Donnerstag, 18. November 2021

Lesbos 12/11/2021

Gestern nichts geschrieben. Auch heute muss ich mich dazu zwingen. Am Vormittag in der Sonne mit dem Fahrrad nach Petra, im Tierladen 3 kg Spezialfutter gekauft. In der Sonne war es warm, und ich musste meinen Wollpullover ausziehen und meinen Wollschal abnehmen, als ich die Steigung hochgefahren war. Olga saß mit ihren zwei Katzen am Behandlungstisch und aß etwa aus einem Schraubglas. Nicht viel los heute. Ich erzählte ihr von Punxys Husten und sie rief Myrsini an, mit dem Ergebnis, dass Myrsini morgen Cleo hier abliefert und gleichzeitig Punxys Lungen abhört.

Beim Frühstücken las ich übrigens einen Absatz in dem wunderschönen Katzenbuch, das ich letztes Jahr in Petra gekauft habe. Wort für Wort entschlüssele ich die Sätze, bin ganz glücklich über ihre Poesie und auch darüber, dass mir die Entschlüsselung so gut gelingt. Immerhin erkenne ich das Substantiv und das Verb im Satz, sehe, ob es Vergangenheitsform oder Präsens ist, erkenne die Personal- und Possessivpronomen. Ich kann mehr als mir bewusst ist, kann nur die Gespräche um mich herum nicht verstehen, und es fehlen mir auch die einfachsten Ausdrücke.

Trinke gerade griechischen Bergtee. In der Nacht habe ich lange wach gelegen, wegen Punxys Husten, der gestern Abend ganz übel klang und mich an die Lungenentzündung von vor zwei Jahren erinnerte. Mit der Stoppuhr zählte ich ihre Atemfrequenz und kam bei der oberen Grenze an. In der Nacht beschäftigte mich vor allem das logistische Problem. Wie sie nach Petra bringen, wann? Oder gleich nach Mytilini? Die Box ist mit Cleo in Mytilini, ich müsste also wieder eine Box von den Nachbarn leihen. Schließlich hat sich das Problem von selber gelöst. Und Punxy hat heute kein einziges Mal gehustet, nicht in meiner Anwesenheit.

Machte auf der Terrasse meine Umsatzsteuererklärung und war froh, als ich sah, dass das Geld auf meinem Steuerkonto vorhanden war, ich also nichts überweisen musste. Dann machte ich mich an den Quittenberg, der seit meiner Ankunft auf der Terrasse gestanden hat. Säuberte sie, schnitt sie in Stücke, die ich dann kochte und schälte. Währenddessen hörte ich auf Bayern 2 ein Programm über die Klimawende. Woran liegt es, dass wir die nötigen Entscheidungen nicht treffen, weder auf der politischen noch auf der persönlichen Ebene? Geld ist ein Faktor, Bequemlichkeit ein anderer. Auch ich fliege noch und werde es wahrscheinlich weiter tun, so lange Flüge billiger sind als Zugreisen. Kein Auto zu haben, elektronische Geräte so lange zu benützen wie möglich, seine Kleidung Second Hand kaufen, flicken, reparieren, all das sind nur Tropfen auf dem heißen Stein.

Las weiter in Arundhati Roys Buch Das Ministerium des äußersten Glücks. Die Fortsetzung des Buchs fordert mich mehr heraus als der erste Teil, den ich tatsächlich mit einem Gefühl des Glücks gelesen habe. Dann wird es komplizierter, komplexer, die Zusammenhänge sind schwerer zu entwirren, und es ist schwerer, für die Personen die gleiche Sympathie zu haben. Die Ereignisse sind auch dunkel, schwer, deprimierend. Saß in Petra in einem Café in der Sonne, trank einen Cappuccino und las, während eine Engländerin am Nachbartisch mit einer kleinen Katze redete, die auf ihren Schoß gesprungen war.

Der Busfahrer, der uns oft mit seinem lila Bus über die Insel kutschiert hat, ist alt geworden und bewegt sich schwerfällig. Er hat eine Plastiktüte mit rohen Fischresten, die er ins Meer leert. Er macht das ganz sorgfältig und bleibt noch lange stehen und blickt auf das Wasser zu seinen Füßen, als würde er darauf warten, dass etwas passiert.

Radelte wieder zurück. Es kostet wegen der Steigungen vorher immer eine riesige Überwindung, aber wenn ich dann unterwegs bin, bleibe ich doch im Sattel sitzen, den Blick vor mir auf den Asphalt geheftet.

Schickte vorgestern das Manuskript ab, bekam keine Rückmeldung und forderte sie ein. Als Nächstes steht das Korrekturlesen an. Ich schrieb vorgestern eine emotionale Nachricht an Anas, aber ich dachte, dass er als Araber das wegstecken können muss. Er antwortete mir, dass er in allem genauso fühlt wie ich und schrieb dann, er habe eine gute Nachricht, die er mir mündlich übermitteln wolle, und er sei sich sicher, dass ich mich für ihn freuen würde. Ich habe jetzt natürlich nachgedacht was das sein könnte.

In den letzten Tagen habe ich den altersschwachen Computer hier etwas auf Vordermann gebracht. Einige Programme gelöscht, die ihn nur verlangsamen. Hier will ich den Computer in erster Linie zum Schreiben benützen und für meine "Büroarbeit".

Malte gestern einen Baum im Dorf und heute drei Quitten zu Hause. Bin darauf gekommen, dass es besser ist, wenn ich mich für ein einzelnes Motiv entscheide (anstelle von komplexen Szenen und Landschaften) - so lange ich an den #otherpeopleshomes arbeite, habe ich außerdem nicht so viel Zeit und Energie übrig.

Heute alles gemacht, was ich machen musste. Aß zu Abend gefüllte rote Spitzpaprika (mit Feta, Ei und Traxanas), dazu Linsengemüse mit Gelben Rüben. Der Fuchs tauchte auf der Terrasse auf, aber es gab kein übriggelassenes Futter, und er zog wieder ab. Ich stand in der offenen Terrassentür, fast auf Armlänge, und fragte mich kurz, ob er es wagen würde, ins Haus zu kommen und ob ich Angst haben musste.

Heute beobachtete ich einen Stellungskrieg zwischen Moritz und Caesarion. Es war beinahe unerträglich. Ich zwang mich aber dazu, nicht dazwischen zu gehen, weil ich wollte, dass Caesarion von selber die Oberhand gewinnt. Es sah lange nicht so aus, und zwischendurch flogen die Fetzen und die beiden kugelten durch das Gebüsch. Ich sah, wie Agnes von hinten heranpirschte, als wollte sie Caesarion im Notfall zur Hilfe kommen. Aber er schaffte es von alleine. Moritz verzog sich, sprang auf das Mäuerchen und war dann weg. Wie lange das wirkt, weiß man natürlich nicht, aber ich war enorm stolz auf den liebenswerten und sanften Caesarion, der mir plötzlich seine ganze mentale Kraft gezeigt hatte. Es gibt andere Nervensägen als Moritz, u.a. Julia, die keine andere Katze in ihrer Nähe ertragen kann und ständig prophylaktisch faucht, oder Soprano, der sofort angepiepst kommt, wenn Futter auch nur im Entferntesten zu ahnen ist..

Lud die nächsten Schreibaufgaben hoch. In den nächsten Tagen möchte ich mich um ein Stipendium bewerben. Die Quittenaktion habe ich unterbrochen, und die Töpfe auf die Terrasse gestellt. Müde.

Die Corona-Zahlen steigen besorgniserregend. Meine Reise nach Regensburg im Dezember ist nicht so sicher, wie ich gedacht hatte.

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