Mittwoch, 15. September 2010

Freunde besuchen

8:32 Wache ich auf, und als ich das Handy einschalte, höre ich einen freundlichen Piepton. Wie kann man sich so über 7 Wörter freuen? Nunja, ich weiß jetzt jedenfalls, dass es möglich ist.

9:27 Ich frühstücke, während F am selben Tisch irgendwelche Papierarbeiten für die Schule macht. Das Morgenlicht flutet über Tisch, Papier, Müsli, Kaffeebecher, und ich denke an H, der spätestens heute eine neue Aortaklappe bekommen soll.

10:23 Ich habe den Schlüssel zu Ms Atelier bekommen, damit ich das Fahrrad dort herausholen kann. Fühle mich frei, nach Lust und Laune zu fotografieren. So Wunderbares stellt sie dort her:

Hasen mit goldenen Ohren in Ms Atelier

12:05 Auf alten Wegen radeln. In der warmen Septembersonne Berlins. In der Pallasstraße mache ich halt, um ein Satellitenschüsselbild zu machen. Die neueste Mode in der Satellitenschüsselwelt scheinen persönlich gestaltete Überzüge zu sein, mit einem Bild Ihrer Tochter, Ihres Hundes oder eines anderen Lieblingstiers oder einer schönen Blume. Ein Mann kommt vorbei, hält inne, dreht sich zu mir um. Sagt, das ist der Wahnsinn mit den Satellitenschüsseln. Ja, sage ich, vor allem diese Überzüge da faszinieren mich. Kommen Sie aus Westdeutschland?, fragt er. Das ist die alte Berliner Frage. Vor über zwanzig Jahren war sie üblich, aber heute klingt sie antiquiert. Weshalb ich auch mit "nein" antworte. Der Mann, selber Berliner, scheint in einer Zeitschleife steckengeblieben zu sein. Er findet die Satellitenschüsseln jedenfalls widerlich, lässt er mich wissen und geht weiter, nachdem er mir einen schönen Tag gewünscht hat.



12:34 Ich besuche W in seiner schönen Buchhandlung in Friedenau

Wir trinken Milchkaffee und unterhalten uns zwischen Telefonanrufen und Kundenbesuchen, übers Leben, über die Arbeit, über Bücher, über Krankheiten, über seine Tochter, die gerade in Kopenhagen ist und westgrönländisch lernt (Warum nicht ostgrönländisch, hat er sie gefragt, aber sie hat es nicht lustig gefunden). Er sagt, ich hab ein Buch hier, das wollte ich dir schicken, es wurde aber dann nichts daraus. Es sind die Sonette von Albrecht Haushofer, der von Dezember 1944 bis April 1945 in Moabit in Haft saß und kurz vor der Befreiung Berlins von den Nazis erschossen wurde. Alle achtzig Sonette wurden während der Haft und heimlich geschrieben. Als ich im letzten Herbst hier war, habe ich mit W die Gedenkstätte vom Zellengefängnis Lehrter Straße besucht und dabei die Toninstallation von Haushofers Sonetten angehört. Freu mich ungemein über das Buch, blättere gleich darin, um das Mückengedicht zu finden, das mir im Gedächtnis geblieben ist.  

16:30 Nach einem Mittagessen im Rani (Goltzstraße) und einer langen Fahrradtour durchs immer noch sonnig warme Berlin (alte Wege! tausend Erinnerungen!) sitze ich wieder im Sankt Oberholz. Nächster Programmpunkt ist ein Besuch in den Kunstwerken gleich hier um die Ecke.

2 Kommentare:

Unknown hat gesagt…

Hier ein Interview mit dem Künstler Daniel Knipping, der das Projekt mit den Satellitenschüsseln initiiert hat

http://potseblog.de/?p=1146

Viel Spaß beim Lesen.

Hineshm hat gesagt…

Danke für den Tipp! Hab den Link in den Text eingebaut.

Lesbos 13/12 2021

Am Morgen wachte ich zum Plätschern des Regens auf. Machte mir Kaffee, schmierte mir Brote, packte eine Portion gesalzene Oliven in den Ruck...