Dienstag, 21. Juli 2020

14. Juli -

2020/07/14 17:20



Schlief schon um 22:00 ein, wachte um 3:00 auf, lag im Bett und las Kazuo Ishiguros "The Buried Giant". Es war kühler, und ich hatte das große Fenster geschlossen. Die Katzen waren auch hereingekommen und lagen auf dem Bett. Machte das Licht wieder aus, wieder an, wieder aus. Schlief dann bis Viertel nach acht. Kein Morgenbad, weil ein Handwerker angekündigt war, der die Warmwasseranlage des Hauses anschauen wollte und dazu über meine Leiter Zugang zum Speicher brauchte.



Machte mich gleichzeitig daran, den Kühlschrank wieder abzutauen. Kochendes Wasser in einen Topf, den ich dann hineinstellte. Das Knacken, das Tropfen. Mein Arzt aus Schweden rief an und bestätigte, dass meine Schilddrüsenwerte normal seien. Anfang September neue Proben, dann in Schweden. Er habe im August Urlaub, wisse aber noch nicht, ob er nach Lesbos fahren werde. Dann ein Tipp, wie ich mich am Flughafen Kastrup verhalten solle: Am besten das Zugticket schon vorher kaufen. Bei dem deutschen Pass ist ja nicht sicher, ob mir überhaupt irgendwelche Fragen gestellt werden.



Vergebliche Suche nach meinem BH. Solche Sachen machen mich wahnsinnig. Ich habe nur einen (fadenscheinigen) BH hier, den ich anziehe, wenn ich ins Dorf fahre, und er verschwindet regelmäßig. Nachdem ich an allen Orten geschaut hatte und er nicht aufgetaucht war, zog ich ein T-Shirt unter meine weiße Bluse. Natürlich viel zu warm. Die Aufgabe des Tages: Den Fischer finden.



Seit Jahren hat U vom "Fischer" gesprochen, wenn von den Katzen die Rede war. "Die gehen zum Fischer." Dabei hatte sie vage in die Richtung jenseits des Zauns gedeutet, aus der die Katzen oft auftauchen und in die sie oft verschwinden. Ich war ein paarmal im Winter (wenn sonst niemand hier war) an einer passenden Stelle über den Zaun gestiegen und hatte mich umgeschaut, aber ich war nie besonders weit gekommen. Vor ein paar Tagen habe ich U noch einmal gefragt und eine Wegbeschreibung bekommen



Nach mehreren Versuchen und mehrmaligem Fragen nach dem "Fischer Lucas" hatte ich tatsächlich den richtigen Weg eingeschlagen, denn es zeigte sich, dass der glatzköpfige Mann, der mir auf einem Moped entgegenkam, ein paar Müllbeutel am Lenker, tatsächlich der Mann war, nach dem ich suchte. Er sei gerade auf dem Weg zur Bank, sagte er, verdutzt, dass ich mit ihm reden wollte. Später, rief er im Weiterfahren. Wann? In zwei Stunden. Oder hatte er gesagt "in einer Stunde"? Oder vielleicht "um zwei Uhr"? Ich wusste eigentlich gar nicht genau, was ich ihm mit ihm reden wollte. Ich hatte mir immer vorgestellt, dass er die Katzen vermisste und erleichtert wäre, wenn er wüsste, dass sie oft bei uns sind. Außerdem wollte ich ihm vorschlagen, etwas zum Katzenfutter beizusteuern für die Zeiten, wenn wir nicht hier sind, aber ich wusste nicht, ob das wirklich eine gute Idee war. Nach einem "Club-Sandwich" und einem Mineralwasser im Dorf (erledigte ein paar Mails und Bankangelegenheiten) machte ich noch einen Versuch und kam (nach nochmaligen Nachfragen) an sein Haus. Das Moped stand davor. Der Pick-Up mit den Styroporkisten für die Fische war in der offenen Garage. Vor dem Eingang hing ein Käfig mit einem kleinen Vogel. Zwei Hunde, ein kleiner und ein großer, tauchten auf. Der kleine kläffte ein bisschen, der große kam auf mich zu und begrüßte mich freundlich. Ein Grill, dem man ansah, dass er oft benützt wurde, stand neben der Treppe, die zur Terrasse führte. Ich rief ein paar Mal. Die Tür war offen, ein Fliegenschutz bewegte sich im Wind, aber ich bekam keine Antwort, also fuhr ich wieder. Kaufte eine riesige Wassermelone und endlich eine Spülbürste im kleinen Laden auf dem Weg, radelte nach Hause. Ass Wassermelone auf den Stufen vor dem Haus und legte mich dann wieder aufs Bett - müde, erschöpft, müde. Erlaubte mir, erschöpft und müde zu sein, schlief ein und träumte, dass ich auf dem Bett lag und müde und erschöpft war. Dieser Traum war ein wenig durchzogen von Spuren des Buchs, das ich gerade lese und in dem ich zwischendurch weiterlas. Kochte mir dann eine Kanne Kaffee, die ich mit einer meiner Nachbarinnen teilen konnte. Kaffee so spät am Tag ist immer ein Risiko, aber ich hatte das Gefühl, ohne Kaffee überhaupt nicht funktionsfähig werden zu können.



