Montag, 30. März 2020

Coronavirus-Alltag auf Lesbos XX (28.März)


Ein eiskalter Tag, der kälteste seit meiner Ankunft. Sogar zum Putzen war es zu kalt (Teppiche nach draußen bringen, ausschütteln etc.). Aus einem Spaziergang wurde auch nichts. Ich habe die falschen Kleider mitgenommen, schon vor über drei Wochen.

Mein Tanzworkshop im Internet stößt auf großes Interesse.  Ich habe schon zwanzig Anmeldungen.

Meine Bilder auf Instagram sind momentan auch hoch im Kurs. Hab meinen zweiten repost von urban_sketchers gekriegt. Mein Bild von der Aussicht vom Haus hat dadurch über 1000 Likes bekommen. Ich habe irgendwie eine Aufgabe gefunden - detailreiche und wirklichkeitsnahe Illustrationen. Die Arbeit an den Skizzen absorbiert mich - kaum merke ich, wie die Stunden vergehen.

War nur einige Male kurz im Pavillon, wegen der Kälte - las Nachrichten, betreute die Haikugruppe. Die USA haben jetzt die meisten Corona-Fälle auf der Welt. Trump erwägt, die Epizentren des Ausbruchs (v.a. New York) unter "Quarantäne" zu stellen, v.a. damit die Leute nicht von dort woandershin fliehen, nach Florida z.B. Allgemeiner Aufschrei.

Renne immer mal wieder auf dem Weg zum Pavillon und zurück, um meine Kondition etwas zu verbessern und auch, damit mir wärmer wird. Am Vormittag Yin-Yoga. Die Klappe zur Dachkammer blieb auch heute zu. Es ist zu kalt gewesen. Dafür machte ich den extra Heizkörper am Nachmittag wieder für einige Stunden an.

Las weiter in Michael Ondaatjes Buch "Kriegslicht". Immer noch vermisse ich die Behaglichkeit meiner China-Krimis. Dieses Buch ist unheilvoller, zieht mich tiefer hinein, es beunruhigt mich mehr. Worum es eigentlich geht, ist nicht ganz klar. Das Erwachsenwerden eines Jungen in der Nachkriegszeit in London, nachdem seine Eltern ihn und seine Schwester in der Obhut eines "Mieters" (sie nennen ihn „Falter“) zurückgelassen haben, der halbkriminelle und halbseidene Menschen ins Haus bringt. Starke, schöne, suggestive Szenen. Interessante Charaktere. Ich weiß nicht, wann ich zum letzten Mal so ein gutes Buch gelesen habe, aber gute Bücher beunruhigen mich auch. Selten denke ich bei einem Buch, "so gut werde ich nie schreiben können". Hier schon, bei fast jedem Satz. Es geht nicht nur um die Sprache, sondern auch um die Wahrnehmung.

Schon wieder zu spät, und eigentlich eine Stunde später, weil in einer Minute die Zeit umgestellt wird.

23:59



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