Dienstag, 17. März 2020

Covid-19-Alltag auf Lesbos X (16.März)

Gestern dann die Nachricht, dass Deutschland die Grenzen zu Österreich, Frankreich und der Schweiz schließt. ZDF-Nachrichten bei U und I. Sie hatten den kalten Tag in ihren Schlafsäcken im Wohnzimmer verbracht, ich hatte mich zumindest zu meiner einstündigen Spaziergeh-Runde aufgerafft. Wenn ich mir die Natur anschaue, die im Moment ihre Lebenskraft wieder demonstriert, bin ich froh, dass wir keine Chernobyl-Situation haben, die auch die Tiere und die Pflanzen bedroht.

Meine Familie ist nach Hause gekommen und muss sich doch nicht in Quarantäne begeben - sie waren zweihundert Kilometer vom Risikogebiet entfernt. Auf WhatsApp schicken sie sonnige Frühlingsbilder von einem Sonntagsspaziergang am Tegernsee mit Eis am Stiel.

Zu Abend esse ich eine mit Schafskäsemasse gefüllte rote Paprika, Nudeln mit Petersilie und Knoblauch und einen Broccolisalat. Trinke Retsina. Lese weiter im chinesischen Krimi, meinem dritten bisher.

Heute früh stand ich erst nach acht auf, nach einer unruhigen, traumreichen Nacht. Fuhr nach dem Frühstück zur Kooperative bei der Olivenpresse, um einen größeren Einkauf zu machen. Katzenfutter, einen ganzen Ladotiri, Mehl, Haferflocken, Milch, Joghurt, Rosinen, Honig, Wein, Salz, Zimt. Ein alter Mann wartete vor dem Eingang des Geschäfts, bis ich meinen Einkauf beendet hatte. An einem Obstwagen beim Dorfeingang kaufte ich ein Kilo Äpfel. Bis auf laufende Gemüseeinkäufe bin ich jetzt ganz gut ausgestattet.

Bei der Bank bekam ich kein Geld, weil ich keine griechische Steuernummer habe. Ich habe aber von dem Konto öfter Geld abgehoben, sagte ich. Im Bankbuch ist zu sehen, dass ich eine Vollmacht habe. Das spielt keine Rolle, sagten sie. Sie könnten mir das Geld nicht geben. Neue Regeln. Etwas bedrückt fuhr ich nach Hause, gerade rechtzeitig für mein Gespräch mit A. Wir füllen die Lücken in der Erzählung. Jetzt kann er plötzlich ganz neue Details beitragen. Wir sind konzentriert. Innerhalb von einer Dreiviertelstunde kritzle ich acht A5-Seiten voll.

Per Mail der Bescheid, dass das Tanzfestival Anfang Mai abgesagt wird. Außerdem sehe ich, dass mein Flug von Athen nach Kopenhagen am 2.April eingestellt wurde. Ich habe noch keine Mail dazu bekommen. Die Buchung vom 19.März ist schon verschwunden, ich habe aber keine Bestätigung erhalten, dass das Geld auf die Kreditkarte zurückerstattet wird. Wie lange werde ich hierbleiben müssen? Könnte ich über Stockholm zurückfliegen? P beruhigt mich: "Ich halte die Stellung. "Ihre Kurse werden jetzt auch abgesagt. Einkommmenseinbrüche. Wie sollen wir das schaffen? Denke an den zweiten Weltkrieg, die sogenannte "schlechte Zeit". Am Dorfeingang verkauft ein Mann von einem Lastwagen große Säcke mit Kartoffeln und Zwiebeln.

Unter dem Dach auf meinem Meditationskissen sitzend arbeite ich am A-Text, halte mich lange an einfachen Formulierungen auf. Zum Mittagessen Linsensuppe, die ich vorgestern gekocht habe, und geröstetes Brot mit Olivenöl und Ladotiri. Es ist kalt draußen, obwohl die Sonne scheint. Ich esse im Haus.

Später schreibt P, dass sie sich schlecht fühlt. Sie hat angefangen zu husten und hat einen Druck auf der Brust. Außerdem ist ihr schwindlig. Kein Fieber, aber es ist ihr kalt. Ich hoffe, dass es nur eine Erkältung ist oder eine mentale Geschichte. Gestern, als ich bei meinem Spaziergang bergauf ging, bildete ich mir ein, dass ich Atemnot hatte.

Ein sonniger, aber windiger Spaziergang zum Drachenberg. Setze mich auf einen Stein und male die Felsen, die Bewachsung, den Himmel. Eine schöne Stunde. Ich öffne den kleinen Kapellenschrein im Felsen, schaue mir die Marienbilder an, rieche an den Weihrauchklumpen, untersuche die verschiedenen Lichthalter. Gehe zurück, überwältigt von dem saftigen Grün, das jetzt überall dominiert. Und die Lämmer, die ihre Sprünge machen, als wären sie mit reiner Lebensfreude angefüllt.

An Giorgos schrieb ich eine WhatsApp-Mitteilung, dass mir nicht nach Gesellschaft sei. Ihm auch nicht. Wir bleiben beide zu Hause und arbeiten. Ohne die Katzen wäre es ein wenig einsam. Sie bringen Wärme ins Haus.

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