00:01



Schon ein Abschiedsschmerz. Und das Gefühl, dass ich meine Erwartungen an mich enttäuscht habe.



Die Katzen haben Vertrauen gefasst, sind zutraulich geworden. Und dann muss ich die Tür wieder zuschließen, sie wieder hinausschicken. Und doch, es gibt den Fischer, sein Haus, es gibt diesen Mann wirklich. Das Leben, das sie hier haben, ist eine Art Kuraufenthalt, Urlaub vom griechischen Katzen-Alltag.



Brachte es nicht fertig zu schreiben, dachte aber daran. Kämpfe mich weiter durch den begrabenen Riesen. Das Malen ist plötzlich ganz weit weg.



Muss einen Kamm kaufen für Punxys Fell, das ganz zottig wird. Jetzt die Fenster in den Flügeltüren auch geschlossen, nach all den Wochen, in denen ich verzweifelt alles öffnete, was zu öffnen ging, und trotzdem keine Linderung.



Morgen den Tisch streichen.



Fuhr gegen Abend nochmal zum Haus des Fischers. Obwohl ich nicht näher ging als bis zur Treppe, fühlte ich mich plötzlich wie ein Eindringling. Er lebt sein ganzes Leben so wie ich hier die ersten vier Monate. Die letzten zwei Wochen sind mir übrigens zu viel geworden. Ich habe meine Tage nicht mehr richtig genießen können. Es ist schlimmer, von Leuten umgeben zu sein, an die man nicht herankommt, von denen man sich kritisiert oder misstrauisch betrachtet fühlt, als alleine zu sein. So wie der Fischer leben, in einem eigenen, verschrobenen Reich. So im Nachhinein kann ich mich fragen, woher die junge Frau im Tui Reisebüro ihn kannte und wusste, wie man zu ihm kam. Inselwissen.



Ich kam an einer Gänsefarm vorbei. Die Gänse waren frei, es gab kein Zaun, der sie einsperrte. Sie wählten, sich in einem Pool zu tummeln. Poolparty. Diese ganzen Mikrokosmen. Wohin man auch geht. Es gibt überhaupt keine einfache Version der Wirklichkeit. Das Tempo immer weiter zurücknehmen, die Radien immer mehr verringern, bis man im Schneckentempo über ein winziges Stück Erde kriecht und alles genau betrachtet.



Interessant, dass das Erste, was Touristen tun, wenn sie an ihrem Ziel ankommen, ist, sich ein Mietauto nehmen, um von dort wieder wegzukommen.



Nach meinem Abendbad 25 Minuten Unkrautjäten unter dem Mandarinenbaum. Eine stille, zufriedenstellende Arbeit. Dann selbst gezogener Salat mit Tomaten, Feta, Wassermelone. Ein Kartoffelfladen. (Auf der Terrasse.)



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