Donnerstag, 5. Mai 2016

In dem weißen Hotelzimmer

In dem weißen Hotelzimmer wird der Blick plötzlich klar: ohne Dinge sein!

Ich denke plötzlich an meinen Vater, der eigentlich nichts besaß, außer Kleidung, ein paar Stiften, den Ordner mit den Gedichten. Schon als Kind dachte ich oft, dass er kein Bedürfnis zu haben schien nach materiellen Dingen, dass er nie etwas für sich selber kaufte, sondern immer nur für uns, für die Familie, etwas Gemeinsames, das wir dann teilten.

Vor einigen Wochen schrieb ich: "Don't try to preserve yourself, your past life, your past dreams. Just do what you need to do. Now. Don't let the stuff keep yourself from moving on (inner and outer stuff)."

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Ich nehme an, er ist irgendwas zwischen siebzig und achtzig. Er geht mühsam. Er ist eine Legende in Schweden. In Japan verehrten sie in als Kriegergott. Er versucht uns alles mitzuteilen, was er über Aikido weiß, seine Reflexionen, seine Philosophie, aber die Zeit rennt ihm davon und immer wieder schaut er auf die Uhr und stößt einen Laut des Entsetzens aus. Am Rand der Matte hat er einen Stoß verknitterter Schaubilder abgelegt. Eines davon erläutert er, eine Sammlung von Strichen und Pfeilen, aber was er eigentlich sagen will, wird nicht ganz klar. Eine ganze Stunde lang stehen die zwei Helfer da, einen Stock zwischen sich, an dem eines der Schaubilder mit Wäscheklammern befestigt ist. Er hat ein Schwert in der einen und einen Kollegblock in der anderen Hand. Das Schwert ist eigentlich dazu gedacht, auf das Schaubild zu deuten, aber er benützt es nie. Es hindert ihn während der ganzen Stunde seines Vortrags nur daran, unbehindert im Kollegblock weiter zu blättern. Was ist Aikido? Wir halten einander an den Handgelenken fest. Wie war Ueshiba, der Gründer des Aikido, den er noch in Japan gekannt hat: Wie eine Verkehrsampel, mal grün, mal gelb, mal rot. Er bat einmal einen Japaner, ihm zu übersetzen, was Ueshiba so sagte, aber der Japaner sagte: Ich verstehe es auch nicht. Sitzt ihr manchmal am Küchentisch und bewegt eure Hände so? Natürlich. Und warum? Keiner antwortet. Seine Lösung: weil es sich gut anfühlt!

Blick aus dem Hotelzimmer

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