Montag, 16. März 2015

## Erster Tag


## Erster Tag

Am ersten Tag wird Ordnung geschaffen. Die Gegenstände werden sorgfältig aneinander ausgerichtet. Bücher werden der Größe nach aufeinander gestapelt. Im Kleiderschrank hängt nichts mehr verkehrt herum. Der neue Anfang ist frisch, tut jedenfalls so. Er leuchtet aus jeder Ecke. Selbst die Katzen machen mit und setzen sich besonders schön hin, mit säuberlich nebeneinander platzierten Tatzen. Aus dem Lebenskalender werden einige Tage (Jahre) entnommen, säuberlich gewaschen und weichgespült und an einer durch das Zimmer gespannten Leine aufgehängt. Es sieht alles recht gut aus, wenn auch die Müdigkeit sich nicht leugnen lässt, ein gewisser schleppender Schritt, eine Hand, die hin und wieder zum Rücken fährt, eine zweite Hand, die über die Augen streicht und ein wenig dort verweilt, als müsse die sanfte Berührung ein wenig ausgekostet werden, als liege hinter allem die Sehnsucht nach einem langen Schlaf. Es gäbe Zeit dazu. Die Zeit ist ja in großen Mengen vorhanden. Dass sie einem manchmal knapp scheint, beruht auf einer reinen Täuschung, einer Störung in der Wahrnehmung. Am ersten Tag vor allem ist die Zeit wie ein unerschöpflicher Quell, der aus dem Verborgenen hervorsprudelt. Vieles, nein, alles scheint möglich. Jetzt hört man sogar Musik und vernimmt einen Rhythmus, der sich spürbar von unten nähert, der in die Füße, die Beine, den Rest des Körpers kriecht. Es ist wichtig, dass man jetzt keine plötzlichen und unbedachten Bewegungen macht. Sie könnten das schwebende Gleichgewicht zerstören, in dem die Wirklichkeit sich plötzlich befindet. Vor allem Eile ist völlig fehl am Platz. Sollte man jetzt eine Empfehlung aussprechen, dann ist es diese: nehmen Sie keine Position ein, beanspruchen Sie keinen festen Ort, weder auf der Erdkruste noch in ihrer eigenen mentalen Landschaft. Ein wenig Beweglichkeit scheint ja nicht zu viel verlangt, ein kleiner, winziger Schritt auf das Unbekannte zu. Es erfordert eine gewisse Bereitschaft, den alten Ballast wegzubringen, reulos und auf ein Nimmerwiedersehen. Eine Papptüte fasst alles Mögliche und man wird es nie vermissen. Noch schöner wäre es natürlich, jetzt vor dem Haus ein Feuer zu entfachen und den Flammen anzuvertrauen, was mit zu großem Gewicht an einem zieht oder (...)

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