Sonntag, 3. Mai 2015

Das Geländer

Ich kann nicht schreiben, ohne mich irgendwo festzuhalten, panisch greife ich nach dem Geländer, ich werde vielleicht fallen und zwar sehr, sehr tief!

Ein Buch gibt es, aus dem mir der Freund entgegen spricht. Plötzlich höre ich seine Stimme, plötzlich ergreift mich die Erkenntnis, dass ich sie nie wieder hören werde, nicht so, nicht so wie damals, vor Jahren, Jahrzehnten beinahe. Wir waren doch Freunde, wir hätten doch Freunde werden können, er lud mich ein in sein Haus im Wald, wir hätten doch noch öfter zusammen frühstücken, die Nachrichten am Radio anhören können!

Das ist jetzt dein Zuhause, hatte er doch gesagt! Du kannst kommen, wann du willst.

Er hielt es doch aus, wenn ich weinte, er streckte sich doch auf der Matratze neben mir aus, in voller Kleidung, er lehrte mich doch das Stillsein, Holzhacken, ich weiß doch noch genau, wie er einen Fuß vor den anderen setzt, wie er sich räuspert, ich habe doch sogar Freundschaft geschlossen mit seiner Frau, seinem Sohn! Nur seine Geliebte meide ich, mied ich, ich muss von allem im Imperfekt schreiben...

Ich habe nicht gewusst, wie sehr ich du mir fehlst, schrieb ich ihm.
Im Unterschied zu dir habe ich immer gewusst, wie sehr du mir fehlst, schrieb er zurück.

Ich las es IHR vor, wir saßen auf dem Boden in meiner Küche, als seine SMS kam, ich war bereits dabei, sie zu verlieren, ich hoffte, sie zurück gewinnen zu können, aber sie wandte sich leichthin ab.

Auch er weiß von dem eiskalten Blick, der das Herz zum Gefrieren bringt, ich habe es heute gelesen, in seinem Buch.

Ich floh vor dem Buch in die Kälte der Nacht.

Immer gibt es irgendeine Katze, die ich vermisse, ich rufe Namen in die Dunkelheit, ich hoffe auf gute Nachrichten.

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