Montag, 30. März 2020

Coronavirus-Alltag auf Lesbos XVIII (25.März)


Träumte heute Nacht: Ich war „irgendwo“ (wie so oft in meinen Träumen). Begegnete einer Gruppe in einem Minibus und fragte, ob ich bei ihnen mitfahren könnte. Ich setzte mich neben den Mann in der ersten Reihe und wir fingen an, uns zu unterhalten. Da fiel mir plötzlich die Sache mit dem Virus ein. Es war sehr unvorsichtig von mir gewesen, in diesen Bus zu steigen. Aber wie würde ich jetzt aus der Situation wieder rauskommen, ohne unhöflich zu wirken?

Wachte aus dem Traum auf, der mein erster Alptraum mit Corona-Bezug war. Ich war gestern in voller Kleidung und bei voller Beleuchtung auf dem Bett eingeschlafen, völlig unfähig aufzustehen und mich fürs Schlafengehen fertigzumachen. Nach mehr als einer Stunde zwang ich mich dann dazu. Putzte die Zähne, zog meine Nachtkleider an. Zog die Überdecke ab, kroch unter die Bettdecke. Am Morgen dann schien es mir völlig unmöglich, aus dem Schlaf wieder aufzuwachen. Ich lag wie erschlagen im Bett.

Las eine Beschreibung des Alltags einer Frau, deren Mann an Coronavirus erkrankt ist. Die 16jährige Tochter ist von der Schule beurlaubt und kommt nach Hause. Die Frau schläft schon auf dem Fußboden in einem separaten Zimmer. Der Mann hat sein eigenes Badezimmer, in das er sich schleppt. Der Alltag des Reinigens, Waschens, Desinfizierens, Händewaschens. Völlig unvorstellbar.

In New York verdoppeln sich momentan die Coronafälle in dreitägigem Rhythmus. Trotzdem will Trump an Ostern die Einschränkungen wieder aufheben - Todesfälle in Kauf nehmen, um die Wirtschaft zu retten. Kann niemand diesen Mann ganz einfach an seiner Krawatte wegführen? Verdummung der Dummen durch einen Dummen - und die Welt ist dazu verdammt zuzusehen.

Prinz Charles hat sich angesteckt. Und wahrscheinlich hat er selber auch andere angesteckt. In Großbritannien werden Freiwillige für den NHS gesucht. 170.000 haben sich innerhalb kürzester Zeit angemeldet. Eine Supermarkt-Angestellte in Italien ist jetzt am Virus gestorben.

Mein Haiku-Kurs ist im Gange. 9 Teilnehmer. Ganz über Erwartung.  

Denke über einen Tanzworkshop übers Internet nach. "Herz-Sutra"-Tanz.

Der körperliche Abstand zwischen Anna und mir wächst weiter. Jetzt winken wir uns nur aus weiter Ferne zu, recken die Daumen in die Höhe. Aus dem Dorf wird über die Lautsprecher griechische Musik gespielt - vielleicht zur Aufmunterung der Bewohner. Sie muntert jedenfalls mich auf.

Es geht immer noch ein kalter Wind - zum Mittagessen ging ich aufs Nachbargrundstück und setzte mich vor das Haus, geschützt gegen den Wind durch eine kleine Mauer. Las ein paar Seiten in meinem chinesischen Krimi. Ich saß in einem Sonnenfleck. Entspannend.

Den Nachmittag unter dem Dach verbracht, mit dem A-Text. Dann Mittagessen: dicke Bohnen in Tomatensoße, Schafskäse, Krautsalat von gestern. Mein chinesischer Krimi verschwand vom Tolino und ich musste eine umständliche Aktion starten. Lief mehrmals zwischen Teepavillon und Haus hin und her. Restart mit Hilfe eines Nagels aus dem Werkzeugkasten. Schließlich das Buch erneut ausgeliehen und draufgeladen. Dann war alles wieder gut. Es wurde unangenehm kalt plötzlich. Ein eiskalter Wind.

Begann mit einem Sketch, musste aber unterbrechen, weil ich mehrere Termine hatte. Ein Vortrag und Workshop über "Sacred Space" mit Artie Wu, der aber ständig einfror, nicht nur bei mir, sondern auch bei den anderen Teilnehmern. Schade, denn ich mag seinen Stil. Unterbrach den Vortrag und schaute mir einige Videos mit Tips zum Malen mit Wasserfarbe auf Youtube an, um die Zeit zu überbrücken, bis es Zeit war für meinen Mahamudra-Kurs. Dann der Kurs, der eine halbe Stunde später anfing als angekündigt und mich sehr ermüdete. Bei mir ist es ja außerdem eine Stunde später als in Schweden. Ich hatte zwei Hosen übereinander und war in eine Decke und einen Schal eingehüllt.

Jetzt wieder zu Hause, habe Knäckebrot mit Käse gegessen und einen Schluck Whisky getrunken. Schmerzen im Handgelenk, irgendeine Entzündung.

Schluss für heute. 23:17



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