Montag, 2. November 2015

Lilleman

Er sagte, ich solle einen "Lilleman" nehmen, um die Tomatensoße auf dem Pizzaboden zu verteilen (oder einen Gumischaber). Ich sah ihn fragend an. Was ist ein Lilleman? Wie lange bist du schon in Schweden, fragte er, und du weißt nicht was ein Lilleman ist?
Er erklärte mir, ein Lilleman sei ein Messer zum Broteschmieren, mit Holzgriff und Metallklinge. Nie gehört, sagte ich, ein Antrag auf Staatsbürgerschaft würde wahrscheinlich sofort abgelehnt. Aber ehrlich gesagt juckt mich das nicht die Bohne, sagte ich. Ich war sauer auf ihn, weil er sich wegen dem "Lilleman" so aufspielte. Ich nahm einen Gummischaber und verteilte die Tomatensoße auf dem Pizzaboden.
Am nächsten Tag fragte ich P, ob sie wisse, was ein Lilleman sei. Nie gehört! Sie sagte, das sei wahrscheinlich ein regionaler Ausdruck, der aus dem kleinen Kaff in Småland komme, in dem L aufgewachsen ist. Oder etwas, das man in seiner Familie so sagte. Ich muss ihm das erzählen, sagte ich, dass du auch nicht weißt, was ein Lilleman ist, mit deinem Literaturstudium und deinen vielen Büchern und beinah einem Doktortitel.
P weiß auch nicht, was ein Lilleman ist, erzählte ich ihm triumphierend, als ich ihn das nächste Mal sah. Wir vermuten jetzt, dass das ein regionaler Ausdruck ist oder etwas, das man nur in deiner Familie sagt.
Er sagte aufgebracht (ich weiß nicht, ob er es nur spielte), dass das ein allgemeiner Begriff ist und dass die Tatsache, dass P ihn nicht kennt, gar nichts bedeutet. P lebt in ihrer eigenen (kleinen) Welt, das müsstest du selbst gut wissen. Ich dachte ein wenig über diese komische Bemerkung nach, ließ es aber bleiben, darauf damit zu antworten, dass ich fände, Ps Welt sei um einiges größer als seine. Ich glaube, ich frage ein wenig in meinem Bekanntschaftskreis herum, sagte ich. Ich sagte, das (die "Lilleman"-Frage) sei interessant", er hörte aber "inte sant" (nicht wahr) und regte sich gleich wieder ein bisschen auf (oder tat nur so), und dann sagte er, es käme natürlich auf meinen Bekanntschaftskreis an, und das hörte sich für mich wieder so an wie eine subtile Kritik.
Später am Abend saßen wir gemeinsam vor dem Fernseher und ich googelte ein wenig herum. Ich fragte ihn, ob ich ihm vorlesen dürfte, was ich gefunden hatte. Er lag auf seinem Sofa und surfte selber auf dem Telefon herum. Am Fernsehen lief eine Serie, die "Solsidan" heißt (Sonnenseite) und die er unterhaltsam fand (sie handelt von schwedischen Ehepaaren in einem reichen Villenvorort von Stockholm), ich aber fand sie deprimierend.
Die "Lilleman"-Frage ("Handelt es sich bei "Lilleman" um einen geläufigen Begriff oder um einen regionalen bzw. auf eine Familie beschränkten?") war auch im Internet zu finden, und als ich ihm einige Auszüge von Diskussionsseiten und Blogs vorgelesen hatte, in denen Schweden die Frage aufwarfen, andere antworteten, sie hätten den Begriff nie gehört und so weiter und so fort, sagte er, er habe es jetzt kapiert und lachte.
(Die Pointe: Ich brauche jetzt unbedingt einen Lilleman, denn meine Recherche hat mich darauf gebracht, dass es sich dabei um ein völlig unentbehrliches Haushaltsutensil handelt!)


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