Freitag, 12. Dezember 2014

Weißt du noch

Weißt du noch, Mama, sagte sie: Du hattest rosa Samtjeans und silberne hochhackige Schuhe und einen schwarzweiß gestreiften Pelzmantel - quer gestreift -, mit Ärmeln, die nur bis zu den Ellbogen reichten. Du warst die Schönste und Beste von allen, aber ich ging immer ein paar Meter hinter dir - ich war in dem Alter, in dem man die eigenen Eltern peinlich findet, das ging ja nicht anders.

Wir hatten so viel Spaß zusammen, Mama. Weißt du noch, als ich den Birnbaum in deinem Garten in der Rolfsgatan beschnitt und du dich im nächsten Jahr vor Birnen nicht retten konntest? Alles, was sich nur irgendwie dafür eignete, nahmst du her, um Birnen einzulegen, mindestens 50 Kilo Birnen legtest du ein. Was wir Birnen aßen, du und ich, drei Jahre lang konnten wir von diesen eingelegten Birnen essen!

Und weißt du noch, sagte sie, als Hans K zu Besuch kam und ihr euch innig umarmtet und deine Freundin aus Österreich, die gerade zu Besuch war (mit ihrer Tochter, die in meinem Alter war, mit der ich aber trotzdem nichts anfangen konnte), sagte: Ist er nicht ein wenig jung für dich? Denk mal, Mama, sagte sie, die glaubte, dass er dein junger Liebhaber war, dabei konntet ihr euch nur gut leiden. So viele meiner Freunde kamen so gern zu uns, weil du anders warst, anders als ihre Eltern, anders als die meisten Erwachsenen damals waren. 

Da, wo du jetzt hingehst, Mama, sind schon viele aus jener Zeit, sagte sie, zum Beispiel Bernd H, erinnerst du dich an ihn? Weißt du noch, als wir mit ihm zur Gaybar gingen, ich war vielleicht vierzehn oder fünzehn und My stand hinter dem Tresen und schenkte uns Bier aus, obwohl du gar kein Bier mochtest und ich eigentlich auch nicht, und ein Mann fing an, dumme Sachen über uns zu sagen, und du hautest mit der Faust auf den Tisch und sagtest, auf meine wunderbaren jungen Leute lasse ich nichts kommen, und My war so beeindruckt, dass sie uns noch ein Bier ausschenkte, und viele beneideten mich dafür, eine solche Mama zu haben. Sie bewunderten dich, Mama.

Da, wo du jetzt hingehst, sagte sie, wirst du ganz viele Bewunderer haben, Bewunderer, die nichts wollen als dich bewundern.

Bittan, sagte sie. Weißt du noch. So hat Großvater dich genannt: Bittan.

Du hast alles richtig gemacht. Alles ist gut, sagte sie. Wir brauchen dich nicht mehr. Ich brauche dich nicht mehr. Du hast so einen verdammt selbständigen Menschen aus mir gemacht, ich komme jetzt allein zurecht. Du brauchst jetzt nicht mehr stark sein, du kannst dich jetzt einfach ausruhen.

Vielleicht triffst du Bastet dort, und Lilla Gul, vielleicht triffst du Pysse. Und Jackie. Wer war Jackie, fragte ich. Das war ihr Hund, als sie ein Mädchen war. Ein Collie.

Ja, und deine Eltern, ganz sicher triffst du deine Eltern. Und es wird alles ganz leicht sein. 

Zu mir sagte sie, in der Nacht (die sie im Zimmer auf einem provisorischen Bett verbracht hatte) habe sie geträumt, dass sie einen blauen Wellensittich fand, der auf dem Boden lag, und sie habe sich gedacht, so ein schöner Wellensittich, ich muss ihn in einen Käfig setzen und gut auf ihn aufpassen.

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