Donnerstag, 18. November 2010

Buchhandlungsmorgenritual


("Das morgendliche Erwachen beginnt, wenn man sagt bin und jetzt", Christopher Isherwood, A Single Man)

Und so sieht mein Buchhandlungsmorgenritual aus (nachdem ich das Gespenst im Spiegel begrüßt und mich in der engen Toilette gewaschen habe): Ich gehe durch die dunkle Buchhandlung (manchmal stehen schon Leute sehnsüchtig vor dem Schaufenster) hinaus auf die nasskalte Straße und kaufe mir in der Bäckerei an der Ecke ein Buttercroissant, bei einer Frau, die aussieht, als würde sie am Morgen mindestens eine halbe Stunde damit verbringen, sich zu toupieren und zu schminken, und die inzwischen schon weiß, was ich will und auch, dass ich beim Hinausgehen die Tür immer in der falschen Richtung vermute.

In der Küche habe ich die Espressomaschine schon eingeschaltet, und wenn ich zurückkomme, drücke ich den grünen Kopf zweimal (das bedeutet: doppelter Espresso). Schäume Milch auf, tunke das Croissant in den Milchkaffee. Vor dem vergitterten Fenster ist der graue Hinterhof von irgendeinem Liebhaber des Kitsches gestaltet worden. Eine Lourdes-Madonna neben dem Froschkönig vor einer kleinen Holzhütte, in einer Reihe am Zaun nackte Putten in aufreizender Körperhaltung, ein Kürbisgesicht aus Plastik auf einem geziegelten Sockel. Mache mir ein Müsli, schlage ein Buch auf, genieße die Stille, dieses Herausgeschnittensein aus einem Zusammenhang, diese Namenlosigkeit im Hinterzimmer eines Ladens, der selbst noch zu schlafen scheint.

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