Sonntag, 14. Juni 2020

LXV - 9.Juni

2020/06/09 09:36

Kurz vor fünf Uhr war ich wach. Die Sonne war gerade dabei aufzugehen. Ein wunderbares, ohrenbetäubendes Vogelkonzert war zu hören. Warum bleibe ich abends immer so lange auf, dass ich dann bis um acht Uhr schlafe? Wenn ich mich um neun Uhr schlafen legen würde, dann hätte ich den ganzen wunderbaren Morgen, würde wahrscheinlich mehr schaffen in der Zeit zwischen fünf und acht als sonst am ganzen Tag. Soll ich ernsthaft versuchen, meine Schlafgewohnheiten zu ändern?

Im Bett liegend, scrollte ich nach dem endgültigen Aufwachen durch die Kommentare der New York Times. Das Leben draußen ist schon lange in die Gänge gekommen. Ich kann es aber nicht lassen, weiter und weiter zu scrollen. Trump will jetzt mit seinen Rallys wieder anfangen, aber die Leute sollen keine Masken tragen. Und bloß kein Abstandhalten! Alles soll sein wie in den Zeiten "vor dem Virus". Bolsenaro in Brasilien lässt die Sterbeziffern einfach hochklettern, mit einem Achselzucken. Natürlich ist es „schade“ für die Leute, die sterben, aber es ist ihr "Schicksal". Was soll er denn tun? Die Regierung hat die aktuellen Daten zu Covid-19-Fällen von ihrer Homepage beseitigt. Toxische Männlichkeit auf dem Zerstörungsmarsch. (Und die toxische Weiblichkeit feuert an und klatscht in die Hände.)

Nachdem ein paar Tage lang ein Hoffnungsschimmer durch die Nachrichten gegangen ist, sind wir jetzt wieder an einem dunklen Punkt angelangt. Trump dirigiert das Drama, zieht die Aufmerksamkeit wieder auf sich. Er verleugnet Probleme, verteidigt die Polizei ("zu 99,9% gute Polizisten") und will vor allem eins: seine Rallys durchführen. Endlich wieder ungeteilte Aufmerksamkeit, endlich wieder Futter für seinen Ego-Haushalt, endlich wieder unkritische Begeisterungsstürme.

Aber warum schreibe ich darüber? Es ist so sinnlos.

Sah heute ein Gewusel von Ameisen auf dem Fußboden vor dem Bett. Sie umringten einen toten Nachtfalter und versuchten, ihn nach draußen zu transportieren. Ich hob den Nachtfalter auf und warf ihn auf die Terrasse, in der Hoffnung, dass die Ameisen ihm dann schnell dorthin folgen würden. Ein paar Minuten später kam ich hinaus und sah eine einsame Ameise, die damit beschäftigt war, den Nachtfalter weg zu hieven. Da die Flügel des Falters wie ein Segel funktionierten, kippte die Last immer wieder und die Ameise landete auf dem Falter, mit den Beinen in der Luft, kämpfte aber sofort, um wieder Boden unter den Füßen zu bekommen. Selbst die Fugen zwischen den Platten glichen tiefen Gräben, doch sie gab nicht auf. Ich bewunderte ihre Kraft und Zielstrebigkeit. Als Kind las ich einmal, dass die Ameise ein Gewicht auf dem Rücken tragen kann, das, wenn man es auf einen Menschen überträgt, einem Einfamilienhaus entspricht. Das beeindruckte mich so, dass ich es heute immer noch weiß. Doch wozu das Ganze? Wozu diese Mühe? Für das Überleben der Ameisengesellschaft. Um ihre Aufgabe als Teil des Ganzen zu erfüllen. In solchen Augenblicken frage ich mich dann, welche Aufgabe ich denn habe, welchen Teil ich beitrage zum Ganzen.

An einem Schafgarbenstängel sah ich gestern Marienkäfer. Sie mampften die Läuse in sich hinein, die den Stängel bevölkerten.

22:47

Heute:

1 Etwas Griechisch gelernt (viel im Wörterbuch geblättert)
2 Auf der Terrasse meditiert und Yoga gemacht
3 Ins Dorf gefahren, auf dem Weg dorthin Gartenabfall in den Müllcontainer geworfen
4 Auf der Post nachgefragt, ob mein Brief angekommen ist (nein)
5 Mich mit der Besitzerin von Tropicana kurz unterhalten (und später mit Mary)
6 Ein Moped gezeichnet, das vor einer Taverne auf der Straße stand
7 Bei Theodos eingekauft, mich mit ihm unterhalten
8 Meine Lebensmittel ausgepackt und eingeräumt
9 Avocadokerne  und -Schalen zerkleinert, um Avocadotinte herzustellen. Drosch auf der Terrasse mit einem Stein auf die hartgewordenen Kerne ein. Die Avocadokernstückchen flogen in alle Richtungen. 
10 Etwas neben Cleo auf dem Bett "geruht"
11 Beim Teepavillon Arbeit für die Wohngenossenschaft gemacht. Protokoll geschrieben und eine Mail wegen Verteilung der Gartenarbeit geschrieben.
12 Mit U geredet, die mir sagte, dass sie einen Sack Erde für mich gekauft hat
13 Den Sack Erde nach Hause geschleppt und Olivenölkanister aus dem Schuppen geholt, für eine Erweiterung meiner Tomatenpflanzung
14 Mit P gesprochen. Wir wissen immer noch nicht, was wir mit dem Tanzkurs im August machen sollen - die Tendenz momentan: eher nicht.
15 Zum Meer gefahren, wieder auf der Straße von den Hunden trakassiert.
16 Im Sonnenuntergang ins Wasser gegangen. Beim Abtrocknen mit dem Mann geredet, der oft in einem Klappstuhl da sitzt und in sein Handy redet oder Musik hört.
17 Nach Hause gefahren, meine Mutter angerufen, die ganz glücklich davon erzählte, dass gerade ein Vogel an ihrem Vogelhäuschen pickte.
18 Brot geröstet und das Moped vom Nachmittag mit Wasserfarben ausgemalt. Dabei das Brot verbrannt.
19 Die verbrannten Stellen vom Brot abgeschnitten, die Auberginensoße von gestern aufgewärmt, Käse darüber gerieben
20 Gegessen und abgespült
21 Im Dunkeln zum Brunnen gegangen und einen Kanister Wasser geholt.
22 Das hier geschrieben

(Nachtrag: Den Reservoir-Pinsel repariert, mit Hilfe einer Sicherheitsnadel, die ich nur den dünnen Wasserkanal stach. Er war nämlich verkalkt und ließ kein Wasser mehr durch.)


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