Dienstag, 17. März 2020

Covid-19-Alltag auf Lesbos, IIX (13.März)


Am Morgen um sieben Uhr aus dem Haus gegangen. Eine klitzekleine Runde. Zurück nach Hause und geduscht. Kaffee, Frühstück. Meditation. Blog-Update. Eine neue Info bringt mich aus meinen Routinen und auch eine Mail von einer Freundin in R. Ihre Mutter ist gestorben. Ich schreibe eine lange Mail. Versuche damit fertig zu werden, dass ich meinen Flug einen Tag zu früh gebucht habe. Jetzt kann man kostenlos umbuchen. Versuche mehrmals Aegean zu erreichen, um entweder eine Erstattung zu bekommen oder einen Flug für den Herbst zu buchen (spätestens 20.Oktober), aber vergeblich.

Feile am A-Text, halte mich mit Kleinigkeiten auf und komme aber nicht weiter. Mittagessen draußen in der Sonne: Champignons und Salat, Kartoffeln. Rote Ratten ausgelesen von Xiao Qiutxxx, leider wieder nicht genau verstanden, wer es war. Korruption ist kompliziert. Später nochmal versucht, bei Aegean anzurufen, nicht durchgekommen. Dann entdeckt, dass von meinem Konto 3500k abgezogen wurden. Ich bin völlig durch den Wind. Die Saalmiete von Stockholm, natürlich. Ich hatte vergessen, dass ich die Hälfte schon erstattet bekommen habe, meine Geldrechnung gestern stimmte also nicht. Dieser Monat war wahnsinnig teuer. Solange ich nicht weiß, wie viel der Zahn mich kosten wird, kann ich auch nicht richtig planen.

Muss mich losreißen von all den trüben Gedanken. Es ist so warm, dass ich meine Badekleider mitnehme und zum Meer fahre. Dort mache ich erst eine missglückte Skizze, dann eine, die zwar nicht besonders gut ist, mich aber doch mehr befriedigt: ein Steinkreis am Delphinia-Strand. Spaziergänger sind unterwegs, die den Strand entlang laufen. Vielleicht sollte das mein Morgenspaziergang werden. Ein junger Hund kommt zu  mir gelaufen, als ich auf dem Boden sitze und den Klee vor mir zu malen versuche. Er schnuppert erwartungsvoll herum. Sein Herrchen sitzt auf dem Steg und ruft ihn zu sich.

Kaufe Lebensmittel im kleinen Laden in der Nähe vom Strand und rede mit der Besitzerin, die an der Kasse sitzt und auf den Fernseher schaut. Ihre Kinder sind jetzt tagsüber zu Hause, weil die Schule geschlossen ist. Der Unterricht wird auch nicht übers Internet fortgeführt. Man zieht in Erwägung, die Osterferien stattdessen ausfallen zu lassen.

In Schweden sind alle kulturellen Veranstaltungen abgesagt, schreibt P. Wir wissen nicht, ob wir unsere Opernkarten zurückerstattet bekommen.

Zurück zu Hause, sitze ich eine Weile auf der Terrasse, zum ersten Mal, seit ich hier bin. U kommt und lädt mich für morgen zum Essen ein.

Meine Geschwister sind jetzt mit meiner Mutter nach Österreich gefahren, während der Rest der Reisegesellschaft abgesagt hat. Sie schicken ein Bild, auf dem sie mit Aperol in die Kamera prosten. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Gesunder Menschenverstand oder unverzeihlicher Leichtsinn? Eine unserer Kusinen schreibt, dass sie momentan ihren krebskranken Vater nur einzeln im Krankenhaus besuchen können und jeder höchstens eine Stunde.

Von Giorgos habe ich die ganze Zeit nichts gehört, habe ihn auch nie im Alte-Männer-Café sitzen sehen. Es ist überhaupt leer dort. Die Griechen halten sich zuhause. Geht es wirklich, den Virus auszusitzen? 

Trump ruft in den USA den nationalen Notstand aus. In den Leserkommentaren schlägt jemand vor, dass China Schadensersatz bezahlen soll an alle Länder, die vom Virus betroffen sind. Jemand anderer stellt die Frage, wann es dazu kommt, dass wir die Alten und chronisch Kranken sterben lassen, damit wir die Jungen und Gesunden retten können.

Abends noch den Anas-Text weitergetrieben. Bin in der Mitte. Es gibt noch viele Lücken, die ich füllen muss.

22:10 und ich gehe ins Bett.


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