Donnerstag, 18. November 2021

Lesbos 4/11/2021

2021/11/04 13:21

Wachte um 5 Uhr auf, in meinem Zimmer, und sofort begann mein Hirn für die bevorstehende Reise zu planen. Was ich noch mitnehmen wollte, was ich alles in die paar Stunden hineinpressen musste, die ich hatte. Die Blumen-Lampen auf Timer umstellen. Gießen. Kopfhörer einpacken und eine Extra-Batterie für den Computer, der schon auf Lesbos ist. Den iPad und das iPhone aufladen, Shantis Medizin vorbereiten. Ich hatte mich für einen leichten Rucksack entschieden, aber am Ende hatte ich doch wieder zu viel Gewicht und beschloss, eine Jacke mit vielen Taschen mitzunehmen.

Kochte ein Ei, füllte kleine Metalldöschen mit getrockneten Früchten und Hanfsamen. Kochte Kaffee mit Kardamom.

Schaltete die Morgen-Raga ein und machte meine einfachen Yoga-Uebungen, die ich mit dem Bienen-Summen abschloss. Hinterher Wim Hof-Atmung. P kam mit ihrem Frühstück und hatte mir eine gefrorene Banane mitgebracht, für meinen Smoothie, was dazu führte, dass der Smoothie heute eher wie flüssiges Eis war und ich lange brauchte, ihn mir einzuflößen. Machte mir meinen Kurkuma-Shot.

Eigentlich hatte ich vor, das Zimmer zu staubsaugen, aber die Packerei dauerte dann so lange, dass ich nicht einmal abspülen konnte und die CD mit den Morgen-Ragas, in die ich mich in den letzten Tagen so verliebt hatte, dass ich sie mitnehmen wollte, in der Stereoanlage vergaß. Vergaß auch, die Stereo-Anlage auszuschalten.

Auf dem Hinterhof war gerade eine Umzugsfirma damit beschäftigt, Catarinas Wohnung auszuräumen, die einmal unsere Wohnung gewesen ist. Die Umzugsmänner kamen mit dem Schrank über den Hof, in dem damals unsere Blumentöpfe aufbewahrt waren und auf dem Bastet ihren speziellen Korb hatte, den sie über eine Kletterstange erreichte, die ich an der Wand angeschraubt hatte.

Ich ging los, hatte so viel Zeit, da ich kein Fahrrad nehmen brauchte, wenn ich einen schnellen Schritt anschlug.

Auf dem U-Bahnsteig wurde mir schnell klar, dass etwas passiert war. Ein Zug stand nur mit der Nase auf dem Bahnsteig, Leute gingen drum herum, beugten sich vor, um drunter schauen zu können. Eine Frau sah besorgt aus, ich dachte, vielleicht hätte sie ihre Tasche verloren, wäre es etwas Schlimmeres gewesen, hätte sie sicher nicht so ruhig dagestanden. Ein Mann mit einer gelben Sicherheitsweste stieg auf die Gleise und ging hinter dem Zug entlang, wo er anscheinend fündig wurde, was ihn dazu veranlasste, zu der besorgten Frau zu sagen, dass alles in Ordnung sei. Eine andere Frau sah ich, über deren Wangen Tränen liefen. Ich konnte mir aus dem Ganzen keinen Reim machen. Der Zug auf unserem Bahnsteig war wegen "Unfall" auch verspätet, und ich begann mir Sorgen zu machen wegen dem Flug. Noch mehr gelbe Westen kamen auf den Bahnsteig, die Passagiere verließen den betroffenen Zug und gleich darauf kam ein Alarm über die Lautsprecher. Wir wurden alle von einer Lautsprecherstimme dazu aufgefordert, den Bahnhof zu verlassen. Auf dem App des Verkehrsbetriebs keine Information. Ein Mann sagte mir, eine Frau sei vor den Zug gesprungen, sie sei etwa 30-35 Jahre alt gewesen. Vor dem Bahnhof waren einige Polizeiautos zu sehen,eine Ambulanz und ein Wagen der Feuerwehr. Ich sprach jemanden an, der einen Koffer hatte, ob er auch auf dem Weg zum Flugplatz sei, und schlug vor, dass wir uns ein gemeinsames Taxi nehmen konnten. Am Ende waren wir vier Personen, die uns ein Taxi teilten.

