Samstag, 21. März 2020

Covid-19-Alltag auf Lesbos XIII (19.März)


23:42

Es ist spät geworden. Ich habe lange am A-Text gearbeitet.

Heute wäre eigentlich der Tag, an dem ich nach Hause gefahren wäre. Wenn alles so gelaufen wäre wie geplant, würde ich jetzt am Flughafen in Athen sitzen und morgen früh nach Kopenhagen fliegen. Eine unbequeme Nacht würde vor mir liegen. Jetzt wartet ein warmes Bett auf mich.

Ging am Vormittag zum Teepavillon und beantragte auf der Aegean-Homepage Voucher für die stornierte Buchung. Redete später mit meiner Mutter am Telefon. Sie spricht vor allem von ihrem geschwollenen Bein und schwärmt von dem Wochenende am Achensee. Ich sage, du kannst ja hin und wieder zwanzig Minuten lang in deinem Flur auf und ab laufen. Ja, sagt sie, ich kann froh sein, dass ich einen so langen Flur habe.

Zum Mittagessen Salat, Spiegeleier und Brot mit Olivenöl und Ladotiri-Käse. Giorgos schreibt auf WhatsApp: Ich halte mich an die Ausgangsregeln und bleibe zu Hause. Hast du alles, was du brauchst? Ich antworte, dass ich alles habe und einmal am Tag einen Spaziergang in der Natur mache. Er schickt mir ein griechisches Glücksauge.

Gehe nochmal zum Teepavillon, um einen neuen App auf den IPad zu laden, den mein Bruder vorgeschlagen hat, damit wir ein Familiengespräch führen können. Schaue mir Merkels Rede "ans Volk" an. Die Lage ist einfach beängstigend. Hinterher mache ich mich mit meinem Sketchbuch auf eine Runde zum Strand und gehe dann über den Hügel zurück. Am Strand sitze ich lange auf einem wettergegerbten Holzbalken und zeichne den Sand, die Steine, den Balken. Es wird kalt, als ich mich auf den Heimweg mache. Wie gestern komme ich ins Abendrot hinein. Der rosalila Himmel. Das Licht, das rot von den Zweigen der Bäume reflektiert wird.

Zum Abendessen bekomme ich gebratene Pilze und Linsen und einen Salat aus geriebenen Mohrrüben und Apfel, dazu ein Glas Retsina, später eine Tasse Kamillentee mit Zitronengras. P ist enttäuscht und wütend, weil die Frau, die ihr Marimekko-Kleid ersteigert hat, nicht bezahlt hat. Sie behauptet, dass sie arbeitslos geworden ist und gerade kein Geld hat. Warum hat sie dann den Preis in die Höhe getrieben? Ich habe auch keine Antwort, verstehe Ps Enttäuschung. Wir unterhalten uns über verschiedene Probleme, die jetzt aufgrund der Viruskrise in unserer Wohngesellschaft entstehen. Vielleicht könnten wir die Jahresversammlung virtuell abhalten? Und für den gemeinsamen Arbeitstage Aufgaben verteilen, die jeder je nach Belieben erledigen kann? Ich sage streng zu P, dass sie nicht einkaufen gehen soll, wenn sie Husten hat und sich etwas krank fühlt. Was gibt es daran nicht zu verstehen?

Ich frage mich, wie lange ich meine Situation hier als Luxus sehen kann, ob mir irgendwann die Decke auf den Kopf fällt, ich die Spazierrunden satt haben werde.


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