Dienstag, 21. Juli 2020

8. Juli -

2020/07/08 16:35



Aus meinem Nachmittagsschlaf aufgewacht, weil Punxy piepste, dass sie raus wollte. Ich war auch im Traum müde, schlief auf dem Boden eines Ladens ein, der T-Shirts in Farben von Fußballmannschaften verkaufte und wo ich ein T-Shirt in den Farben der portugiesischen Nationalmannschaft kaufen wollte, das es aber dann nicht in meiner Größe gab, sondern nur zu klein und zu groß. Ich rollte mich auf dem Fußboden der Umkleidekabine zusammen und schlief, zu müde, um wieder aufzustehen. Eine flüchtige Bekannte, die ich dort getroffen hatte und die Krankenschwester war, überprüfte mein Herz mit einem speziellen Metallchip und sagte, es sei zu schwach. Wir waren beide Teil einer Aktionsgruppe, die illegale Bepflanzungsaktionen unternahm. Später war ich in einem Park und versuchte, dort irgendetwas zu tun, aber ich konnte nicht, weil ich zu müde war.



P hat jetzt wieder im Gesundheitszentrum angerufen, wegen einem Druck auf der Brust und Husten. Man muss einen Boten (einen Verwandten) mit seiner ID-Karte ins Testzentrum schicken, der dann den Test ausgehändigt bekommt und ihn hinterher zurück ins Testzentrum bringt. Umständlich, findet P. Sinnvoll, finde ich. Es gibt auch die Möglichkeit, in der Apotheke einen Antikörpertest zu machen, der 500kr kostet, aber da muss man symptomfrei sein. Eigentlich sind es die gleichen Symptome wie im März, sagt sie, aber jetzt in Verbindung mit einer Erkältung. Laut Auskunft der Krankenschwester am Telefon haben viele Leute diese Art von Symptomen, die sich über Monate hinziehen können. Es gibt momentan keinen Grund zur Unruhe. P hat sich jetzt jedenfalls krankgeschrieben, damit sie ihre Urlaubstage später zurückbekommt. Eigentlich hätte sie jetzt vorgehabt, oft zum Schwimmen zu gehen. Eigentlich wollte sie Leute treffen. Jetzt begibt sie sich erstmal wieder in Quarantäne. Mit Tee und Buch auf dem Bett.



Ich habe am Morgen einen Artikel in der NYT über Schweden gelesen, das, was die Todeszahlen angeht, viel schlechter abschneidet als seine nordischen Nachbarn. Vor allem in Stockholm sind die Zahlen hoch. Es wird in der Kommentarsektion über den Sinn und Unsinn der schwedischen "Nicht-Regeln" diskutiert, viele Schweden beteiligen sich. Einige sagen, dass die schwedischen Zahlen so hoch sind, weil so viele Pflegeheime für alte Menschen von Corona betroffen waren. Die wären auch im Fall eines Lockdowns nicht geschützt gewesen, weil die Zustände dort so verheerend sind (was man angeblich vorher nicht wusste). Auch Immigranten sind in Schweden zahlenmäßig häufiger betroffen, weil sie mehr als Schweden oder europäische Ausländer in beengten Verhältnissen leben, öfter Raucher sind und öfter die Regeln nicht verstehen oder nicht beachten. Die Zahlen sind angeblich auch deshalb so hoch, weil Schweden alle Toten als Coronatote aufführt, bei der die Toten am Coronavirus erkrankt waren (auch wenn sie vielleicht nicht daran starben). Das wird wohl nicht in allen Ländern so gehandhabt. Die hohen Zahlen seien außerdem dadurch zustande gekommen, dass 10% der Schweden in den Wintermonaten verreist waren und den Virus aus Ländern wie Italien und Österreich ins Land brachten. Das Tragen von Masken wird in Schweden immer noch nicht empfohlen. Einige Schweden schreiben in ihren Kommentaren, dass eine Maske nach 10 Minuten keinen Sinn mehr macht, weil sie dann feucht wird und gewechselt werden müsste. Auf dem Papier hat Schweden im Verhältnis zur Einwohnerzahl 40% mehr Coronatote als die USA.



Ein Bild von einem Badeplatz in Malmö ist dem Artikel beigefügt. Junge, schlanke Menschen liegen und sitzen auf den Badeplanken, neben einem großen gelben Reklameschild, das zum Abstandhalten auffordert. Darauf sind zwei stilisierte Menschenfiguren abgebildet und ein Herz, das sie auf Abstand hält. Darunter steht: "In Malmö sind die Abstände nicht groß. Aber jetzt halten wir Abstand voneinander." Wenn etwas "typisch schwedisch" ist, dann genau dieses Schild. Die Freundlichkeit, der Appell an positive Gefühle, an das Verantwortungsbewusstsein des Einzelnen. Aber auch die Verharmlosung, Verkindlichung.


