Dienstag, 21. Juli 2020

15. Juli -

2020/07/15 10:10



Fuhr ans Meer, mit Gaskocher und Espressokanne. Heute hatte ich sogar ein langärmliges T-Shirt übergezogen. Ging zum Nacktbadestrand, wieso eigentlich nicht früher? Kein Mensch außer mir war da. Das Wasser war kalt, erfrischend. Dann Kaffee und Croissant auf dem Mauerabsatz. Heute kamen keine Hundebesitzer vorbei. Mittwoch.



Werde mit Giorgos über den Fischer reden. Vielleicht kann er ihm die ganze Angelegenheit erklären. Ich bringe es nicht fertig, heute noch einmal in der glühenden Sonne vor dem Haus zu stehen und zu rufen. Es verwandelt sich in einen seltsamen Traum, in dem man irgendwo auf der Stelle tritt und nicht weiterkommt.



Die ganze Zeit denke ich an den Text, den ich angefangen habe zu schreiben. Ich versuche, mich auf meine Intuition zu verlassen, muss aber nachträglich die Fäden zusammenknüpfen. Heute fühle ich mich mutlos.



Seltsame Parallelen zu meinen Kindheitsgefühlen: Erlaubnisse werden in Verbote verwandelt. Freundlichkeit ist nicht von Dauer. Es ist keine unbeschwerte Freiheit möglich, weil ich weiß, dass ich, egal, was ich tue, etwas „falsch“ mache.



22:45



Wassermelone und Feta. Abends: eine von Giorgos' Auberginen, gewürfelt in Tomatensoße, dazu wieder Feta. Das Kreuzworträtsel der NYT, das ich heute nicht lösen konnte.



Als ich mit der Lampe meines IPhones zum Sicherungskasten des Brunnenhäuschens und wieder zurück gehe, sehe ich eine Frau, die ihr Fahrrad auf dem Sandweg abstellt und dann "in die Büsche" geht. Glaubt sie, denn es ist der Weg zu meinem Haus. Sie entschuldigt sich vielmals. Das macht doch nichts, sage ich. Ich musste so dringend pinkeln, sagt sie. Wegen mir brauchen Sie sich keine Sorgen machen, sage ich.



Morgens kein Wasser, und bis ich herausfinde, woran es liegt, ist der Vormittag schon gelaufen. Es war ein allgemeiner Wasserstop, wegen irgendwelcher Reparaturarbeiten. Wäre nicht gestern der Klempner hier gewesen, dann hätte ich mir keine weiteren Gedanken gemacht. Hole Trinkwasser auf dem Seminargelände.



P bittet mich, zur Bank zu fahren und "Maria" um "pink slips" zu bitten, für "Dino", den Steuerberater. Ich stelle mich in die Schlange vor der Bank. Frage bei meiner Ankunft, wer der Letzte vor mir gewesen ist. Man deutet auf eine alte Frau, die ihr Bankbuch in einer Plastiktüte mit sich trägt. Die Frau schaut mich ausdruckslos an. Als sie schon vor der Tür steht, stellt jemand anderer sich hinter sie. Ich frage, wer von uns zuerst dran ist. Er sagt, erst die Frau und dann er. Ich erwarte mir, dass die Frau bestätigen wird, dass ich nach ihr drankomme, aber sie lässt sich auf Griechisch aus (offensichtlich über mich), mit einer Wut den Augen und in der Stimme, die mich verblüffen. Sie macht weiter mit ihrer Zornestirade, noch als ich mich schon hinter den Mann gestellt habe.



In der Bankfiliale herrscht die übliche schlechte Laune. Ich frage nach "Maria", die sich missmutig zu erkennen gibt. Ich brauche "pink slips" für "Dino", sage ich und reiche ihr Ps Bankbuch. Ihr Missmut war wahrscheinlich nur der Unwille, Englisch zu sprechen oder irgendeine komplizierte Ausländerfrage zu beantworten. Als sie weiß, was ich will, ist sie freundlich und entgegenkommend. Später, als ich schon wieder zu Hause bin, ruft Dino an und ich bin froh, dass ich ihm sagen kann, dass die „pink slips“ bei der Bank auf ihn warten. Er fährt mit seinem Moped auf der Insel umher und besucht seine Kunden. Er hat lange in Deutschland gelebt. Deshalb ist er für die Deutschen, die hier leben, ein Geschenk des Himmels.



Dann Einkaufen bei Theodos, der heute die Maske wieder vor dem Gesicht hat. Wie gehts? Gut, und dir? Gut. Weißt du schon? fragt er. Nein. In Kalloni ist ein Mann positiv getestet worden. Jetzt muss man wieder vorsichtiger sein. Ein Tourist? Nein, ein Grieche, der verreist war. Wenn ich krank werde, sagt Theodos, muss ich das Geschäft zumachen. Also muss ich mich schützen. Ich sage, du musst darauf schauen, dass deine Kunden auch dich schützen.



Mittagessen: gebratene Champignons mit geriebenem Käse, Feta-Wassermelone, als Salat angemacht.



War wieder unbeschreiblich müde am Nachmittag, lag auf dem Bett, las "The Buried Giant", schlief ein, wachte auf, las weiter, schlief wieder ein, wachte auf. Machte mir einen griechischen Kaffee, um wach zu werden. Strich den Tisch und flickte eine Unterhose, die schon mehrmals geflickt worden war. Dann Weiterschreiben am Text. Ich muss einsehen, dass es einfach nicht geht. Ich habe kein Talent fürs Erzählen. Ich verbringe meine Schreibzeit in Agonie, es ist, als könnte ich nicht atmen. Das Hochgefühl des Anfangens stürzt unweigerlich nach ein paar Seiten ab. Ich bin dieser Aufgabe schlicht und einfach nicht gewachsen.



Abends am Meer. Zuhause den Garten gewässert, Abendessen, ein Bier.



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