Sonntag, 14. Juni 2020

LXIII - 7.Juni

2020/06/07 15:14

Gestern Abend noch in der Dämmerung eine Reinigungsaktion bei den Topfpflanzen. Versuchte, einen kleinen Busch von dem Topf zu befreien, in dem er beinahe erstickte, aber die Erde war so durchwachsen von Wurzeln, dass ich ihn nicht herausbekam. Nahm die Hacke und zerschlug den Topf. Heute in der Vormittagssonne gab ich dem kleinen unansehnlichen Busch einen neuen Platz im freien Land. Goss erst einige Kannen Wasser auf die Stelle, um den lehmigen Boden aufzuweichen, grub mich durch Queckenwurzeln und Steine, senkte den Wurzel-Erdballen hinein. Einen  kleinen Oleander-Ableger aus demselben Topf grub ich ein paar Meter davon entfernt ein. Außerdem hatte ich noch einen winzigen Hanf-Ableger entdeckt, der auch einen Platz bekam und einen kleinen Steinring, damit er nicht versehentlich einem Rasenmäher zum Opfer fällt. Hinterher total erledigt.

Mehrere Probleme gelöst: Das Problem des nicht funktionierenden Warm-Wasser-Tanks auf dem Dach. Ein Telefongespräch mit D gestern führte zum Erfolg. Ich drehte das Thermostat der Wärmepumpe auf Null und schaltete die Zeitschaltuhr auf eine Stunde am Morgen ein. Zwar verstehe ich die Logik nicht, aber ich hatte heute zum ersten Mal seit Wochen eine warme Dusche aus dem Wasserhahn. Das zweite Problem war die nicht-funktionierende Bewässerungsanlage. Wenn ich die antike Pumpe im Pumpenhäuschen einschaltete, die das Wasser aus dem Wassertank zu unseren Bewässerungsschläuchen transportieren sollte, passierte nichts. Ein "Rütteln" der Pumpe, wie von P empfohlen, führte auch nicht zum Erfolg. Das Ganze ist nervig, weil eine Menge Rennerei damit verbunden ist. Vom Pumpenhäuschen zu unserem Grundstück. Hinunter zum Brunnen, von dem Wasser zum Bewässerungstank gepumpt werden soll. Timer einstellen. Hochrennen, nachschauen, ob die  Hähne auch richtig rum standen und das Wasser im richtigen Wassertank ankommt. Dann wieder zum Haus. Kommt Wasser? Nein? Dann wieder hinunter zum Brunnen, Timer ausschalten, damit der Wassertank nicht überläuft. Eine gute Konditionsübung, aber frustrierend. Heute erwischte ich Frans, der gerade Es Grundstück wässerte. Eeine andere Pumpe ist dafür zuständig, im selben Pumpenhäuschen, und ein anderer Sicherungsschalter, aber derselbe Brunnen. Das System ist kompliziert. 

Frans erklärte mir:
1. Erst den Wasserhahn bei mir aufdrehen, dann die Pumpe einschalten.
2. Die Wasserhähne auf allen anderen Grundstücken zudrehen, die über die gleiche Pumpe laufen, weil sonst der Wasserdruck zu niedrig ist.
3. Bei Problemen an der Pumpe rütteln.
4. Um eine Explosion zu vermeiden, am Brunnen immer erst den Hahn umstellen, der das Wasser öffnet, und dann den Hahn, der das Wasser schließt.
(Da D den Brunnen auch für sein Gelände benützt, muss man darauf achten, dass die Hähne richtig stehen, sonst kommt es bei D zu einer Überschwemmung. )

Frans erzählte auch, dass er im August zurück nach Holland gehen muss, weil er hier keine Arbeit mehr findet. Der Freund, der eine Kneipe in Petra finanzieren wollte, ist Alkoholiker und ändert jeden Tag seine Meinung. In Holland hofft er, dass er das bedingungslose Grundeinkommen bekommen kann. Er ist für arbeitsunfähig erklärt worden, bevor er nach Lesbos zog, hatte aber damals zu viel Geld, um vom Staat ökonomische Hilfe zu bekommen. Und was passiert mit deinem Hund? Der muss hierbleiben. Eine schwanzlose Streunerin, die er irgendwann einmal aufgegabelt hat und die ihm überallhin folgt. Sie ist es gewöhnt, frei herumzulaufen. Im Dorf kennen die Leute sie, füttern sie, rufen sie beim Namen. Sie ist in ihrem Leben noch nie an der Leine gelaufen und jetzt vierzehn Jahre alt. Er ist im Kontakt mit den "Tierfreunden Lesbos" und hat schon angefangen zu packen. Traurig, sage ich. Ja, traurig, sagt er, aber was soll man machen.

22:59

Die Tage verstreichen.

Als ich im Garten verzweifelt gegen die Ausbreitung der Schafgarbe gekämpft hatte, suchte ich auf Google nach Information über die Pflanze und kam schnell zu dem Ergebnis, dass sie als eine ganz besondere Heilpflanze angesehen wird. Umschläge, Tees, Tinkturen. Gegen Blutungen, Stresssymptome, .... Und schon wieder wurde ich von einem schlechten Gewissen wegen meiner Wut auf die Natur ergriffen, meinem Wunsch, eine Ordnung herzustellen, die es nicht gibt. Von jetzt an darf die Schafgarbe wachsen.

Abendessen: Ofengemüse mit geriebenem Käse und als Vorspeise Oliven, Ladotiri und der Rest der Bohnen in Tomatensosse.

Ein Topf Kichererbsen ist mir heute während meines Gesprächs mit Frans angebrannt. Ich musste alles wegwerfen und den Topf mit Sodawasser auf der Herdplatte ziehen lassen, um das Verkohlte wegzukriegen. Vielleicht hätte ich eine schwarze Farbe daraus herstellen können?

Lese "Das Geheimnis der Farben" von Victoria Finlay, mit zahlreichen Geschichten, die von der Herstellung, der Entdeckung und Verwendung von Farben handeln. Es ist nicht nur eine Kulturgeschichte, sondern auch ein Reisebericht, der sich von Australien über Chile nach Italien etc. zieht. Es geht auch nicht nur um die Farben als solche, sondern auch um die Menschen, die sie herstellten und die sie verwendeten. Es geht um den Diebstahl von Farbengeheimnissen, es geht um giftige Farben, denen nicht nur die Arbeiter, die sie herstellten, sondern auch die Menschen, die ihre Wohnräume (oder ihre Wangen) damit bemalten, zum Opfer fielen, es geht um Geld, es geht um Ruhm.

Seit ich mit dem Malen angefangen habe, hat das Thema Farbe ein ganz anderes Gewicht für mich bekommen. Es geht jetzt nicht nur um den gut gefüllten Farbenkasten, sondern auch um die Frage, wo die Farbe herkommt, wie sie hergestellt wurde, ob die Pigmente natürlich sind oder chemisch hergestellt, ob sie lichtecht ist, deckend, usw.


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