Donnerstag, 18. November 2021

Lesbos 5/11/2021

Mein erster Tag hier ist zu Ende.

Räumte erst herum, trug Sachen unters Dach, holte andere herunter. Ging ins Dorf, schaute bei Mary vorbei. Sie fährt bald für einen Monat nach Athen, für ihren jährlichen Check-Up. Letztes Jahr hat sie ihn nicht machen lassen, wegen Corona. Dieses Jahr ging das Geschäft besser als im letzten Jahr, aber es war nicht gut genug. Sie überlegt jetzt, das Lokal zu verkaufen, etwas anderes zu machen. Es wird ihr zu viel. In Rente gehen kann sie nicht, kann es sich auch nicht vorstellen. Es war so warm, wir schwitzten beide. Ich komme morgen Abend vorbei, versprach ich, es ist der letzte Abend, an dem sie aufhat. In der Bäckerei kaufte ich mir ein Spinat-Pie und ein kleines Brot, dann ging ich zu Theodos. Er sagte, du siehst weiß (white) aus, ich verstand, du siehst gut (well) aus. Kaufte einen riesigen Broccoli, anderes Gemüse und Salatzeug, sechs frische Eier, eine Dose Thunfisch, Yoghurt und Milch. Ich war zu Fuß unterwegs und wollte nicht zu viel tragen. Zu Hause angekommen, aß ich den Rest der Tomatensoße mit Pasta, die ich gestern Abend gemacht habe, schnitt eine Wurst hinein, die P im Gefrierfach hiergelassen hat, legte mich dann ein wenig ins Bett. Louis war glücklich, dass er neben mir liegen durfte, er "wusch" mein Haar gründlich und systematisch. Um zwei Uhr setzte ich mich mit einer Tasse Instantkaffee (auch hiergelassen von P) an den Tisch auf der Terrasse und begann mit der erneuten Überarbeitung vom Anas-Text. Es ging langsam, war aber trotzdem befriedigend, weil ich zufrieden mit dem Meisten bin und weiß, dass dies das letzte Mal ist, dass ich ihn durchgehe. Trotzdem gab es einige Kapitel, mit denen ich kämpfte, komische Wiederholungen, die sich eingeschlichen hatten, holprige Sätze. Es fühlte sich schicksalsschwer an. Was ich hier heute mache, wird für immer so dastehen. Um halbfünf fuhr ich ans Meer, die Sonne fing schon an, im Meer zu verschwinden, ein rot-orange-rosa Streifen zog sich am Horizont entlang. Dann fuhr ich nach Hause, setzte mich noch einmal mit dem Anas-Text hin, konnte einfach nicht aufhören, las und änderte bis 23:00, und habe jetzt nur noch etwa 60 Seiten zu machen. Das Lesen erfüllte mich aber mit Glück, mit einem Gefühl der Ungeduld: ich will diesen Text jetzt im Druck sehen. Ich will, dass er entdeckt wird, dass man darüber schreibt, spricht, dass er etwas bewegt, verändert. Aß noch ein paar Scheiben Brot mit Käse und Tomate und ärgerte mich ein wenig über mich selber, dass ich mich so wenig um meine Ernährung gekümmert habe in den letzten Monaten. Der Sauerteig ist angesetzt, der Wasserkefir auch. Strickte ein paar Runden an einem Socken, der mich jetzt schon einige Jahre begleitet hat, zum Abspannen.

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Lesbos 13/12 2021

Am Morgen wachte ich zum Plätschern des Regens auf. Machte mir Kaffee, schmierte mir Brote, packte eine Portion gesalzene Oliven in den Ruck...