Montag, 3. August 2020

21. Juli -

2020/07/21 21:17 



Bin ich denn überhaupt hier gewesen? Oder bin ich die ganze Zeit davor geflohen? 



Heute Arbeit am A-Text. Ich zweifle an jedem Satz. "Mach es jetzt einfach fertig", schreibt P. "Es ist gut." 



Es soll wieder heißer werden. Noch heißer. Nachmittags lag ich wieder erledigt auf dem Bett, schlief über eine Stunde, wackelte dann hinaus in die Nachmittagshitze, nähte einen Knopf an meine Shorts. 



Jetzt auf der Terrasse. Die Sonne ist untergegangen. Die Zikaden sägen, die Hunde bellen, der Himmel über dem Dorf ist eine Symphonie von Farben. Die Burg ist angeleuchtet. Wie kann man sich an jemals daran gewöhnen? Diese Schönheit. Aus dem Abstand. Je näher man kommt, desto mehr bröckelt die Schönheit. 



Der Käfer: Etwas krabbelte an meinem Bein, als ich gerade den Knopf an die Shorts nähte. Ich rieb mit dem Fuß dagegen. Als ich schaute, sah ich, dass es ein großer Käfer gewesen war. Zwei Beine lagen auf dem Boden, daneben der reglose Körper. Schlechtes Gewissen. Warum habe ich nicht nachgeschaut, einfach nur meinen Impulsen blind gehorcht? Eine Weile später sehe ich, dass der Käfer nicht tot ist. Völlig versehrt kämpft er darum, sich fortzubewegen, schleppt sich im Kreis herum. Auch Fliegen ist nicht mehr möglich. Ich wünsche, dass eine Katze käme, dieser Qual ein Ende bereiten würde. Aber nach einer Weile muss ich einsehen, dass ich selbst es machen muss. Gehe, um einen Stein zu holen. Entschuldige mich bei der Kreatur, der ich solches Leid zugefügt habe. Entschuldige mich, weil ich ihm jetzt das Leben nehme. Schlage mit dem Stein zu, nehme den zerquetschten, toten Käfer an einem Bein und werfe ihn in den Rosmarinbusch. Was ging in ihm vor, als er sich so mühselig über den Boden schleppte? Hinterher denke ich mir ein Szenario aus, in dem ich mit ihm zur Tierärztin fahre und sie bitte, ihm einen kleinen Rollstuhl zu basteln. Wir leben zusammen, bis der Tod uns scheidet. Plötzlich sind wir Verbündete, karmisch miteinander verschweißt. Werde ich diesen Moment auch vergessen, wie das meiste sonst? Oder wird er in meinem Gedächtnis bleiben? 



Meine Mutter ist heute mit dem Bus zum Treffen mit ihren ehemaligen Klassenkameradinnen gefahren, schrieb meine Schwester. "Eine schöne Entwicklung." Gestern sprach ich mit ihr (unserer Mutter). Erst zählte sie mir alle Argumente her, die gegen dieses Treffen sprachen, aber kurze Zeit später hatte sie sie vergessen. 



Präsent sein ist die größte und die schwierigste Aufgabe. Immer wieder ziehen wir etwas hervor, das uns von dem jetzigen Augenblick trennen kann, weil wir ihn nicht aushalten. Warum? Weil er kein Futter für unser Ego bietet. Er ist einfach nur da. Immer versuchen wir, ihn in ein System, in eine Kategorie einzuordnen, unserer Weltsicht zu unterwerfen. Warum? Weil unser Ego Angst vor der Auslöschung hat, weil es nicht erträgt, ein Teil von einem Ganzen zu sein. Aber warum sind wir so konstruiert? Wenn ich erlebe, dass Tiere mich als Bedrohung sehen, dass sie versuchen, mir zu entkommen, frage ich mich, was in ihnen vorgeht? Geht etwas ihn ihnen vor? Gibt es einen Funken Bewusstsein, der sich gegen den Tod, gegen die Auslöschung auflehnt? Und was unterscheidet mich von den Ameisen, die ich von der Arbeitsfläche am Spülbecken wische? 



Heute sah ich eine weitere von Artemis' Töchtern: eine faszinierende, natürliche Schönheit. 




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