Freitag, 3. Juli 2020

30. Juni -

2020/06/30 07:01

Spät ins Bett und früh wieder raus. Die wunderbaren Morgenstunden, das Vogelgezwitscher, das Guckuu der Tauben. Diesen letzten Monat auf der Insel möchte ich auskosten. Vorgestern hatte ich einen totalen Einbruch oder Absturz. Las stundenlang in der New York Times, scrollte endlos auf Instagram, getrieben von diesem Jucken, dieser dumpfen Rastlosigkeit. Was gibt es Neues? Wieder irgendwelche Hiobsbotschaften von der Trump-Front. Wieder höhere Corona-Zahlen. Noch ein haarsträubender Twitter-Eintrag. Noch mehr willentliche Bosheit, Dummheit, Ignoranz. Und wieder die schier unerträgliche Wartezeit bis zur nächsten US-Wahl. 

Ich habe momentan vier verschiedene Bücher daliegen, die ich gleichzeitig lese.

Außerdem die Lettre, die ich wie jedes Mal auf meine Reise mitgenommen und dann doch nicht (kaum) gelesen habe. Gestern las ich noch einmal den Einführungsartikel von Marcus Quent, einem jungen Philosophen (Obacht: Neid!), der vom Altern handelt (dem körperlichen und dem unkörperlichen, und sie fallen zeitmäßig nicht zusammen). Sein Gedankengang ist initiiert von der Lektüre von Celines "Reise ans Ende der Nacht" und geschult an der kritischen Theorie Adornos. Wunderbare Sätze: "Der Wille zur Konservierung eines makellosen Körpers ist das sichere Zeichen für den Eintritt des unkörperlichen Alterns. Jugend ist keine Eigenschaft des Körpers, sondern Ausdruck einer unterschiedslosen Liebe.". Und was ist das für eine Liebe? "Auch dort, wo die Welt unerträglich ist, wo sich Verachtung ausbreitet und uns in ihren Kreislauf hineinzieht, müssen wir die Welt lieben, die ganze, ohne Unterschied." Diese Liebe, so schreibt Quent, ist keine Verdrängung oder Verleugnung des Negativen, sondern ein affirmatives Mittel des Widerstands. So wunderbar und elegant führt er die kritische Theorie und die Essenz des Buddhismus zusammen. Wir dürfen, ja, wir MÜSSEN sogar, lieben. Die ganze Welt. Darüber hinaus gibt es nichts. Natürlich ist das ja auch die Essenz des Christentums, allerdings in der Geschichte oft missachtet.


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