Montag, 18. Oktober 2010

We can travel a long way

„We can travel a long way and do many different things, but our deepest happiness is not born from accumulating new experiences. It is born from letting go of what is unnecessary, and knowing ourselves to be always at home.” (Sharon Salzburg)

immer wieder nacht und regen, der in bächen vom dach herunterrinnt   -   und neblige frühe dunkle morgen, der hahn, der unermüdlich kräht   -   und das geräusch der oliven, die vom baum herunterfallen und auf dem steinboden vor der terrasse landen   -   und wie ich an olivenplantagen vorbeiwandere, vorbei an improvisierten zusammengeflickten gattern und zäunen, an improvisierten, windschiefen unterständen   -   die schwarzen netze, die unter den olivenbäumen ausgelegt sind   -   und granatäpfel und orangen an ästen, die sich biegen unter dem gewicht   -   und der alte mann mit der dicken halskrause auf dem weg von molyvos nach petra, der die oliven in seinem garten aufsammelt   -   und die frau in blauem faltenrock und rotem pullover, die am kai von petra steht und eine angelschnur ins wasser hält   -   und die alte schwarzgekleidete frau, die mir griechisch beizubringen versucht   -   und immer wieder katzenbesuch am abend auf der terrasse   -   die weiße katze, die katze mit den drei braunen flecken, die katze mit der weißen schwanzspitze   -   und die alten männer, die überall in gruppen herumsitzen (auf der straße, an der tankstelle, in den cafés) und sich unterhalten   -   und die alten frauen, die immer mit etwas beschäftigt sind (fegen, den müll wegbringen, die wäsche aufhängen)   -   und ein traum von orhan pamuk und von roten stiefeln  -   und ein traum von den noten zu einem musikstück, das „regen in istanbul“ heißt   -   und der taxifahrer, der mich schweigend durch nebel und regen bringt und zum abschied die hand auf sein herz legt   -   und ein dicker insektenstich auf meinem oberschenkel   -   und abende auf meiner terrasse   -   teelichter, die immer wieder ausgehen und die ich immer wieder anzünde   -   und wie es über nacht erst herbst wird und dann über nacht wieder sommer   -   und gewitter, über den ganzen himmel verteilt, gewaltsame donnerschläge   -   und lesen, lesen, schreiben, schreiben   -   und die insekteninvasion eines abends (die gelbe wand hinter mir schwarz von insekten)   -  und die kleinen öligen tausendfüßler auf dem fußboden überall, die ich jeden abend und jeden morgen mit einem stück papier aufklaube und ins klo werfe   -   und ouzo mitten am tag im kommunalen café und in der sonnenhitze   -   und wie ich meine gebratenen sardinen mit der katze teile (die köpfe für sie, der rest für mich)   -   und nie beneide ich die touristen, die als pärchen umherlaufen, mit reisehosen und reiserucksack und reiseführer in der hand   -   und der alte mann, der sagt „nice weather, I will go fishing today“   -   und nie wissen, ob es yassas heißt oder yassu bzw. was der unterschied zwischen den beiden ist   -   und der internetmann mit der wilden dunklen mähne und dem wilden dunklen blick   -   und keine nachricht, keine nachricht   -   und wandern wandern   -   mit blasen an den füßen wandern   -   mit lehmklumpen an den schuhen wandern   -   über den berg wandern, vorbei an den verbrannten büschen   -   und mir den weg bahnen durch stachlige büsche, und pfützen ausweichen, über steine stolpern   -   und nescafé mit warmer milch am morgen   -  und das handy vor mir selber verstecken   -   und dicken yoghurt am morgen   -   und retsina am abend und schafskäse am abend   -   und wie ich plötzlich vom wunsch befallen werde, unter dem dach aufzuräumen, auszumisten, sauberzumachen   -   und wie ich unter dem dach aufräume und staubsauge, wische und und in der dunkelheit tüte um tüte mit müll zum müllcontainer trage   -   und baden in der heißen quelle (immer wieder in der heißen quelle baden)   -   und der holländer, dessen weite badehose sich mit luft füllt wie ein ballon, als er in das becken steigt   -   und das kleine mädchen, das die füße ins wasser steckt und „heiß!“ ruft   -   und mich freuen, als jemand mir zuruft „hello! how are you?“   -   und so weit ins meer hinausschwimmen   -   und noch weiter ins meer hinausschwimmen   -   und am menschenleeren strand liegen, meinen schal auf dem gesicht als schutz gegen die sonne, und träumen, dass jemand mich anblickt (schweigend, und ohne meinem blick auszuweichen)   -   und unter den steinen am strand nach dem einen stein suchen, nach meinem stein   -   und der kleine hund, der mir unermüdlich folgt und dann vorausläuft und immer wieder anhält und sich umblickt   -   und wie ich mich allmählich einrichte im schweigen, in der zeitlosen zeit   -   und wieder regen in der nacht, der vom himmel herunterstürzt, und regen, der vom dach, von den bäumen tropft   -   und wie ich plötzlich nie wieder weg will von hier   -   und wie ich plötzlich die sekunden zähle bis zu meiner heimkehr  

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Lesbos 13/12 2021

Am Morgen wachte ich zum Plätschern des Regens auf. Machte mir Kaffee, schmierte mir Brote, packte eine Portion gesalzene Oliven in den Ruck...