Der Taxifahrer, Kurde aus dem Irak, teilte seinen Kollegen mit, dass am Bahnhof Triangeln und Hauptbahnhof möglicherweise mehr Kunden abzuholen wären. Der Taxifahrer, den wir zuerst gefragt hatten, hatte den Preis von 840kr auf 1000kr erhöht, als er sah, dass wir zu viert waren, und wir zeigten ihm die kalte Schulter. Auf dem Weg zur Brücke überholte uns der Zug. Trotzdem wusste ich, dass die Entscheidung richtig gewesen war, den die Unruhe und Unsicherheit wären zu groß gewesen.

Beim Aussteigen am Flughafen bezahlte der Mann, der irgendwie die ganze Zeit als der "Leiter" aufgetreten war (und auch auf dem Beifahrersitz gesessen hatte), mit seiner Karte, und wir anderen drei (ein Mann auf dem Weg nach Helsinki, ein anderer auf dem Weg nach Italien, und ich, die niemand fragte, wohin sie auf dem Weg war) stellten uns in Reih und Glied auf, um ihm unseren Anteil zu geben. Ich machte mir gerade Sorgen, weil ich im Handy keinen Internetanschluss für die Bezahlfunktion bekam, da wünschte uns der "Leiter" mit einem Lächeln eine gute Reise und winkte ab.

Froh, innerlich dankbar ging ich ins Flughafengebäude. Versuchte mich zu orientieren. Holte mir eine Bordkarte, zeigte meinen Impfpass und meinen PLF, versicherte der Dame am Schalter, dass in meiner Schultertasche nur etwas zu Essen sei, ging zum Gate, verteilte alle schweren Dinge aus meiner Schultertasche auf die großen Taschen meiner Winterjacke: iPad, Batterie für den Computer, Äpfel, Metallbehälter für mein Trockenobst, den Pomera, den Plastikbeutel mit der Zahnpaste und der Tinte. Kein Problem beim Boarden. Der Rucksack hatte ordnungsgemäß seine Banderole, die bewies, dass er gewogen und für gut befunden worden war, meine Papiere stimmten, ich hatte einen Fensterplatz.

Las Bashos "The Narrow Road to the Dark North", absorbiert von der Ernsthaftigkeit, dem Ringen um Wahrheit, Echtheit, poetischen Ausdruck, der Liebe zur Armut. Schlief zwischendurch, aß das Mini-Baguette, das ausgeteilt wurde, trank Wasser und Apfelsaft und verfolgte auf dem Bildschirm den Flug, über Polen, Deutschland, Serbien und Ungarn. Dann der Blick auf die griechische Landschaft. Ich dachte, dass aus der Entfernung eigentlich alles schön ist, nur wenn man näher kommt, zeigen sich die Probleme.

