Dienstag, 14. Dezember 2021

Lesbos, 11/12 2021

Samstag. Fahre ins Dorf, kaufe FFP2-Masken für meinen Flug und meine Zugfahrt nach Regensburg, besorge eine Flasche Retsina und Sodawasser für P. Unsere Übereinkunft: bei der Abreise stellt man einen Willkommensgruß in den Kühlschrank. Verabschiede mich von Theodos. Wann ich wiederkomme? Wenn alles gut geht, nächstes Jahr. Er lacht. Das Komische ist, dass die Leute hier sich mein Leben in Schweden überhaupt nicht vorstellen können. Aber ich kann es ja auch nicht.

Ein letztes Mal zum Baden nach Eftalou, mit C. Wir gehen zu Fuß, über die Olivenhaine, vorbei an dem angeketteten Hund, der sich jedesmal riesig freut, wenn man stehenbleibt, mit ihm redet, ihn streichelt. Die kurze Kette ist an einer Laufleine angemacht, die vielleicht drei Meter lang ist, aber sie hat sich zudem verhakt, so dass er (ein großer, starker Hund) fast keinen Spielraum hat. Das Haus, in dem die Familie wohnt, steht weit entfernt am Hang. Ich fühle mich hilflos, wütend, traurig. Leider haben C und ich das Thema Impfungen angesprochen, und es hat sich gezeigt, dass sie, obwohl geimpft (wegen der Bequemlichkeiten), die Impfung ablehnt. Eigentlich möchte sie nicht darüber sprechen, aber es kommt dann doch heraus, sie redet von Herdenimmunität (es gebe sowieso zu viele Menschen auf diesem Planeten) über die Anekdote von dem südafrikanischen Arzt, der eine Naturmedizin gegen Covid entwickelt habe, die schließlich (auf der Druck der Pharmaindustrie) verboten worden sei. Die Pharmaindustrie habe natürlich Interesse daran, dass der Virus mutiert, und wenn man mitten in einer Pandemie die Leute impfe, brauche man sich auch nicht über Mutationen wundern. Ich fühle mich hilflos. Wie soll ich dagegen anreden? Versuche, mich ins Anekdotische zu retten. Dass es in Griechenland offensichtlich Leute gibt, die fest glauben, dass der Virus ihnen nichts anhaben kann, wenn sie in die Kirche gehen. C daraufhin, es könne schon sein, dass man sich leichter infiziert, wenn man Angst hat. Ich bin ziemlich baff, will aber nicht auf dem Thema herumreiten, schließlich wollten wir einen langen Spaziergang machen, einen angenehmen Nachmittag haben.

Es ist jedenfalls schwierig, nach dieser Auseinandersetzung wieder zu normalen Gesprächsthemen überzugehen. Ich versuche es - erzähle von meinem Besuch bei B und M, von ihrer Druckpresse, und dass ich plötzlich Lust bekommen habe, das Drucken auch einmal auszuprobieren. Dass ich dabei im Internet auf den Tip gestoßen sei, wie man eine Pastamaschine in eine Druckerpresse verwandeln könne. Ein witziges Thema, finde ich. Erst als wir bei der heißen Quelle angelangt sind, taut C wieder auf. Es ist ziemlicher Betrieb heute. Das Wasser ist diesmal extrem heiß. Beim ersten Durchgang kann ich mich nur bis zur Hüfte hineinsetzen. Auch nach dem ersten Bad im kalten Meer ist es fast uneträglich. Länger als fünf Minuten halten wir es nie aus, dann klettern wir wieder über die Steine ins Meer, schwimmen weit hinaus. 

Auf dem Rückweg begegnet uns J mit dem Auto auf der Teerstrasse in der Dämmerung. Er ist gerade auf dem Weg zu "ihrer" Katze, die sie jeden Tag in einem verwaisten Hotelkomplex besuchen, und wir begleiten ihn. Wir sitzen auf der überdachten Terrasse auf gepolsterten Stühlen um den Pappkarton herum, den sie für die Katze hier hingestellt haben. Sie streicht um unsere Beine und frisst das Futter aus der Plastiktüte, die J mitgebracht hat. Ein unkastrierter Kater streift auf der anderen Seite des Windschutzes herum und miaut jämmerlich. Auch er bekommt etwas Futter. Wie alle unkastrierten Kater sieht er ziemlich übel zugerichtet aus und ist misstrauisch und scheu.

C sagte irgendwann auf unserem Spaziergang, dass sie nicht gerne Deutsch redet, weil die Leute immer lachen, wenn sie ihr Schwäbisch hören. Ich sei die Erste gewesen, die nicht gelacht habe. Englisch ist ein neutrales Territorium, auf dem sie sich vor dieser “Blamage” schützen kann. Dass sie sich nicht wohl fühlt, wenn sie Deutsch sprechen soll, habe ich jedoch schnell bemerkt, da sie nach einer Weile hartnäckig darauf bestand, mir auf Englisch zu antworten, worauf wir dann bald völlig zu Englisch wechselten und ich nur manchmal im Gespräch einen deutschen Ausdruck verwende, wenn ich das englische Wort nicht weiß.

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