Dienstag, 14. September 2010

Raw Material With Continuous Shift MMMMM

(das ist der Titel eines Bruce Nauman-Videos, bei dem er sich im Kreis dreht, dabei den Laut "mmmmm" hervorbringend)

11:49 Als ich das Sankt Oberholz verlasse und mich an eine Straßenbahnhaltestelle stelle, fragt mich ein Penner, der hier mit seinem Kumpel hier Bier trinkt, "na, auf dem Weg nach Hause?". "Nein, bin grade angekommen", sage ich. Er will wissen woher, Schweden sage ich, schönes Land sagt er, er kennt einen Schweden, aus Stockholm, "sehr netter Mann", er heißt "auch Lindfors", wieso auch, frage ich, naja, "alle Schweden heißen Lindfors", dann sagt er etwas anderes, was ich im Geräusch der heranfahrenden Straßenbahn nicht verstehen kann, wir wünschen uns gegenseitig einen schönen Tag.

Bruce Nauman, Room with My Soul Left Out, Room That Does Not Care, 1984

Ich von hinten in einem Naumanschen Gang
12:15 Ich kaufe mir eine Eintrittskarte für die Bruce-Nauman-Ausstellung im Hamburger Bahnhof. Laufe herum. In enge Gänge, klaustrophobische Räume, Erweiterungen, Verengungen der üblichen Vorstellungen von Raum + Dimension. An einem Dienstag gibt es zahllose Menschen, die das Gleiche tun wie ich, unsere Wege kreuzen sich, unsere Blicke treffen sich, wir wandern umher in einer Art Ausnahme- und Glückszustand (Glück, weil die Alltagswelt hier ausgesperrt bleibt). Was wäre eine Ausstellung eigentlich ohne diese herumwandernden Gestalten? In einen Raum darf nur ein Mensch auf einmal hinein, dafür bekommt er den Schlüssel von einem Wächter ("bis zu einer Stunde", doch die meisten verlassen ihn schon nach ca. 30 Sekunden wieder).

Kommt man als ein Anderer heraus, wenn man wirklich eine Stunde hier drinnen bleibt?
14:03 Hungrig bestelle ich an einem Dönerstand vor dem Hauptbahnhof ein Chicken Döner (woher diese fleischliche Lust, die mich zur Zeit befallen hat?), von einem kurz angebundenen Dönerverkäufer, der zwar nur im Telegrammstil mit mir redet, mir aber dann umsichtig einen Tisch freiräumt, an den der Regen nicht ranreicht. Nach einer Weile sitzen ungefähr acht Spatzen zu meinen Füßen. Ich fange an, ihnen ein paar Brösel vom Dönerbrot hinzuwerfen. Da kommen gleich ungefähr noch einmal so viele herangeflogen. Als ich nach einer Weile hochblicke, sehe ich, dass ein paar Fußgänger stehengeblieben sind und amüsiert das Bild von mir und den Spatzen betrachten. "Ach guckmal wie süß...", sagt eine Frau. Komisch, es fällt mir auf, dass ich mit den Spatzen schwedisch rede. (Süß ist es übrigens nicht, sondern ein harter und egoistischer Kampf um die herabfallenden Brösel. Als einer der Spatzen ein großes Bröselstück abbekommt, muss er besonders weit wegfliegen, um damit allein sein zu können.)

14:34 Kaufe mir am S-Bahnhof Friedrichstraße ein Paar blaue Clarks mit rosa Streifen an der Sohle und rosa Schnürsenkeln. Die Farbe Rosa ist völlig unversehens, doch mit Nachdruck in mein Leben hereingeplatzt, ich sah die Schuhe im Schaufenster und wusste sofort, dass ich sie haben musste. Schön weich, und mit altmodischer Kreppsohle. Leider völlig ungeeignet für das Regenwetter, da aus Wildleder.


15:12 In der S-Bahn stehe ich neben einer vierköpfigen Frauengruppe, von denen eine den anderen über ihre Ehescheidung (die ökonomischen Aspekte) erzählt. Ach ja, vom Döner bin ich übrigens ganz schrecklich durstig und muss mir aus einem Automaten eine Flasche Mineralwasser herauslassen.

15:43 Endlich Ankunft bei M und F. Teetrinken in der Küche. Austausch von Neuigkeiten. "Hast du eine neue Brille?" und andere wichtige und schöne Dinge, aber auch schockierende Nachrichten, z.B. vom gemeinsamen Freund H, der heute oder morgen am Herzen operiert wird.

19:47 In mein Dachkämmerchen regnet es herein.

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