Dienstag, 14. Dezember 2021

Lesbos 7/12 2021

2021/12/07 22:03

Wie einem zerfransten Tag noch etwas abgewinnen?

Es war nett, dass J und C mich zum Essen einluden, als ich hinüber ging (mit der Taschenlampe meines iPhones), um J ein Buch zu leihen, von dem ich ihm erzählt hatte (ein Engländer schreibt über die Erfahrungen auf einer griechischen Insel). Außerdem wollte ich C ein Foto von Cleos Wunde zeigen, an der sich jetzt eine kleine Fleischwucherung gebildet hat. C sagte, dass sie Patienten, die mit ähnlichen Wunden zu ihr kämen, zu den Krankenschwester weiterschicke. Was die dann damit anstellen würden, wisse sie nicht. Dramatisch sei es jedenfalls nicht, dessen sei sie sich ziemlich sicher.

Verregneter Tag. Das Wasser plätscherte vom Dach. Ich zog die Gummistiefel an und ging ins Dorf, watete durch die tiefen Pfützen. In der Apotheke kaufte ich einige Entwurmungspillen. Dann lief ich die Straße zum Hafen entlang. Die Weihnachtsdekoration hat man (wer?) aus bemalten Euro-Paletten (Weihnachtsbäume) und Autoreifen (Schneemänner) und einigen gefüllten Kopfkissenbezugen (auch Schneemänner) hergestellt. In dem riesigen Adventsring, der am Dorfeingang aufgestellt ist, stehen jetzt zwei kindergroße Nussknackerfiguren.

Am Hafen angelangt, nimmt der Regen wieder zu, und ich kehre um, da das Café, wo ich hoffte, Giorgos zu treffen, zu hat. Komme durchnässt wieder zu Hause an, hänge meine Kleider überall im Zimmer auf. Google die Frage, "warum ist Schreiben gut für uns?", speichere die Artikel, die ich finde, in Google Keep ab. Mache mir Spiegeleier mit Tomaten- und Gurkensalat samt Schafskäse zum Mittagessen. Das Hartweizenbrot, das ich vorgestern gebacken habe, brate ich in dem Olivenöl, das noch in der Pfanne übrig geblieben ist. Nehme mir vor, weiter im Buch über Homer zu lesen, aber ich öffne das Buch gar nicht und lese mich stattdessen in dem Buch eines Engländers fest, der mit seinem Partner auf die griechische Insel Symi gezogen ist. Hinterher beschäftige ich mich mit griechischen Vokabeln, lade einige Vokabelsammlungen auf meinen neuen Karteikarten-App und stelle wieder fest, dass ich kaum ein Wort aktiv beherrsche. Eine frustrierende Stunde. Ich beschließe, noch einmal ganz von vorne anfangen, die Grammatik ordentlich zu lernen, mich jeden Tag hinzusetzen. Vielleicht kann ich die Sprache irgendwann einmal knacken.

Ich habe mir vorgenommen, heute, eine halbe Stunde mit dem Anas-Text zu verbringen, aber dann wird eine Stunde daraus. Einerseits ist es ein gutes Gefühl, die Korrekturen abzuhaken, andererseits werde ich wieder mit dem Text konfrontiert und sehe heute hauptsächlich seine Schwächen. 

Hinterher tigerte ich dann wie gesagt im Dunkeln zu den Nachbarn und wurde gebeten, auf einem der immer noch mit Plastik überzogenen Stühlen Platz zu nehmen und mit ihnen zu Abend zu essen. Wir erzählten uns über unsere Erlebnisse in den letzten beiden Tagen, und dann klappte C ihren Computer auf, um ihre Rosetta-Stone-Lektion durchzugehen. J und ich machten von der Zuschauertribüne aus mit. Plötzlich konnte ich dann doch wieder etwas, vor allem verglichen mit J, der die griechischen Wörter immer noch mühsam (und vergeblich) zu buchstabieren versucht. 

Ging dann zurück zu mir. 

Zum Malen ist es jetzt zu spät. 

Vielleicht mache ich doch noch eine Skizze. 

Jetzt.

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