Am Flughafen Athen aß ich meine Äpfel und mein gekochtes Ei vor dem Flughafenbäude in der angenehmen Temperatur des späten Nachmittags. Kaufte mir eine Blätterteigtasche mit Spinat und eine Flasche Wasser und bat später an einem Caféstand um einen Becher heißes Wasser, weil ich meine eigenen Teebeutel benützen wollte. Als ich bezahlen wollte, winkten sie ab. Neben mir auf einem Wartesessel saß eine Frau, die ihren Mundschutz abgenommen hatte und andauernd hustete. Sie stand hin und wieder auf und ging wacklig zur Anzeigetafel, kam dann wieder zurück zu ihrem Trolley und ihrem chaotischen Gepäck. Das Haar ungekämmt, eine seltsame Gestalt, der ins Alter gekommene Griechenland-Hippie. Auf meinem i-Pad schaute ich mir einen Film an, The Rising Sun (?), eine Art Meditation über das Reisen, in dem die Bilder zwischen der Île de France, Afrika und Japan hin und her sprangen. Eine anonyme Frauenstimme zitiert die Briefe eines anonymen Reisenden. Ein schöner Film, aber ich konnte mich nicht besonders gut konzentrieren, da ich ständig auf die Uhr schaute (obwohl ich viel Zeit hatte). Ging dann zu meinem Gate, schaute mir die Reisenden an, ob jemand dabei war, den ich kannte. Ich wusste nicht genau, was ich nach meiner Ankunft machen sollte. Ein Taxi zum Hotel nehmen, dort eine Nacht schlafen, dann am nächsten Tag den Bus nach Molivos nehmen, oder gleich mit dem Taxi nach Molivos fahren? Bei der ersten Variante hätte ich höchstens 20 Euro gespart. Fragte eine Frau, die ein wenig wie eine eingebürgerte Touristin ausschaute, ob sie sich ein Taxi teilen wolle, aber sie sagte, jemand würde sie abholen. Auch in der Halle beim Ausgang kein bekanntes Gesicht, also ging ich zu den Taxis, stieg ein, sagte, ich möchte zum Hotel Sappho. Dann fragte ich kurz entschlossen, was eine Fahrt nach Molivos kosten würde. Brauchen Sie eine Quittung? Nein. Der beste Preis, den ich Ihnen machen kann, sind 70 Euro. Ich schlug ein, sagte, ich müsste noch Geld auf dem Weg aus dem Automaten holen. Natürlich kein Problem. Auf der fast eineinhalbstündigen Fahrt wurden wir gute Freunde, ich hatte seine Telefonnummer im Telefon, er sagte, wenn es mir in Molivos langweilig würde, könnte er mich mal nach Mytilini abholen. Ich wusste eine Menge über sein Leben, seine Reisen, wo sein Vater herkommt, dass er alle paar Jahre für ein paar Monate nach Australien fährt, wo er aufgewachsen ist und haufenweise Verwandte hat. Wir redeten über Olivenbäume, das Schöne am Reisen, über Katzen, den Vorteil des Lebens in Griechenland. Ich erzählte ihm vom Vorfall am Vormittag, er erzählte, dass er einmal auf einer nächtlichen Taxifahrt einen toten Jungen auf der Straße gefunden hatte. Ein Fahrradunfall, wahrscheinlich hatte er zu viel getrunken. So etwas verfolgt einen.

Als wir uns verabschiedet hatten und ich den Weg nach oben zum Haus ging, stolperte ich im Stockdunkeln über das äußerste Ende einer kleinen Mauer, fiel hin, schlug mir das rechte Knie auf, schürfte mir am anderen Bein die Haut ab. Die neue Hose hat jetzt einen Riss am Knie. Beim Haus erwarteten mich Cleo, Agnes, Punxy, Louis und Julia. Ich kochte Nudeln, machte eine Tomatensoße mit Oliven, rieb Käse darüber. Trank Retsina, den ich in einer angebrochenen Flasche im Kühlschrank fand, mit etwas abgestandenem Mineralwasser. Las dabei in einem kleinen Buch, das P mir hingelegt hatte, geschrieben von einem Engländer über sein Leben auf Symi, die Art von Buch, „die auch wir einmal schreiben werden“, stand auf einem Zettel... Legte mich ins Bett und schlief, tief, fest, bis ich um kurz vor sieben zum Schnurren von Punxy und Cleo aufwachte. Cleo humpelt, ich muss erstmal abwarten, ob es besser wird. Ein Brief von den Nachbarn mit 100 Euro auf dem Tisch - ob ich eine weiße Katze zum Kastrieren bringen könnte. Eigentlich wäre es ihre Aufgabe gewesen, aber sie haben es verbaselt und jetzt auf mir abgeladen. Wahrscheinlich ist die Katze inzwischen trächtig. Wie ich sie finden soll, weiß ich nicht. Am Morgen tauchte auch Caesarion auf. Ich höre die Geräusche aus dem Dorf, das Kraksen der Krähen. Habe den Computer von oben geholt, aber leider passt die Batterie nicht, die ich mitgebracht habe. Überall liegen Oliven herum. Muss mich bald darum kümmern, auch um den Berg Quitten, die P mir auf einem Tisch hinterlassen hat, neben einem weiteren Berg Granatäpfeln, die wahrscheinlich nicht mehr gut sind. Zum Frühstück trank ich Espresso und aß ein paar Hobnobs aus einer noch verschlossenen Verpackung, die ich im Schrank gefunden hatte.

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