Donnerstag, 12. Januar 2012

Erinnern heißt vergessen

"Wie lange wird es dauern, bis du alles vergessen hast? Die Wege, die Abzweigungen, die Abfahrtszeiten der Busse. Schon hast du alle Hausnummern vergessen und manche Straßennamen. Alles ist so vage. Du weißt, dass die Stadt am Wasser lag. Du weißt, dass dort ein Weg über das Eis führte, den du einmal im Dunkeln gegangen bist. Du weißt, jenes Haus war blau. Könntest du es zeichnen? Wie sah es aus? Haben sie jetzt die Brücke über die Gleise gebaut? Die Menschen blickten auf den Boden. Die Gedichte waren in einer fremden Sprache geschrieben, die du nicht verstehen konntest. Es gab so viel Stille. Die Stille hüllte dich ein. Du siehst die Felsen, das Eis. Du kennst das kratzende Geräusch der Schneeschaufel im Hof. Du kennst die Farbe des Himmels, wenn die Fähren am Hafen anlegen. Du weißt, wie es sich anfühlt, wenn man im Bauch eines Schiffes liegt, gegen dessen Rumpf die Eisbrocken krachen." (1999)

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