Donnerstag, 14. Oktober 2010

Nachtrag: Dunkel in Istanbul

Nachtrag zum gestrigen Morgen, an dem ich so ziemlich alles tat, wovon ich anderen abraten würde.

  1. Da ich morgens um 6 Uhr allein im Dunkeln an einer Bushaltestelle stand und plötzlich nicht sicher war, ob überhaupt zu der Zeit ein Bus kommen würde, stieg ich in einen Minibus, der neben mir anhielt und in dem bereits 5 übermüdete Männer saßen, offensichtlich auf dem Weg zur Arbeit. Keiner konnte Englisch, aber der Fahrer nickte, als ich „Yenikapi“ sagte.

  1. Der Fahrer ließ mich an irgendeiner anderen dunklen Stelle der Stadt aussteigen und auf meinen Protest hin („Was? Das ist aber nicht Yenikapi!“) bedeutete er mir, in einen anderen Minibus einzusteigen, der neben uns angehalten hatte und in dem auch bereits ca. 5 übermüdete Männer saßen, offensichtlich auf dem Weg zur Arbeit. Keiner der Männer konnte Englisch, der Fahrer des ersten Busses sagte etwas zu dem Fahrer des zweiten Busses. Der schien unzufrieden zu sein, fuhr aber dann los.

  1. An einer noch dunkleren Stelle der Stadt hielt der Fahrer des zweiten Minibusses schließlich an und sagte „Yenikapi“ zu mir. Da ich so entrüstet „what?“ sagte, verlangte er nicht einmal Geld von mir, und einer der übermüdeten Männer (der während der Fahrt, auf der mir plötzlich einfiel, wie grenzenlos dumm ich war, so ziemlich erfolglos versucht hatte mit mir ein Gespräch zu führen) stieg mit mir aus und bedeutete mir, ihm zu folgen, ins noch tiefere Dunkel der Stadt hinein. „Otobüs Yenikapi“ sagte ich, so gut war mein Türkisch schon nach einem Tag, aber er winkte nur, ich solle kommen und nickte eifrig. Ich hatte keinen Grund ihm zu miss-, aber auch keinen Grund ihm zu vertrauen, beschloss also lieber vorsichtig zu sein.

  1. Ich sprach an einem Imbiss einen Mann an, der gerade frühstückte, und zum Glück konnte er Englisch, sagte, er würde mich nach Yenikapi bringen, in ca. 3 Minuten, und da er freundliche Augen hatte und der andere Mann zufrieden mit dieser Lösung schien, bestellte ich mir auch einen frisch gepressten Orangensaft und wartete. Als ich begriff, dass der Lastwagen, der am Straßenrand parkte, dem Mann gehörte, wurde ich dann wieder etwas unsicher, vertraute dann aber meiner Menschenkenntnis (den freundlichen Augen) und stieg ein. Tatsächlich war es nur ca. knapp ein km zum Fährhafen, auf dem er aber Zeit hatte, mir zu sagen, wie gefährlich das Viertel sei, in dem ich ihn aufgegabelt hatte. Und als ich sagte, ich käme aus Deutschland, lachte er und sagte "Little Turkey".

  1. Er fuhr mich zum Eingang des Fährhafens Yenikapi, schüttelte meine Hand, die ich ihm hinhielt, wenn auch mit einem schlaffen Händedruck, und wünschte mir eine gute Reise, ohne mir zu verraten, dass er das selbe Boot nehmen würde, so dass ich ziemlich überrascht war, als ich ihn an Bord der Fähre wiedersah. Wir winkten uns aber nur aus der Entfernung zu, und ich widmete mich wieder meinem Buch, während er den Rest der Reise schlief.

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