Freitag, 14. Dezember 2012

"Was hast du heute gemacht?"

Sitze in meinem Sessel. Eine Katze schläft auf dem Bett, die andere untersucht gerade die Notenbox, die auf dem Teppich steht, weil ich heute Weihnachtsnoten herausgesucht habe.

Was hast du heute gemacht, fragte P mich gerade am Telefon? Was ich heute gemacht habe? Es fällt mir schwer, mich zu erinnern. Einmal war ich draußen, nein zweimal, nein dreimal, das erste Mal, um die Katzenleiter aufzustellen, das zweite Mal, um den Müll rauszubringen und die Katzenleiter wegzunehmen, das dritte Mal, um beim Postladen auf der anderen Seite des Platzes ein Paket abzuholen, das noch nicht angekommen war und jetzt wohl erst am Montag kommt. Ich habe weder gelesen noch geschrieben noch sonst irgendetwas gemacht, was man erzählen könnte. Einige Zeit habe ich mit dem Versuch verbracht, eine bösartige Toolbox von meinem Computer zu entfernen. Vergeblich. Das Ganze endete damit, dass ich Google Chrome völlig deinstallierte und stattdessen Opera installierte.

Ich bekam mit der Post einen Steuerbescheid, der mich wieder zurück katapultierte in die Zeit, in der E noch in meinem Leben war, wenn auch fern, sehr fern. Sie legte damals - wir saßen in ihrem Büro vor ihrem Computer - kurz die Hand auf meinen Rücken, und das war vielleicht das letzte Mal, dass meine Körperwärme und ihre Körperwärme aufeinander trafen. Für sie war das damals schon eine bedeutungslose Geste, für mich waren noch alle Gesten mit Bedeutung aufgeladen. Sie half mir mit meiner Steuererklärung, etwas, wogegen sie sich vorher die ganze Zeit gewehrt hatte. Vielleicht war die Tatsache, dass sie mir an jenem Tag im April plötzlich ihre Hilfe anbot, ein Zeichen dafür, wie groß ihre Gleichgültigkeit, ihr innerer Abstand inzwischen schon geworden war.



wo ich lebe

Keine Kommentare:

Lesbos 13/12 2021

Am Morgen wachte ich zum Plätschern des Regens auf. Machte mir Kaffee, schmierte mir Brote, packte eine Portion gesalzene Oliven in den Ruck...