2020/04/25 20:04
Die Lehrerin des
Aquarellkurses: eine junge Frau japanischer Abstammung, die in Argentinien
lebt. Etwas an ihrem Gesicht fasziniert mich: Es ist auf den ersten Blick völlig
unbeweglich, drückt aber viele Emotionen aus, oft sogar gleichzeitig, z.B. Traurigkeit
und kindliche Freude. Die Übungen sind einfach, das ist auch für mich tröstlich
und besänftigend.
Heute ist mir zum
ersten Mal aufgefallen, dass ich Angst vor dem Moment habe, wo die
Ausgangsbeschränkungen wieder aufgehoben werden: zurück ins normale Leben. Ich
schaute heute interesshalber nach, ab welchem Datum Flüge nach Kopenhagen
gehen, aber es ergriff mich gleich der Widerstand. Ich möchte nie mehr weg von
hier, nie mehr in ein Flugzeug steigen, nie mehr in einer Abflughalle stehen.
Ich möchte nie wieder zurück in das Leben, das ich in Malmö zurückgelassen
habe. Ich habe Angst davor, dass meine Zeit hier einfach aufgesogen wird vom
Alltag, von meinen (oft schlechten) Gewohnheiten. Ich möchte immer hier sitzen,
an diesem Tisch, mit dem Blick auf die Berge und auf den Sonnenuntergang, und
am Morgen mit einer Tasse Kaffee auf dem Bett griechische Phrasen plappern, vor
dem Haus Tänze üben, mit dem Fahrrad zu Theodosos einkaufen fahren. Ja, warum
eigentlich nicht.
Giannis kam heute
um neun mit Auto und Abhänger rückwärts den Abhang hochgefahren. Nach zwei Stunden konzentriertem Beschneiden
des Baums wollte er 20 Euro von mir haben. Er sah fast schuldbewusst aus, als
er das sagte. Ich gab ihm 30. Fragte, ob er sich vorstellen könnte, sich um den
Garten zu kümmern, wenn wir nicht hier sind. Er sagte zu, was P, deren Idee das
Ganze war, sehr beglückte. Vangelis kam später an und verlangte für Rasenmähen,
Zusammenrechen und Wegfahren 65 Euro. Das kam mir dann wiederum unverhältnismäßig
viel vor. Andererseits hat er auch den Schlauch der Bewässerungsanlage
geflickt, dafür Reserveteile besorgt. Die Mähmaschine ist gemietet und läuft
mit Benzin, da fallen natürlich auch Kosten an. P schlug vor, ich sollte mir
von Dino, dem Steuerberater, eine Steuernummer geben
lassen, um an ihr Bankkonto zu kommen. Warum schreibe ich das alles? Weil meine
Datei "Braindump" heißt. Notizen ohne Wert.
Als Giannis
fertig war mit dem Beschneiden, fragte ich ihn, wie es um den Olivenbaum bestellt
sei. Ach, sagte er, der wird noch viele Besitzer sehen in seinem Leben. Er gebe
ihm noch 600 Jahre. Hingegen konstatierte er den endgültigen Tod der
Terpentinpistazie vom Nachbargrundstück. Die muss gefällt werden.
Jedenfalls bin
ich deshalb gestern nach dem Aufstehen zum Olivenbaum gegangen und habe ihn
umarmt, meine Wange gegen seine Rinde gedrückt. Ich sollte es jeden Tag tun,
dachte ich da noch, aber heute hatte ich es natürlich schon wieder vergessen.
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