Freitag, 3. Juli 2020

25. Juni -

2020/06/25 23:56

Ich habe das Gefühl, als hätte ich seit vielen Tagen nichts geschrieben, aber es war erst gestern.

Sitze auf dem Bett, eigentlich müde, will aber noch ein paar Sachen festhalten.

Es geht ein starker Wind, die Katzen sind draußen. Ich habe heute damit angefangen, gewisse Probleme, die ich beim Malen habe, anzupacken. Jeden Tag ein neues Thema. Heute: Steinwände und -mauern.

Ein alter Mann, der mir auf meinem Weg zum Meer täglich begegnet, flößt mir ein etwas unbehagliches Gefühl ein. Heute stand er neben dem Tor, in das ich einbiege, um zum Meer hinunter zu fahren. Ich war unruhig, er würde mir folgen und dankbar, dass ein paar Menschen am Strand waren, aber er kam nicht. Es ist vielleicht nur Einbildung. Das Seltsame ist, dass er meinen Gruß nie entgegnet, mich aber immer eindringlich anschaut. Vielleicht hat er mein Grüßen als eine Einladung, eine Aufforderung verstanden, vielleicht habe ich irgendeine Geste gemacht, die in seinen Augen eine doppelte Bedeutung hat? So komische Gedanken muss man sich als Frau machen. Seit ich hier bin, habe ich die Tür nie abgeschlossen, auch in der Nacht nicht, heute dachte ich kurz daran, ob ich vielleicht damit anfangen sollte. Idiotisch. Es ist sicher nur Einbildung.

Habe im Garten jetzt damit angefangen, um die Büsche herum aufzuräumen. Olivenschösslinge und kleine Terpentinpistazien siedeln sich dort an. Eine war schon einen Meter hoch gewachsen. Ich habe sie abgesägt, im vollen Bewusstsein dessen, dass sie wieder nachwachsen wird.

Der alte Mann von der Tankstelle geht jeden Abend mit einer Gießkanne zu seinen Pflanzen. Er hat auf der anderen Seite der Straße eine kleine Bepflanzung angefangen, vor einigen Jahren schon, und jetzt pflegt er sie täglich. Wie viele Betriebe ist auch die Tankstelle ein Familienunternehmen. Drei Generationen arbeiten dort. Der mittlere der Männer, Sohn des alten und Vater des jungen, hat gestern mit einem Besen den Straßenrand gefegt, mindestens hundert Meter, inklusiver der kleinen Brücke, die über das (meist ausgetrocknete) Flussbett geht. So ist es, wenn man sich tagein, tagaus an derselben Stelle aufhält: man fängt an, Verantwortung dafür zu übernehmen, es macht einem was aus, wenn es verkommt. Man gestaltet, lässt sich etwas einfallen, worum man sich kümmern kann.

Habe in den letzten Tagen den Schuppen ausgeräumt und sauber gemacht. In der unerträglichen Hitze zwang ich mich heute, wenigstens fünf Minuten am Schuppen zu arbeiten. Mit einem kleinen Besen fegte ich alle Balken ab. Als die fünf Minuten vergangen waren, machte ich weiter. Ich räumte alles bis auf ein paar Kleinigkeiten wieder hinein.

Beobachtete einen Skorpion, der aus dem Schuppen-Gerümpel hervorkroch und einen neuen Unterschlupf suchte. Der nach oben gebogene Schwanz mit dem Stachel. Ich stupste ihn mit einer Tonscherbe am Schwanz an, weil ich sehen wollte, wie er sich bewegt, und er flitzte so schnell über die Mauer auf mich zu, dass ich erschrocken zurückwich. Tödlich sind die Stiche der Skorpione wohl nicht, aber auch nicht angenehm.

Ich habe heute das Fernglas geholt, das unter dem Dach war, um mir die Vögel näher anschauen zu können. Wir haben ein Vogelbuch da, in dem ich den Vogel mit dem weckerähnlichen Ruf finden müsste. Das Fernglas habe ich von meinem Vater bekommen, ein Jahr vor seinem Tod, es war sein eigenes, noch aus den sechziger Jahren, und ich sehe ihn jetzt vor mir, in Wanderkleidung, das Fernglas um den Hals.

Die Deutsche Bahn hat heute (nach zwei Monaten) auf eine Mail von mir geantwortet. Es ging um eine Erstattung wegen Corona. Für die gebuchte Hinreise Malmö-Kopenhagen Ende April hatte ich bereits problemlos einen Gutschein bekommen und dann angefragt, ob es aus Kulanzgründen möglich wäre, auch die Rückreise erstattet zu bekommen, da ich ja nicht zurückfahren könne, wenn die Hinreise nicht stattgefunden habe. Eigentlich hatte ich mir nicht sehr viel Hoffnung gemacht und war deshalb hoch erfreut, als mir heute ein Gutschein über 68 Euro zugesendet wurde, einzulösen bis Juni 2023. Das Wort "Kulanz" ist schön. Auf Schwedisch existiert es meines Wissens nicht.

Müde. Es ist schon wieder nach Mitternacht. Ich schlafe schon seit einigen Tagen ohne Bettdecke, nur mit dem leeren Bettüberzug.


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