Montag, 9. April 2012

Zwei Minuten

"Ich werde jetzt rastlos", sagte sie. "Ich muss jetzt zwei Minuten lang in mein Instrument blasen. Und du schreibst jetzt."
Sie holte ihren kleinen Klarinettenrucksack hervor, setzte die Klarinette zusammen, feuchtete die hölzerne Zunge an. Auf dem Herd stand die Espressokanne und brodelte. Ihre Küche war außerdem noch Musikzimmer und Wohnzimmer. Ein Küchenschrank war zum Notenschrank umfunktioniert, an der Wand stand ein Klavier und auf einem Bartisch, der in den Raum hineinragte, das Mischpult und ein Mikrofon. Auf dem niedrigen Tisch waren noch die Reste unseres Frühstücks, ich saß in einem Sessel, die Katze Önskan auf meinem Schoß. Sie drückte mir ein blaues Papier und einen Stift in die Hand.
"Ich kann nicht", sagte sie.
"Schreib", sagte sie.
Als sie gegangen war, um ihre kleine Tochter abzuholen, räumte ich ab, stellte das Essen in den Kühlschrank, spülte das Geschirr. Dann setzte ich mich wieder in den Sessel und schrieb.
"Schreib", hatte sie gesagt, bevor sie die Tür hinter sich zuzog.
Es war lange her gewesen, dass jemand mir eine Gemeinsamkeit anbot, in der jeder das tat, was er eigentlich tun wollte.
Wir versprachen uns beim Abschied, von jetzt an jeden Tag mindestens zwei Minuten der Tätigkeit zu widmen, für die wir auf der Welt waren.
"Shit", sagte sie noch, "ich hab dich wirklich vermisst."

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