Dienstag, 14. Dezember 2021

Lesbos 9/12 2021

2021/12/09 18:08

Die Zeit fliegt. Noch vier Nächte, dann muss ich abreisen.

Ich möchte nicht, aber mein Hiersein hat auch keine Perspektive.

Etwas ziellos segle ich durch die Tage, löse kleine Probleme, mache mir Sorgen, male, lese. 

Ich bin mit den Korrekturen des Anas-Buchs weiter gekommen, aber in dem Buch über Homer, das ich lese, komme ich einfach nicht voran, jedenfalls gefühlt. 

Ich weiß jetzt, was ich haben will: eine kleine Druckpresse, mit der man winzige Radierungen drucken kann. Lese im Internet, wie man aus gebrauchten Tetrapak-Kartons Radierungen herstellen kann. Der Gedanke macht mich glücklich. 

(Auf die Idee mit dem Drucken bin ich durch die Druckerpresse gekommen, die ich gestern im Haus von B und M gesehen habe.)

Gestern in Petra bei Myrsini. Hatte ein Foto von Cleos Wunde mitgebracht, die immer noch nicht ganz zugeheilt ist. An den Rändern haben sich kleine Blasen gebildet, und ich machte mir natürlich wieder Sorgen. B, die mich im Auto mitnahm, hatte eine kleine Katze dabei, deren Kastrationswunde sich wieder geöffnet hatte. Es war schön, ausnahmsweise mal nicht allein zu sein mit meinen Sorgen. B hatte mich an der Tankstelle abgeholt, ich hatte meine Gummistiefel und die Winterjacke an. Es war kalt und regnerisch. Myrsini schlug vor, daß ich am nächsten Tag mit Cleo nach Mytilini kommen sollte, dann würde sie sich um die Wunde kümmern. Ich war ziemlich gedrückt von dieser Aussicht (Cleo in die Box, mit Cleo drei Stunden im Bus, Cleo vielleicht wieder mit Vollnarkose, eine neue Wunde, das ganze Thema wieder von vorne). 

Hinterher lud B mich ein, sie und ihre Partnerin M in ihrem Haus zu besuchen. Wir hatten schon ein paar Mal davon geredet, es aber nie in die Tat umgesetzt. Sie füttern momentan fünfzehn Katzen, erzählte sie, von denen sie sechs als ihre eigenen ansehen. Ich hörte ihre Lebensgeschichte, auf fünf Minuten zusammengeschnurrt ("Wie bist du nach Molyvos gekommen?"), während wir über die gewundene Straße von Petra nach Molyvos kurvten.

B und M (die aus Kanada ist) wohnen gleich unter der Burg. Vom Parkplatz muss man über eine beträchtlige Anzahl von Stufen laufen, bis man zu ihrem Haus kommt. Es sind eigentlich zwei Häuser, die sie miteinander verbunden haben. Zusätzlich hat B kürzlich ein baufälliges Haus gekauft, das zwar günstig war, aber extrem renovierungsbedürftig ist. 

B zeigt mir die handbetriebene Druckerpresse im Keller und einige handgedruckte Weihnachtskarten, die sie am Tag zuvor gemacht hat. M arbeitet hauptsächlich mit Linolschnitt. "B verlässt sich auf Magie, ich brauche Kontrolle vom ersten bis zum letzten Schritt", sagt sie, bevor sie nach oben geht, um das Teewasser aufzusetzen. Kennengelernt haben sich sich vor über vierzig Jahren, an der London School of Printing. Beide hatten später gut bezahlte Jobs in der Buchbranche und sind jetzt in Rente. Am Geld mangelt es offensichtlich nicht - das Haus ist aufwendig renoviert und geschmackvoll eingerichtet. Auf einer der Terrassen stehen die Winterunterkünfte der Katzen: warm ausgepolsterte Katzenboxen, Holzkisten, ein großer Tonkrug, vor der Kälte und dem Regen geschützt. Im "Sitting Room" trinken wir Tee, reden, zeigen uns gegenseitig Bilder auf dem Computer, im Handy. Ein erstes Kennenlernen. Als B die Katze später aus Petra abholt, setzt sie mich auf dem Weg wieder an der Tankstelle ab. 

Im Laufe des Nachmittags fasse ich den Entschluss, nicht mit Cleo nach Mytilini zu fahren. Es würde so viel Stress bedeuten und ist vielleicht nicht nötig. Unser Freund J, der in England Tierarzt ist, schaut sich die Fotos von der Wunde noch einmal an und schreibt mir dann, dass ich seines Erachtens noch abwarten kann.

Mache später einen kurzen Spaziergang, werde aber vom Regen erwischt und kehre um. Laufe ein wenig hier auf dem Gelände herum, steige über Zäune auf die Nachbargrundstücke, wo grade niemand da ist, versuche, herauszufinden, welche Wege die Katzen gehen, wo sie vielleicht Unterschlupf finden können, wenn es kalt ist. Entdecke später Caesarion und Punxy auf der Terrasse unser Nachbarin, wo sie sich auf ein paar heruntergefallen Sitzkissen ein Lager eingerichtet haben.

Im Dunkeln mache ich mich dann noch einmal auf den Weg ins Dorf, zur Vorstandssitzung unserer Wohn-Coop auf Zoom. Sitze im verrauchten Café Perasma und trinke Roiboos-Tee mit Rosepfeffer, während wir über die neuen Keller- und Speichertüren reden, über die Kellerrenovierung, darüber, dass wieder eines unserer Mitglieder ihre Wohnung zum Verkauf angeboten hat.

Laufe im Dunkeln nach Hause, mit der Taschenlampe, mache mir dann etwas Gutes zum Essen (Kartoffeln mit gerösteten Zwiebeln und Olivenöl, Linsen mit Petersilie, Broccoli und eingelegte kleine Fischchen, die ich beim Supermarkt in Petra gekauft habe.). Male an einem #otherpeopleshomes-Bild, und als ich endlich ins Bett gehe, ist es schon nach Mitternacht. Bin froh, dass ich am nächsten Tag nicht nach Mytilini fahren muss. 

Giorgos hat sich endlich gemeldet: "Morgen um 12 Uhr im Bazaar" Ich muss lachen. So sehen seine kurzen Nachrichten immer aus: wie Befehle. 

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