Mittwoch, 13. November 2019

13/11

Bewölkt.

Arbeite vormittags am Schreibtisch, bin aber angespannt, wegen des bevorstehenden Tierarztbesuchs.

Stromabbruch, als ich gerade Kaffee koche. Hole den kleinen Gaskocher aus dem Oberschrank, den wir uns für diese Fälle angeschafft haben, und koche dann in aller Ruhe weiter.

Rochade mit Giorgos bei der Olivenpresse. Ich nehme sein Auto, er nimmt mein Fahrrad (und beschwert sich hinterher, dass die Bremsen nicht funktionieren).

Stecke Punxy in die Box und fahre mit ihr nach Petra, aber die Tierärztin ist noch nicht da, sie ist in Mytilini von einem Notfall aufgehalten worden. Mache eine kleine Skizze von dem unansehnlichen Vorplatz. Ein winziger Hund mit Beinschienen kommt mit seinem Frauchen auf dem Moped an. Er steckt in einer Umhängetasche, eingepackt in einen gestrickten Kapuzenpullover. Die Vorderbeine stehen ab, wie Streichhölzer. Zwei Wochen war er in der Klinik und muss jetzt noch einen Monat seine Schienen tragen. Er kriegt neue Verbände und wimmert vor Schmerzen. Ein großer Schäferhund, der auf einem Bein hinkt, kommt mit seinem (auch hinkenden) Frauchen an.

Die Tierärztin sieht sofort, dass Punxy eine Lungenentzündung hat, noch bevor sie ihre Lunge abhört. Wir reden über den Namen der Katze. "Warum heißt sie so?" "Weil sie so crazy ist und so wild. Ein kleines Monster. Oder ein Clown." Punxy kriegt eine Antibiotikaspritze mit Langzeitwirkung und eine Vitaminspritze, starrt mich vorwurfsvoll aus ihren riesigen Augen an.

Kaffeetrinken mit Giorgos. Ich habe Hunger und bestelle mir einen Toast mit Pommes Frites. Er regt sich darüber auf, was ich für einen Mist esse. In Deutschland isst man so was vielleicht, oder in Schweden. Wir essen keinen solchen Mist. Ich sage, ich habe einen Riesenhunger, ich brauche Seelenfutter und werde jetzt jeden einzelnen Bissen genießen. Er entschließt sich dann offensichtlich, meinen Fehltritt zu ignorieren und sagt nicht einmal etwas, als ich Ketchup auf meinen Teller drücke und die Pommes Frites hineintunke. Hinterher bezahlt er mein unsägliches Essen sogar, ungeachtet meiner Proteste.

Ein Freund von ihm setzt sich zu uns, ein junger Mann mit einem kleinen Sohn, Polizist. Wir reden ein bisschen über Griechenland. Warum haben die Griechen solche Probleme damit, Gesetze einzuhalten? Nicht ich habe die Frage gestellt, sondern die zwei Männer. Wieso ist es in Griechenland nicht möglich, bestimmte Regeln durchzusetzen? Warum ignorieren die Griechen sie einfach? Wie weit in der Geschichte muss man zurückgehen, um darauf eine Antwort zu finden? Die beiden Männer haben auch keine Antwort. Ich will sagen, dass viele Deutschen gerade das an Griechenland mögen. Eine romantische, unrealistische Liebe. Ich sage es aber nicht, fürchte, sie würden es nicht verstehen.

Giorgos erzählt, dass er in der Nacht einen kreativen Schub hatte. Um Mitternacht habe er sich zum Arbeiten hingesetzt und dann bis vier Uhr gearbeitet. Er zeigt mir das Ergebnis auf dem Handy. Ein stilisiertes Stadtbild in klaren Formen und Farben. Schön. Es gefällt mir. Auch heute will er schnell wieder an die Arbeit gehen. Er hat in der Olivenpresse schon viel zu viel Zeit verloren.

Ein wenig bei Theodosos einkaufen, wie fast jeden Tag. Bei ihm fühlt man sich immer willkommen. Er ist persönlich, ohne einem zu nahe zu treten. Erzählt, dass er gestern nacht um elf mit dem Fahrrad nach Petra gefahren ist. Ich bin erstaunt, was die Leute hier in der Nacht so alles treiben.

