Dienstag, 1. Februar 2011

Writer's Box

Märi sagt, ich soll in die Hände spucken und die Ärmel hochkrempeln. Ich soll meinem Impuls nachgeben, der zweifellos wertvoll ist und der Menschheit Nutzen bringen wird.

Und ich greif zu Holzbrettern, Säge, Schraubenzieher, Schrauben, Nägeln, denn eine gewaltige, durch nichts zu bändigende Schaffenskraft erfüllt mich. Ich muss jedoch auch grübeln, rechnen, mit verschränkten Armen herumstehen, Striche mit dem Lineal ziehen, rechte Winkel abmessen, meine Stirn in Falten legen. Erst zerstör ich, dann bau ich wieder auf. Die Freude, die mich erfüllt, wenn ich einen Nagel in ein Stück Holz treibe! Schon nach ein paar Hammerschlägen habe ich aus den herumliegenden Latten etwas hervorgebracht, das in meinen Augen sehr schön ist, auch wenn ich nicht weiß, wohin es wachsen will und was sein Daseinszweck ist.

Größeres wartet noch auf mich. In der größten Unordnung kann ich am allerbesten aufs Denken verzichten. Aus Holzresten baue ich einen kleinen Käfig zusammen, in den ich mich hineinsetzen kann, wenn ich die Knie bis zur Brust anziehe. Dort bringe ich eine Glühlampe an, die an einem Kabel von der Decke herunterbaumelt. An einer der Wände befestige ich ein winziges Regal. Dieses kann Salz, Streichhölzer, einen Bleistiftstummel und andere überlebenswichtige Dinge beherbergen. Nun bringe ich ein Schild mit der Aufschrift „Writer’s Box“ so an, dass es von überall her gesehen und gelesen werden kann. Ein Fenster brauche ich noch, jedenfalls bild ich mir das ein, das werde ich aus kleinen Papierfitzelchen herstellen, und auf die Papierfitzelchen kritzel ich mit schwarzer chinesischer Tusche winzige Geheimbuchstaben.

Manchmal zweifle ich überhaupt nicht, da ergibt eine Handbewegung die nächste und das Leben ist wie ein schnurgerader, silbrig glänzender Fluß, der durch meine innere Landschaft zieht.

Meinen Käfig hänge ich in die Bäume und klettere geschwind und behende hinauf und wieder hinab. Mit Leichtigkeit benütze ich sowohl Hände als auch Füße zum Klettern, Festhalten, Hochziehen. An einem der ersten Abende im neuen Zuhause häkle ich mir eine schafwollene Mütze, die mir dann den Kopf bis auf Weiteres wärmt, durch den im Normalfall der größte Prozentsatz der Körperwärme entflieht.

Das Schaukeln und Baumeln in den Zweigen hat eine positive Auswirkung auf mein inneres Gleichgewicht. Ich kratze mir den Rücken, den Kopf, das Schienbein, knabbere ein wenig an meinen Fingernägeln und gähne, dass es in den Kiefern knackt, und einmal am Tag ziehe ich das Seil hoch und sehe nach, ob mir jemand etwas zu essen in meinen Korb gelegt hat.

Dies mache ich an die dreizehn Jahre, dann wird mir ein wenig langweilig. Mein Haar ist inzwischen so lang, dass ich es mir als Schal um den Hals wickeln kann. Aber an Ideen mangelt es mir deshalb nicht. Ich kämpfe für das Recht des Menschen auf Armut und Verzicht.

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