Samstag, 16. November 2019

16/11

Ein Tag, an dem ich das Gefühl habe, nichts geschafft zu haben. In einem Tümpel von Schwermut. Vielleicht auch, weil meine Abreise näher rückt.

Morgens lief ich der Sonne nach, mit meiner Frühstückschale, meiner Kaffeetasse. Die ganze Anlage steht mir zur Verfügung. Las Louise Erdrich, Der Gott am Ende der Straße, in einer seltsamen Mischung aus Langeweile und Schrecken und dem Wunsch zu wissen, worum es in dem Buch eigentlich geht. Steckte eine Fuhre Wäsche in die Waschmaschine.

Der Vormittag verging dann damit, dass ich die Bremsklötze meines Fahrrads auswechselte. Es dauerte so lange mit den vorderen Klötzen, dass ich die hinteren erstmal sein ließ. Aber nachdem ich mit dem Fahrrad im Dorf gewesen bin, ist mir klar, dass ich nicht drum herum komme.

Freute mich, Punxy ganz oben im Baum zu entdecken. Sie hat seit gestern kein einziges Mal gehustet. Man könnte jetzt vergessen, dass sie schwer krank gewesen ist.

Hatte keine Pläne für den Tag, nur ein vages Gefühl der Angst, der Rastlosigkeit.

Steckte Julia in einen Einkaufsbeutel, den ich oben zuknotete und wog sie dann mit Hilfe der Gepäckwaage: 3,3 kg. Sie kämpfte gegen ihr Gefängnis, ich knotete den Beutel schnell wieder auf und beschloss, dass sie schwer genug ist für eine Entwurmungstablette, die ich ihr in der Welpenwurst verabreichte, ohne Probleme.

Fuhr ins Dorf, ging zu Theodosos, kaufte ein. Haferflocken, Broccoli, Avocado, eine Dose Bohnen in Tomatensoße, einen Liter Milch, Eier. Katzenfutter. Er fragte mich wieder einmal, wieviel Katzen wir haben. Vier, sagte ich, plus drei oder vier, die wir auch füttern, wenn sie vorbei kommen. Natürlich kommen sie jeden Tag vorbei.

Ging dann in einem Zustand der Orientierungslosigkeit zu Mary, obwohl ich es nicht geplant hatte. Der Balkon war bis auf den letzten Platz besetzt, was natürlich gut ist für sie. Trotzdem war ich etwas enttäuscht.

Setzte mich in den Gastraum und bestellte eine Hortapita. Als ich mich zur Mitte durchgegessen hatte, sah ich ein, dass sie im Inneren noch gefroren war. Mary nahm sie unter wortreichen Entschuldigungen zurück, steckte sie dann wohl noch einmal in die Mikrowelle. Ich aß sie ohne große Begeisterung. Heute hätte ich lieber mein Essen mit jemandem geteilt.

Als ein Tisch frei wurde, zog ich mit meinem Cappuccino auf den Balkon, machte eine Skizze von zwei jungen Frauen aus Holland, die am Nebentisch saßen. Die eine hatte im Nacken einen tätowierten Violinschlüssel und auf ihrer Wade einen dicken Buddha unter dem Bodhibaum. Fühlte mich wie eine Voyeurin, dabei wollte ich doch nur meine Fähigkeit üben, lebendige Menschen zu zeichnen.

Als ich zum Bezahlen zur Theke ging, redete ich mit Mary über ihre Fahrt nach Athen. Sie langte über ihren Kopf und holte eine kleine Flasche Ouzo aus dem Regal. "Das kannst du mal abends trinken und dabei an mich denken." Ich bedankte mich. "Ich denke aber auch ohne Ouzo an dich", sagte ich, was stimmt. Ging bergab, schwenkte meine kleine Ouzoflasche, eine Gruppe Touristen kam mir entgegen, beleibte Männer, die vom Bergaufgehen schwer schnauften und sich den Schweiß abwischten. Ich hoffte, sie würden bei Mary einkehren und viel essen.

Fuhr wieder nach Hause, ziellos. Dachte, ich könnte ebensogut auf der Terrasse bügeln. Ich habe es mir schon seit Tagen vorgenommen, aber immer wieder vor mir hergeschoben. Ich bügelte Geschirrtücher, Servietten, Taschentücher, Kopfkissenbezüge, eine Bluse, eine Hose. Währenddessen spielten sich in meiner Nähe alle möglichen Katzendramen ab.

Dann machte ich einen neuen Anlauf mit dem Verbrennen. Vielleicht eine geeignete Tätigkeit für den heutigen Tag. Heute war ich besser vorbereitet. Hatte Arbeitshandschuhe dabei und feste Schuhe an (nicht Flipflops wie letztes Mal). Ich goß einen Ring mit Wasser um die Feuerstelle, bevor ich etwas anzündete, und holte dann noch eine 10l-Kanne Wasser als Reserve, für den Notfall. Eine Gartenschere zum Kleinschneiden der größeren Teile. Das Brennzeug war feucht heute, und die Flammen schlugen nicht so hoch. Es flogen hin und wieder Funken, denen ich mit meinem Blick folgte. Gegen Ende wurde ich vom Ehrgeiz gepackt, ein größeres Holzstück dazu zu bringen, ganz zu verbrennen. Eine Aufgabe, der ich mich mit größter Konzentration widmete. Ich schürte und blies und schichtete um und dann wieder von vorne. Währenddessen wurde es wieder dunkel. Schließlich war ich zufrieden. Goß Wasser auf die Glut.

Yoga. Abendessen: Reste von gestern (Imam, Fava), dazu Salat und geröstetes Weißbrot. Julia hatte sich ins Haus geschummelt und folgte mir auf Schritt und Tritt, schmiegte sich an meine Beine, warf sich auf den Rücken usw. Das machte mir alles wieder mal schwer.

Abspülen, lesen. Es kostete mich eine riesige Überwindung, mich noch einmal an den Schreibtisch zu sitzen, das hier zu schreiben.

Es schlug mich heute auch mit aller Gewalt die Tatsache, dass ich ab Januar keine Arbeit mehr habe. Doch alle, denen ich davon erzähle, gratulieren mir, dass ich endlich gekündigt habe.



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