Es regnet still,
kaum merklich, und ich sitze mit dem Pomera und einem Glas verdünntem Ouzo auf
dem Bett. Punxy und Caesarion streichen
hinter meinem Rücken hin und her. Neben mir liegt das aufgeschlagene
Skizzenbuch, mit einem Aquarellbild vom Blick aus dem Fenster. Seit einigen
Tagen sitze ich abends immer am Schreibtisch und zeichne vom IPad ab. Das ist
beruhigend. Ich lande in einem Flow. Die Zeit vergeht, ohne dass ich es merke.
In der Regel bin ich hinterher zufrieden, erfüllt. Ich tue dann eine Weile
nichts anderes als das Skizzenbuch aufschlagen, das Bild betrachten, mit der
Hand darüber streichen. Ich muss mich oft zusammenreißen, nicht zu viel daran
herumzubessern. Früher habe ich fast jedes Bild so verdorben. Inzwischen habe
ich auf Instagram meinen ersten kleinen Erfolg zu verzeichnen: Ein „repost“ auf
urban_sketchers hat mir innerhalb kürzester Zeit über 500 „likes“ eingebracht.
Auch mein A-Text
wächst, gedeiht. Ich gehe ihn immer wieder durch, verbessere Formulierungen,
ergänze die Fakten von unseren WhatsApp-Terminen. Es sind inzwischen 160
Seiten. A ist überzeugt davon, dass wir auf über 200 Seiten kommen werden. Trotzdem
wurde ich heute mal wieder von der Befürchtung gepackt, dass die ganze Arbeit
umsonst sein könnte.
Immer wieder
Katzenkämpfe auf der Terrasse. Das ständige Auf-der-Hut-Sein, der Kampf um das
Futter, um das Revier. Unverdrossen kommen sie am nächsten Tag wieder zurück.
Eine ganz spezielle Intelligenz. Und wo ich auch bin, Bibi taucht nach kurzer
Zeit neben mir auf und miaut ununterbrochen. Nichts besänftigt ihn. Weder
Futter noch Streicheleinheiten.
Nach dem vierten
Krimi von Xialong Qiu lese ich jetzt ein literarisch anspruchsvolleres Buch von
Michael Ondaatje: „Kriegslicht“. Und jedes Mal wenn ich zum Tolino greife, freue
ich mich auf das behagliche Lesegefühl, das die Krimis bei mir hervorgerufen
haben und in dem ich in den letzten Wochen gelebt habe und bin dann etwas enttäuscht,
dass ich mich auf etwas anderes einlassen muss.
Der Ouzo versetzt
mich in ein angenehm wolkiges Gefühl.
Gestern habe ich
bei U und I vorbeigeschaut. I lag gerade in einem Sonnenstuhl vor dem Haus, eingemümmelt in
einen Daunenschlafsack, und las einen Eric Ambler-Krimi. Es fiel mir immer wieder
auf, dass sie nach etwas fragte, was ich bereits ein paar Augenblicke zuvor gesagt
hatte. Hinterher dachte ich, dass sie vielleicht schwer hört. Ich zeigte ihr den
Herzsutra-Tanz, den ich am Nachmittag im Teepavillon geübt hatte und den ich
jetzt an drei Terminen übers Internet anderen beibringen will. Ich war
irgendwie in übermütiger Stimmung, weil es mir gelungen ist, so viele
Internetkurse auf die Füße zu stellen, innerhalb dieser kurzen Zeit. Zwar verdiene
ich wirklich verschwindend wenig Geld damit, aber für das Essen auf der Insel
in den Wochen, die ich noch hier bin, wird es reichen. So habe ich immer
gedacht. Und immer hat es gereicht.
