Mittwoch, 29. April 2020

XXXVIII - (25.April)


2020/04/25 20:04

Die Lehrerin des Aquarellkurses: eine junge Frau japanischer Abstammung, die in Argentinien lebt. Etwas an ihrem Gesicht fasziniert mich: Es ist auf den ersten Blick völlig unbeweglich, drückt aber viele Emotionen aus, oft sogar gleichzeitig, z.B. Traurigkeit und kindliche Freude. Die Übungen sind einfach, das ist auch für mich tröstlich und besänftigend. 

Heute ist mir zum ersten Mal aufgefallen, dass ich Angst vor dem Moment habe, wo die Ausgangsbeschränkungen wieder aufgehoben werden: zurück ins normale Leben. Ich schaute heute interesshalber nach, ab welchem Datum Flüge nach Kopenhagen gehen, aber es ergriff mich gleich der Widerstand. Ich möchte nie mehr weg von hier, nie mehr in ein Flugzeug steigen, nie mehr in einer Abflughalle stehen. Ich möchte nie wieder zurück in das Leben, das ich in Malmö zurückgelassen habe. Ich habe Angst davor, dass meine Zeit hier einfach aufgesogen wird vom Alltag, von meinen (oft schlechten) Gewohnheiten. Ich möchte immer hier sitzen, an diesem Tisch, mit dem Blick auf die Berge und auf den Sonnenuntergang, und am Morgen mit einer Tasse Kaffee auf dem Bett griechische Phrasen plappern, vor dem Haus Tänze üben, mit dem Fahrrad zu Theodosos einkaufen fahren. Ja, warum eigentlich nicht.

Giannis kam heute um neun mit Auto und Abhänger rückwärts den Abhang hochgefahren.  Nach zwei Stunden konzentriertem Beschneiden des Baums wollte er 20 Euro von mir haben. Er sah fast schuldbewusst aus, als er das sagte. Ich gab ihm 30. Fragte, ob er sich vorstellen könnte, sich um den Garten zu kümmern, wenn wir nicht hier sind. Er sagte zu, was P, deren Idee das Ganze war, sehr beglückte. Vangelis kam später an und verlangte für Rasenmähen, Zusammenrechen und Wegfahren 65 Euro. Das kam mir dann wiederum unverhältnismäßig viel vor. Andererseits hat er auch den Schlauch der Bewässerungsanlage geflickt, dafür Reserveteile besorgt. Die Mähmaschine ist gemietet und läuft mit Benzin, da fallen natürlich auch Kosten an. P schlug vor, ich sollte mir von Dino, dem Steuerberater, eine Steuernummer geben lassen, um an ihr Bankkonto zu kommen. Warum schreibe ich das alles? Weil meine Datei "Braindump" heißt. Notizen ohne Wert.

Als Giannis fertig war mit dem Beschneiden, fragte ich ihn, wie es um den Olivenbaum bestellt sei. Ach, sagte er, der wird noch viele Besitzer sehen in seinem Leben. Er gebe ihm noch 600 Jahre. Hingegen konstatierte er den endgültigen Tod der Terpentinpistazie vom Nachbargrundstück. Die muss gefällt werden.

Jedenfalls bin ich deshalb gestern nach dem Aufstehen zum Olivenbaum gegangen und habe ihn umarmt, meine Wange gegen seine Rinde gedrückt. Ich sollte es jeden Tag tun, dachte ich da noch, aber heute hatte ich es natürlich schon wieder vergessen.

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