Montag, 13. April 2020

XXXI - 12.April


2020/04/12 22:46

Abends. Ich muss versuchen, früher ins Bett zu gehen.

Gestern und heute sonnig, heute etwas kälter, windiger.

Die Tage schieben sich einfach weiter, einer den anderen, einer nach dem anderen.

Die Schreibkurse dünnen aus - Leute verschwinden. Was kann ich tun? Nichts.

Heute eine Fahrradtour nach Eftalou. Setzte mich dort auf eine Mauer, machte eine Blindzeichnung. Ging zum Badehaus der heißen Quelle, seit letztem Herbst außer Betrieb. Eine wilde Katze starrte mich an. Der Verfall - die Erinnerung an eine bessere Zeit: der Stuhl, auf dem Filippo immer saß und auf das Meer blickte. Die Erinnerung an die Stimmen der Frauen aus dem Inneren des Hauses, an Eleftherias freundliche Begrüßung, Umarmung. An die Massagen im ersten Stock, bei offenem Fenster, zum Geräusch der Wellen. Diesmal habe ich Eleftheria nur einmal gesehen, mit Mundschutz, aus der Ferne. Wir winkten uns zu.

Ich saß ein wenig vor dem Haus auf einem Absatz und schaute aufs Meer. Dachte an die Flüchtlingsboote, die man von hier sehen konnte und deren Ankunft mir die Tränen in die Augen trieb, an die Flüchtlingsströme, die ein paar Wochen lang täglich durch das Bad zogen. Aus dem Heißwasserpool blickte man auf die Füße der Leute, die gerade eben in Europa angekommen waren und noch nicht wussten, was sie erwartete. Das Gedränge auf der Straße, die Busse, die Frauen und Kinder zum Auffanglager brachten. Wie ich einmal in diesem Gedränge nach meiner Jacke suchen musste, die jemand aus einem Missverständnis heraus in der Umkleide mitgenommen hatte.

Jetzt saß ich ganz allein da und schaute aufs Meer. Ein winziger Ort, versteckt von der Welt. Und doch hat hier Weltgeschichte stattgefunden.

Ich radelte dann wieder zurück, vorbei an vereinzelten Ausflüglern. Irgendwo bellten Hunde wie verrückt, völlig außer sich. Gibt es jemand, der sich um sie kümmert? Die Leute wissen hier wohl, was ihre Nachbarn tun. Mich hier einzumischen kommt mir nicht angemessen vor. Die Sprache ist auch eine große Hürde.

Vielleicht fand heute eine Art Zäsur statt. Habe mein Telefon im Teepavillon gelassen. Versuche mich den Zeichnungen freier, leichter zu nähern. Eine Illusion von Wirklichkeit entsteht, wenn man die Wirklichkeit zeichnet. Genauso eine Illusion wie die Wirklichkeit selbst. Vielleicht liegt darin die Faszination von Zeichnungen, Malereien, der Verdoppelung dessen, was ist, was wir sehen können, was sich vor unseren Augen befindet.

Mein täglicher Kampf mit Caesarion, um ihm die Tablette einzuwerfen. Er starrt mich mit hilflosen Augen an, während ich ihn mit einem eisernen Griff im Nacken fixiere, ihm die Tablette ins Maul zwinge, dann seinen Hals entlangstreiche, um ihn zum Schlucken zu bringen.

Morgen muss ich Myrsini wegen Cleos Auge anrufen. Diese Dinge trüben meine Stimmung.



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