Dienstag, 23. November 2021

Lesbos, 23/11/2021

2021/11/23 09:13

Es nieselt draußen, und ich kann mich endlich ein wenig um die Sachen kümmern, die liegengeblieben sind. Der schöne Ausblick von der Terrassentür: ein abgeernteter Olivenbaum. Sitze auf dem Bett, zwei dicke Kissenrollen im Rücken, neben mir drei schnurrende Katzen: Cleo, Punxy, Caesarion. Auf der Küchenbank steht der Brotteig, der neue Wasserkefir ist angesetzt. Ich habe abgespült, das Bett überzogen und den Boden gefegt. Cleos Operationswunde ist größtenteils gut verheilt, nur eine kleine Stelle mit frischem Blut habe ich gestern Abend gesehen, aber sie sieht sauber aus und nicht entzündet. Punxys Husten scheint besser geworden zu sein, sie atmet auch nicht mehr so schnell. Louis' Beißwunde ist verkrustet, er reagiert nicht, wenn ich drauf drücke. Werde heute mit Myrsini wegen Punxy reden.

Gestern ging mir wegen der Olivenernte ein bezahlter Job durch die Lappen - das Transkribieren eines medizinischen Vortrags. Pech. Andererseits möchte ich mich nicht abhängig machen von schnellen Aufträgen, die, wenn man nicht sofort antwortet, an jemand anderen vergeben werden.

Vielleicht wächst man gerade wegen aller Probleme mit der Insel immer enger zusammen? Ich sprach gestern mit C darüber. Eigentlich wäre es viel entspannter, jedes Mal, wenn man hier ist, ein Zimmer und ein Auto zu mieten, es wäre wahrscheinlich sogar günstiger. Aber man würde sich mehr an der Oberfläche bewegen, müsste nie die Arbeitshandschuhe anziehen, Olivensäcke aus den Straßengräben einsammeln, man hätte nie Kontakt mit Schreinern, Elektrikern, Kühlschrank-Experten, mit den Männern von der Olivenpresse, mit Dino, dem Steuerberater auf dem Moped. Man müsste sich nicht mit der Funktionsweise einer Heizungsanlage beschäftigen oder lernen, welche Hähne der Bewässerungsanlage in welche Richtung deuten müssen. Man wüsste auch nicht, wo man Ersatzteile für den Bewässerungsschlauch bekommt oder wie man Gartenmöbel behandelt, die von Termiten befallen sind. Man müsste sich nie Sorgen wegen eines leckenden Dachs im Geräteschuppen machen. Man würde nie lernen, wie man Oliven erntet. Man müsste sich nie den Kopf darüber zerbrechen, wie die Katzen Futter bekommen, wenn man nicht mehr da ist.

(Es sind aber auch die Probleme der Inselbewohner - ökonomische Krise, Flüchtlingskise, Coronakrise - die einem die Insel und ihrer Menschen immer näher ans Herz wachsen lassen.)

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Lesbos 13/12 2021

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