Er fragt mich, ob ich die Tierärzin in Petra nicht teuer finde. Die Leute reden. Er hat einmal 200€ für die Behandlung eines verletzten Hundes bezahlt, den sie dann doch nicht retten konnte. Ich finde die Preise fair und die Behandlung gut, sage ich (wenn auch immer noch "griechisch" in dem Sinn, dass Operationssaal und Verkaufsraum eins sind und die frisch operierten Tiere in ihren Käfigen vor den Verkaufsregalen herumliegen). Ich erzähle ihm auch, was Tierarztbehandlungen in Schweden kosten, und er nickt nachdenklich.

Hinterher denke ich, wenn die Griechen einander mehr Geld gönnen würden, dann würde sich die hoffnungslose Lage vielleicht auch ändern. So vieles findet unter der Hand statt. So viel Geld wechselt den Besitzer, ohne dass es irgendwo registriert wird. Steuern treiben zwar Preise in die Höhe, aber am Ende würden alle auch wieder davon profitieren. Mit Steuergeldern könnte vielleicht die heiße Quelle in Eftalou gerettet werden, dann wäre das Restaurant, das daneben liegt, vielleicht nicht von der Schließung bedroht. Das wiederum würde vielleicht Touristen davon abhalten, die Insel sich selber zu überlassen. Vielleicht können Griechen nicht so denken, weil sie zu viel Korruption erlebt haben. In Schweden kenne ich niemanden, der etwas gegen die hohen Steuern oder hohe Preise sagen würde. Aber Schweden ist nicht Griechenland. Es geht nicht, diese Dinge über einen Kamm zu scheren. Ich würde mich in Griechenland nicht wohl fühlen, wenn es genauso wäre wie Schweden. Gerade die informelle Ebene kann ich genießen. Die Menschlichkeit, der persönliche Umgang miteinander. Natürlich gibt es hier auch viel Bosheit, viel Geschwätz, sogar Hass. Leute im Dorf, die sich aktiv für die Flüchtlinge engagierten, wurden mit Hasskampagnen zum Umzug "gezwungen".

Später mache ich mich im Garten daran, den Haufen mit Gartenabfall zu verbrennen. Das Zeug ist so trocken und leicht, dass ich zwischendurch fast Panik kriege, obwohl es windstill ist. Ich mache einen Ring aus Wasser um die Feuerstelle und lege nur kleine Portionen auf, die gleich hohe Flammen schlagen. Mit einem Rechen helfe ich nach, dass die Feuerstelle kompakt bleibt. Als es schon dunkel ist, mache ich Schluss, verteile die Glut, gieße Wasser darauf, bis alles gelöscht ist. Es ist immer noch ein großer Haufen von dem Abfall übrig. Ich stelle fest, dass es mir schwer fällt, dem Sog des Feuers zu widerstehen. Obwohl ich mir zwischendurch immer wieder sage, dass ich besser aufhören sollte, weil es zu riskant ist, gehe ich dann doch wieder zu dem Haufen mit dem Gartenabfall und hole neues Futter fürs Feuer. Das Herzklopfen.

Von Myrsini habe ich eine Fleischwurst im Plastikmantel (eigentlich für Hundewelpen) bekommen, um den Katzen die Anti-Wurm-Tabletten leichter verabreichen zu können. Sie machen sich heißhungrig darüber her.

Ich koche noch einmal eine Portion Quittenpaste, um die Quitten nicht verkommen zu lassen, die ich gepflückt habe. Das beste Ergebnis bisher. Setze einen Granatapfellikör an, mit den Granatäpfeln, die ich letzten Freitag geschenkt bekommen habe und einem Metaxarest, den ich im Schrank gefunden habe, wahrscheinlich von einem Sommergast.

Male die Skizze vom Tierarztbesuch aus, verfremde sie aber und verwende leuchtende Farben (die Wirklichkeit war grau).

Esse Fava (noch von gestern), im Ofen geröstete Kartoffeln un einen riesigen Salat mit Feta.

Müde. Morgen wünsche ich mir einen ruhigen Tag.

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