Donnerstag, 14. November 2019

14/11

Bewölkt.

Am Morgen Video-Gespräch mit A: Er erzählt von der Ankunft in Athen. Sie fuhren mit einer Taxifahrerin von Piräus zum Platz Omonia, von dem sie wussten, dass es eine Art Sammelplatz für Flüchtlinge war. A plauderte mit der Frau. Sein Reisegefährte Siad war völlig außer sich. Eine Frau am Steuer eines Taxis! Willkommen in Europa, sagte Anas.

Ich sitze auf der Terrasse, während wir reden. Währenddessen hellt es auf. Die Sonne kommt hervor.

Mache mir einen Tagesplan. Muss Struktur in diesen Tag bringen, arbeiten, ohne nach links oder rechts zu schauen.

Ein Videogespräch mit meiner Mutter, meinem Bruder. Meine Mutter erzählt mir wieder, dass sie aufs Gesicht gefallen ist. Ich weiß, sage ich. (Es war schon im Sommer.) Es ist mir aber nichts geblieben, sagt sie. So ein Glück, sage ich. Sie hat Dusel gehabt, sagt mein Bruder. Sie waren wieder im Versorgungsamt beim Essen. Wenn du kommst, gehen wir auch dorthin, sagt meine Mutter. Auf jeden Fall, sage ich. Sie zeigen mir ihren neuen Stock, mein Bruder hält ihn vor die Handykamera. Ich bewundere ihn. Aber meine Mutter ist schon wieder ungeduldig, will das Gespräch beenden.

Wäsche waschen, Wasser holen, Müll wegbringen, die Feuerstelle von gestern ein wenig säubern. Dann drei Stunden Arbeit am Text.

Fahre abends doch ins Dorf, weil ich Spülmittel brauche. Hier oben ist es stockdunkel. Im Dorf eine Art Wärme. Die alten Männer, die sich an verschiedenen Orten sammeln. Nie die Frauen. Restaurants, die geöffnet sind, aber keine Gäste haben. Noch nicht, ich bin früh dran.

Esse eine Fischsuppe im Hafen. Ich bekomme eine Schüssel Gemüsesuppe und einen Teller mit grätigem Fisch, den ich selber in die Suppe tun soll. Fieselig. Ein Schälchen mit Oliven mit Koriander. Gutes, frisches Weißbrot, mit dem ich dann die Suppenschüssel auswische. Der Besitzer sitzt an einem Tisch und raucht, scrollt auf seinem Handy, holt dann ein Bier aus dem Kühlschrank, öffnet es. Als würde ich in seinem Wohnzimmer sitzen. Die Fischgräten gibt er in eine Plastiktüte und legt diese dann in den Kühlschrank. Für die Katzen?, frage ich und denke an die vielen Katzen, die hier im Hafen herumlaufen. Ja, aber für die Katze zu Hause. Er schaltet den Fernseher ein. Irgendwo ein Busunfall mit 14 Toten. Ich verstehe nichts. Die Karrikatur von Würde: Erdogan mit seiner Frau trifft auf Trump mit seiner Frau. Dieses Muster hat sich noch nicht überlebt. An den Wänden der Hafentaverne: ausgebleichte Fotos aus einer Zeit, in der es allen noch besser ging. Griechische Lebensfreude, in schwarzweiß.

Ich bezahle und gehe, komme an einem griechischen Vater mit seinen Kindern vorbei, die gerade an einem Zaun eine kleine Straßenkatze füttern und über sie sprechen. Diese kleinen Gesten der Freundlichkeit berühren mich.

Ein Mensch mit Stirnlampe begegnet mir auf der dunklen Landstraße, seine Lampe blendet mich so, dass ich nichts mehr sehe. Ich schlingere. Er sagt was. "Ich sehe nichts, aber auch nichts!", sage ich. Er entschuldigt sich. Dann biege ich auf den Sandweg ein. Weiche den Pfützen aus, die meine Fahrradlampe als Spiegel zeigt. Die Zeitschaltuhr hat die Wegbeleuchtung zum Haus eingeschaltet. Schiebe das letzte Stück. Aus dem dunklen Gebüsch kommen die Katzen.

Ich denke über das Alleinsein nach und warum ich es mag.


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