Unzufrieden mit
mir selber, weil ich mein Abendessen so nachlässig in mich hineingestopft habe.
Ungesundes Zeug: Weißbrot, Salami, Butter. (Salami nur, weil P sie hier zurückgelassen
hat) Auch Ladotiri - Ziegenhartkäse -, aber das macht diese nährstoff- und
vitaminarme Ernährung auch nicht wett. Auch unzufrieden mit meinen Skizzen heute. Meine Ungeduld. Irgendwo stehe ich mir immer im Weg. Und finde keine
Linie, keinen eigenen Stil.
In der Wohnung müsste
ich auch mal durchgreifen, den Schrank ausräumen, alles neu sortieren. Ich habe
mir beim Toasten des Weißbrots eine Brandblase am Daumen zugezogen, ohne es zu
merken. Meine Backen glühen. Vielleicht habe ich heute etwas Sonne erwischt,
als ich draußen saß und in dem chinesischen Krimi las.
(Der "kleine") Gianni kam, um
sich die Heizung anzuschauen. Es zeigte sich, dass eine Sicherung in einer der
Wohnungen ausgefallen war. Er musste mit seinem Moped zu Anna fahren, um den
Schlüssel zu holen. Als wir den Schalter nach oben kippten, funktionierte
wieder alles. Wie das geschehen konnte, ist ein Rätsel, vielleicht war es, als
ich Wäsche wusch und Anna gleichzeitig staubsaugte, weil sie Barbaras Apartment
für ihre Ankunft vorbereitete. Ich gab Gianni zehn Euro, die er lächelnd
entgegennahm. Das Ganze hat nicht länger gedauert als eine halbe Stunde. Ich
war froh um seine Hilfe und auch froh darüber, dass es nichts Komplizierteres
war.
I erzählte, dass
sie gestern bei ihrer Ankunft am Flüchtlingslager Moria vorbei gefahren sind.
Menschenunwürdig ist es, wie die Leute dort hausen. In Deutschland stehen die
Flüchtlingsheime leer und haben Bereitschaft angemeldet, Flüchtlinge (z.B. alleinreisende Kinder) aufzunehmen, aber es wird vom Bund nicht genehmigt. I meint, die Angst vor der
AfD sei so groß, dass Berlin blockiert. Für das geschlossene Flüchtlingsheim,
das man hier auf Lesbos bauen wollte, habe man einen Bauer kurzerhand
enteignet. Das Land, das seit Generationen seiner Familie gehört hat, sei ihm
ganz einfach ohne Entschädigung abgenommen worden, weil er es nicht genutzt
hat. Wie kann das sein? Das kann doch nicht sein, sage ich. Doch,sagt I. Das
sind rechtlose Zustände.
Das Wetter war
seltsam heute und ich war rastlos und gleichzeitig wie gelähmt. Draussen ist es
windig. Eine Katze miaut. Revierkämpfe. Afro war im Heizungskeller
eingeschlossen, es muss gestern abend passiert sein, als ich mit der
Taschenlampe mehrmals hin und her lief. Ich hörte sie miauen, als ich am
Vormittag daran vorbeikam. Ich entschuldigte mich bei
ihr, aber sie hatte mir schon verziehen und schwänzelte mir um die Beine, froh,
endlich wieder im Freien zu sein.
Bekam von I ein
Spinatpie, das ich mir zum Mittagessen aufwärmte. Dazu machte ich mir ein
Omelette mit einer halben Tomate und aß einen Salat mit Oliven dazu. Ganz
ungesund war meine Ernährung heute also doch nicht.
Lief durchs Dorf
und war völlig überwältigt von der Schönheit dieses an den Berg geklebten Orts
mit seinen steilen Treppen und verschlungenen Wegen. Jedes Haus ist individuell
und trotzdem ist der Gesamteindruck harmonisch, einheitlich. Die Häuser
vermitteln einen selbstverständlichen Stolz, dachte ich. Die Menschen, die sie
bauten, wussten ganz einfach, dass sie es wert sind, so zu leben. Wieso
akzeptieren wir Wohnungsmangel, schlechte Wohnverhältnisse? Alle Menschen
sollten das Recht auf ein schönes und geräumiges Haus haben. Alles ist von Hand
gebaut, verputzt, gezimmert, gemalt. Lebensbejahend, aber nicht protzig. Das
ist wirklich etwas anderes als die engen und hässlichen Wohnungen in den Städten
Europas, das Gefühl der Wertlosigkeit bei den Menschen, die in ihnen
eingepfercht leben. Schlampigkeit im Bau. Minderwertige, gesundheitsschädliche
Materialien. So falsch.
Eine Frau
begegnete mir, begleitet von einer Katze mit einem in die Luft gereckten
Schwanz. Ich musste bei diesem Anblick lächeln. Die Frau sagte etwas. Wir grüßten
uns. Ich rede mit der Katze, sagte sie entschuldigend. Das Normalste von der
Welt für mich, aber das konnte ich nicht auf Griechisch sagen.
(Später)
Beschließe, den
Tag heute zu beenden, ohne dass ich das getan habe, was ich eigentlich vorhatte
(am Anas-Text weiterarbeiten). Es ist besser, morgen früher aufzustehen.
(Noch später)
Stehe vor der
Terrassentür, schaue durch die Glastür in die Dunkelheit und wiederhole die
griechischen Phrasen von der Rosetta Stone CD. "Er hat ihr Blumen
geschenkt. Sie schenkt ihm Blumen. Er hat letzte Woche eine Fahrkarte gekauft.
Hast du ein Lexikon? Brauchst du Briefmarken? Die Kinder haben ihrem Vater eine
Krawatte geschenkt.Gestern habe ich Fleisch und Gemüse gekauft. Heute koche
ich. Er fährt morgen nach Paris. Hast du einen Briefumschlag? Ja, ich habe
gestern einen gekauft."
Der rothaarige Hamish macht eine Fressvisite auf
der Terrasse und schaut mich durch die Tür an. Er sieht so knuddelig aus.
Setze mich mit
einem Gedichtband von Mary Oliver aufs Bett, lese ein paar Gedichte und denke,
eigentlich ist das doch das einzig Wichtige im Leben der Versuch, das Leben
und die Welt und unser Leben in der Welt zu verstehen. Warum hat man dann ständig
das Gefühl, man müßte etwas zustandebringen, warum flieht man ständig vor dem,
was ist?
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