Je mehr Zeit vergeht, desto weniger bin ich der Ansicht, dass der Weg, den Schweden eingeschlagen hat, so eindeutig der falsche war. Die Frage bleibt bestehen, ob die Lage im Fall eines Lockdowns besser gewesen wäre. Es herrschen fürchterliche Zustände in den privatisierten Pflegeheimen, das ist jetzt deutlich geworden. Man kann beobachten, dass andere Länder, die ihre strengen Lockdown-Regeln gelockert haben, sie jetzt wieder anziehen. Wie lange, wie oft ist das möglich? Es scheint, als hätte Schweden einen mittleren Weg eingeschlagen, der langfristig vielleicht aufs Gleiche rauskommt, mit dem Unterschied, dass es den Leuten psychisch besser geht.


Gleichzeitig nervt es mich, dass Schweden sein "Besonderssein" wieder mal hervorkehren musste. Der schwedische "Exzeptionalismus".


Mary Trump, Trumps Nichte, hat jetzt ein "Enthüllungsbuch" über Trump-Familie herausgegeben. Von dem Wenigen, was ich darüber gelesen habe, gibt es nichts, was mich erstaunt. Es liegt doch alles offen. Ich habe schon vor vier Jahren gewusst, dass Trump ein boshafter, unersättlicher Narziss und Egomane ist. Ich brauche jetzt nicht auch noch zu wissen, dass er ins Kino gegangen ist, als sein Bruder mit einem Herzanfall ins Krankenhaus kam. Der Erbschaftsstreit in der Familie interessiert mich weder noch wundere ich mich darüber. Letztlich sind das Petitessen. Das Buch wird außerdem ohne Konsequenzen bleiben, da Trumps Anhänger da, wo man einen moralischen Kompass haben sollte, eine Leerstelle haben.



Ich nehme jetzt jeden Morgen meine Espressokanne, einen Gaskocher und eine kleine Flasche mit Milch mit ans Meer, kaufe mir auf dem Weg ein Croissant und trinke dann meinen Morgenkaffee am Strand, nachdem ich eine Runde geschwommen bin. Eine der jungen Frauen, die mir fast jeden Abend dort mit ihren Hunden begegnet sind, war heute früh auch unterwegs, und ich sprach sie an. Artemis. Nach einer Weile Englisch begann sie akzentfreies Deutsch zu sprechen. Woher kommt‘s? Sie ist Deutschland geboren, die Mutter ist Deutsche, der Vater Grieche.



Weil vor dem Nachbar-Apartment momentan der Putz der Terrassensäulen ausgebessert wird, habe ich mich heute nach langer Zeit wieder mal unters Dach zurückgezogen, für meine Stunde Meditation und Yoga. Dort lag das Buch eines tibetischen Lamas, das ich aus Schweden mitgebracht hatte. Ich öffnete es nach dem Zufallsprinzip und las. Verrückterweise ging es genau um das Thema, das mein Leben hier in den letzten Tagen etwas vergiftet hat. Sofort zog ein großer Frieden in mein Herz ein. Es ganz einfach sein lassen, mich in die Konflikte hineinzusteigern, die mich so aufgewühlt haben. Damit aufhören, andere zu beurteilen und zu kritisieren, böse Dinge über sie zu denken und zu sagen. Ich brauche niemandem mit gleicher Münze zurückzuzahlen. Das Gefühl, ungerecht behandelt worden zu sein, das mich in den letzten Tagen gequält hat, wird davon auch nicht besser. Das heißt nicht, dass man Ungerechtigkeiten generell nicht zur Sprache bringen soll. aber man sollte es für andere tun, nicht nur für sich selber.



Habe "Brooklyn" von Colm Toibín ausgelesen. So genau in der Beobachtung der Details, so fein die Gefühlsstimmungen einfangend. Entwicklungsschichte, Gesellschaftsroman und Erzählung über ein klassisches Dilemma. Am Ende ist man als Leser über die Entscheidung der Hauptperson erleichtert, obwohl eine grundtiefe Traurigkeit bleibt. Die Verluste, die das Leben mit sich bringt.



Keine Kommentare:

Lesbos 13/12 2021

Am Morgen wachte ich zum Plätschern des Regens auf. Machte mir Kaffee, schmierte mir Brote, packte eine Portion gesalzene Oliven in den Ruck...