden der Galerie. Hin und wieder flüstert sie ein innerliches "I love you" gegen die Scheibe. Im Spiegel dieser Glasscheibe können die Augen der Künstlerin und der Betrachterin sich kurz treffen. Die Künstlerin heißt Melati Suryodarmo und ihre Performance ist das Eindrücklichste, was ich auf der diesjährigen Galerienacht in Malmö gesehen habe.

Montag, 15. Juni 2009

Anorektisches Radieschen


Ein Radieschen fand, dass es zu dick war und beschloss deshalb, abzunehmen.
„Spinnst du eigentlich?“, fragte der Rettich. „Ich finde, du siehst phantastisch aus.“
Er sagt zwar „phantastisch“, dachte das Radieschen, meint aber in Wirklichkeit „fett“.
Deshalb hungerte es sich langsam, aber zielstrebig, zu Tode.
Als es nur noch ein Gramm wog, kam der Rettich zu Besuch.
„Bist du jetzt zufrieden?“, fragte er wütend.
„Zufrieden ist gar kein Ausdruck“, sagte das Radieschen und lächelte.
Der Rettich hatte nach dem Tod des Radieschens so große Probleme, mit seinem Durcheinander an Gefühlen zurechtzukommen, dass er beschloss, irgendwie Buße zu tun.
Aber wie tut man Buße, wenn man ein Rettich ist? Es fiel ihm nichts Gescheites ein.
Eines Tages landete er dann sowieso in kleingeschnittener Form auf einem Abendbrottisch.

*

Lieber Leser, sollte dir der Geist des Rettichs eines Tages im Traum erscheinen, hab keine Angst. Er ist eine gequälte Seele, der es noch nicht gelungen ist, den ewigen Frieden zu finden.

Donnerstag, 7. Mai 2009

"Schwedischer Mord" (ich schreibe ein Buch)


Seit Monaten bin ich nicht mehr beim Friseur gewesen, weil ich möchte, dass der Schwedische Mord sich nicht nur innerlich, sondern auch äußerlich manifestiert, in einem sichtbaren Vergehen der Zeit und in einer Verwilderung der Ich-Erzählerin, die übrigens nicht - und das sage ich hier zum ersten und letzten Mal - mit mir (die ich hier sitze und diese Worte in den Laptop tippe) identisch ist! Aber auch aus einem anderen Grund, nämlich weil der Friseur wieder teurer und mir also zu teuer geworden ist, jedenfalls solange ich am Schwedischen Mord sitze und mein vorhandenes Geld sich allmählich, von Buchstabe zu Buchstabe, verzehrt!

Samstag, 18. April 2009

4 mal Gösta Larsson

Vier Personen mit demselben Namen

1) Gösta Larsson war 1965 der erste Mensch, der ein Zahnimplantat bekam. Er hatte im Alter von 34 Jahren die Zähne in seinem Unterkiefer verloren und hatte es satt, zahnlos herumzulaufen. Deshalb meldete er sich freiwillig, als er hörte, dass der Zahnarzt Per-Ingvar Brånemark an der Universität Göteborg mit Zahnimplantaten experimentierte. Es wurden ihm erfolgreich vier Zähne im Unterkiefer implantiert, an denen eine Prothese befestigt werden konnte. Danach war er wieder in der Lage zu kauen, zu essen und zu sprechen, bis zu seinem Tod im Jahr 2005 (eine andere Quelle sagt: 2006).



2) Gösta Larsson oder "Mr Handboll", war die "Nummer 3" der schwedischen Handballtorwarte (erste Reserve nach den Nationaltorwarten Roland Mattsson und Lennart Ring) und starb im Februar 2009 im Alter von 80 Jahren in Borås. Betrieb einen Lebensmittelladen. Seit 1991 saß er täglich vor der staatlichen Alkoholverkaufsstelle "Systembolaget" in der Allégatan in Borås und verkaufte Bingolottoscheine.


3) Gösta Larsson war ein Arbeiterschriftsteller, der 1898 in Malmö geboren wurde und 1921 nach Amerika auswanderte, wo er mehrere Romane schrieb. Er vergaste sich 1955 in einer Garage in Waterford, Connecticut, ein Jahr nachdem der Schriftsteller Stig Dagerman in Enebyberg in Schweden (nach zahlreichen missglückten Selbstmordversuchen mit Gas und Rasierklingen) die selbe Todesart gewählt hatte. Gösta Larsson, der "beinah vergessene" Arbeiterschriftsteller, ist zentrale Gestalt in Fredrik Eklunds Roman M/S Tiden, der 2008 auf schwedisch erschien.


4. Ich fand auch einen Gösta Larsson, der Mitglied der Sjötorpskapelle war (stehend, zweiter von links, mit der Mandoline).

Freitag, 17. April 2009

Montag, 13. April 2009

alles leuchtet in seinem fremdsein

ich wünschte, es wäre ein anderer tag
und ich ein anderer mensch an einem anderen ort
ich wünschte, es wäre eine andere tageszeit
und die aussicht vor meinem fenster wäre eine andere
ich wünschte, ich hätte das talent,
das richtige wort im richtigen moment zu finden
oder ein anderes wort als das, das ich finde
ich probiere verschiedene wörter,
aber sie scheinen nicht zu mir zu gehören
die wörter, die zu mir gehören,
schweigen heute wieder einmal, wie so oft
und obwohl ich vor einiger zeit abreiste,
um nie wieder hierher zurückzukehren,
bin ich zurückgekehrt, und nichts scheint verändert
und doch ist nichts sich selber gleich
alles leuchtet in seinem fremdsein
und keine sprache klingt vertraut in meinen ohren
wie war die reise, fragen mich fremde,
(sie behaupten mich zu kennen, aber ich kenne sie nicht)
was hast du gesehen, was gelernt,
und wie ist es, jetzt wieder zuhause zu sein
sie würden nicht verstehen, dass ich nie weg war
und auch jetzt nicht hier bin, und was sie zuhause nennen
ist ein vorläufiger unterstand, ein schutz vor kälte und regen
ein kleid, das mir notdürftig passt, ein übergang
zwischen dem, was war und dem, was sein wird
und was ich auf meiner reise erlebte, war ein traum,
den ich am morgen versuchte niederzuschreiben,
bevor ich erwachte und einsah, dass ich geträumt hatte,
und jedesmal, wenn ich nach dem stift griff,
erwachte ich erneut, und der traum verschwand,
und nichts als der augenblick blieb mir,
in dem der traum sich in das wachsein verwandelte
und ich einsah, dass ich geträumt hatte
doch auch das war nichts als ein traum

Donnerstag, 9. April 2009

Neue Herzbuckel

Es gibt neue Herzbuckel.
Es gibt neue Pläne.
Ich sitze unter einem Berg von Müll und grabe mich in die Luft.

Lesbos 13/12 2021

Am Morgen wachte ich zum Plätschern des Regens auf. Machte mir Kaffee, schmierte mir Brote, packte eine Portion gesalzene Oliven in den Ruck...