I erzählte mir,
dass jetzt für Bewegungen auf der Insel Passierscheine erforderlich sind, die
man im Internet herunterladen kann und dann ausdrucken und ausfüllen muss. Dort
muss man seine Bewegung eintragen, was man für ein Ziel hat, wie lange es
dauern wird. Aber das kann doch nicht für einen Besuch im Lebensmittelladen
gelten, frage ich. Sie glaubt doch. (Uschi korrigiert das später) Wenn man ohne
Passierschein angehalten wird, zahlt man 150 Euro. Das ist hier viel Geld - die
Leute halten sich also auch daran. Spaziergänge allein oder zu zweit sind
offensichtlich erlaubt. Das ist gut zu wissen - ich habe mich in der
vergangenen Woche nicht vom Gelände wegbewegt. Hinterher gehe ich mit meinen
Abfallbeuteln zur Straße und werfe sie in einen Container. Ich fühle mich wie
ein Kranker, der nach einer längeren Zeit wieder hinausgehen kann. Dabei habe
ich überhaupt nicht unter dieser Begrenzung gelitten. Ich habe sehr viel
gearbeitet und die Tage waren mir fast zu kurz. Inzwischen habe ich eine gute
Routine am Morgen, mit einer Portion Griechisch zum Frühstück, das aus Honigbroten
und Kaffee mit Milch besteht. Dann gehe ich oft erst zum Pavillon und schaue
meine Instagram-Veränderungen nach, lese Nachrichten. Hinterher unters Dach und
meditieren, heute aber nicht, weil es viel zu kalt war. Die Klappe blieb zu. Am
Nachmittag musste ich sogar eine Weile den extra Heizkörper einschalten.
Gegen Mittag esse
ich dann ein zweites Frühstück: Porridge mit Rosinen, Nüssen, Apfel, Honig und Joghurt.
Zwischen vier und fünf esse ich warm, heute: Nudeln mit Linsen und Knoblauch,
darüber geriebener Ladotiri und dazu mein gemischter Krautsalat, den ich liebe
(Rotkohl-Weißkohl-Oliven). Abends esse ich ein paar Brote mit Käse und entweder
Gurke, die aber jetzt aus ist oder wie heute etwas Krautsalat.
Am Abend Internetsitzung
mit dem Vorstand unserer Wohngenossenschaft. U hustet und ist krankgeschrieben.
V erzählt, dass ihr Mann J auch krankgeschrieben ist. Sie sind beide in der
Risikogruppe, er als Mann, Raucher und Überlebender eines Herzinfarkts, sie
wegen ihrer Autoimmunerkrankung. Es gibt nicht vieles zu besprechen. Eigentlich
geht es hauptsächlich darum, wie wir die bevorstehende Jahresversammlung Ende
April handhaben sollen. Verschieben? Aufs Internet verlegen? Bei gutem Wetter
im Freien, mit Sicherheitsabstand? Wir entscheiden uns für die letzte Variante,
persönlich hätte ich Variante eins gewählt. Ich werde da noch nicht zurück
sein, sage ich. P sagt, wir können einen IPad auf den Tisch stellen, so dass du
dabei sein kannst.
Manchmal denke
ich, dass das hier vielleicht die beste Zeit meines Lebens ist. Vielleicht war
ich nie so zufrieden und ausgeglichen, so sehr bei mir selber. Endlich der
Pflicht entledigt, hinauszugehen in die Welt. Ich möchte gar nicht daran
denken, dass ich irgendwann wieder zurück nach Schweden fahren muss. Eine
Episode mit einer schwedischen Kursteilnehmerin heute hat mich wieder mit
meinem altbekannten Groll gegen das Land und seine Leute erfüllt. Ich habe auch
kein Verständnis dafür, dass Schweden mit den Sicherheitsbestimmungen so weit
hinterherhinkt. Heute erst wurden Versammlungen von Gruppen über 50 Personen
verboten. Ich denke hin und wieder, es liegt vielleicht daran, dass das Land
von Krisen und Kriegen zu lange verschont geblieben ist. Man ist nicht an diese
Art von Ernstfall gewöhnt und tut so, als würde die Bedrohung weggehen, wenn
man nicht hinschaut oder allein aus dem Grund, weil in Schweden alles besser
ist als anderswo.
Am Wochenende
putzen und einen längeren Spaziergang machen. Das Gefrierfach auftauen. Am
Montag muss ich Lebensmittel kaufen.
Es ist spät,
genauer gesagt 23:46.
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